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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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-- an den Prinzen, und nun ward diesem plötzlich ein militärischer Ruf ge¬
nau in derselben Weise fabricirt, wie Napoleon der Dritte einen solchen den¬
jenigen seiner Generale fabriciren ließ, die er zum Staatsstreich gebrauchen
wollte. Selbst der badische Feldzug mußte dazu dienen, obgleich jeder Un¬
befangene zugeben muß, daß eine überlegene, wohlorganifirte Armee gegen¬
über einer schwächeren, fast gar nicht organisirten Truppe niemals mit weniger
Geschick geführt worden ist/) Daß der Prinz von Preußen daher Bedenken
trug, den Bundesoberbefehl persönlich zu übernehmen, ist uns sehr erklärlich-
Aber allerdings hätte er ihn immer noch annehmen und sich einen tüchtige"
Gehilfen beigesellen können.

Doch kehren wir zur Betrachtung der Verhältnisse des Angriffes auf das
linke Rheinufer zurück. Hätte Napoleon für sich oder für die Belgier und
Holländer das preußische Land links vom Rhein genommen, so lägen immer
noch deutsche Länder links vom Rhein, nämlich das vldenburgische Birken¬
feld, Stücke von Hessen und die baierische Pfalz. Diese Stücke könnten, er¬
obert, gleichfalls zu Belgien geschlagen werden. Aber allerdings, wenn sie
angegriffen würden, so erhielte Preußen sofort deutsche Bundesgenosse"-
Die gemeinsame Gefahr triebe ihm solche zu. Und dies könnte Napoleon be¬
stimmen, die betreffenden deutschen Länder seitwärts liegen zu lassen, um sie
erst später zu verspeisen. Aber werden deutsche Staaten in solcher geogr"'
phischen Lage wie Baiern wirklich so einfältig sein, ruhig zuzusehen, wen"
ihnen gesagt wird: ihr bleibt verschont, wir haben es nur mit Preuße"
zu thun?-

Möglich ist alles. Freilich liegt die Saar ein wenig näher an derba
rischen Pfalz als der Rhein am Mincio. Doch was thut das? Wenn der
Moniteur den Herren in München beweist, daß dies noch nicht fest ausgemacht
sei. so tonnen deutsche Minister es schon glauben, und Napoleon der Dritte
ist ganz der Mann dazu, dergleichen Dinge zu beweisen. Auf die Bundes¬
verfassung legen wir. wie schon früher gesagt, nur noch geringen Werth-
Bon der ganzen Bundesverfassung ist unzweifelhaft das beste Capitel die Kriegs
Verfassung. -- wir besprechen diese vielleicht später einmal einläßlich. Wen"
man mit dieser Kriegsverfassung nichts machen kann, so liegt es wahrhaftig
nicht an ihr. sondern an dem unglücklichen Verhältniß der polnischen Repu¬
blik von einigen dreißig Souveränen, von denen einmal keiner auch nur e>"
Titelchen seiner Souveränetät dreingeben will. Nun ist aber neuerdings er¬
klärt worden, daß sich mit der Kriegsverfassung des Bundes nichts anfange"
ließe. Ist man davon wirklich überzeugt, ist man sich klar darüber, daß
auch das beste Stück von dem ganzen deutschen Bunde absolut nichts werth 'si'



*) Der Verf D. Red. . vergißt die Zusammensetzung dieser Armee aus verschiedenen fast
ständig geführten Contingcntcn,

— an den Prinzen, und nun ward diesem plötzlich ein militärischer Ruf ge¬
nau in derselben Weise fabricirt, wie Napoleon der Dritte einen solchen den¬
jenigen seiner Generale fabriciren ließ, die er zum Staatsstreich gebrauchen
wollte. Selbst der badische Feldzug mußte dazu dienen, obgleich jeder Un¬
befangene zugeben muß, daß eine überlegene, wohlorganifirte Armee gegen¬
über einer schwächeren, fast gar nicht organisirten Truppe niemals mit weniger
Geschick geführt worden ist/) Daß der Prinz von Preußen daher Bedenken
trug, den Bundesoberbefehl persönlich zu übernehmen, ist uns sehr erklärlich-
Aber allerdings hätte er ihn immer noch annehmen und sich einen tüchtige»
Gehilfen beigesellen können.

Doch kehren wir zur Betrachtung der Verhältnisse des Angriffes auf das
linke Rheinufer zurück. Hätte Napoleon für sich oder für die Belgier und
Holländer das preußische Land links vom Rhein genommen, so lägen immer
noch deutsche Länder links vom Rhein, nämlich das vldenburgische Birken¬
feld, Stücke von Hessen und die baierische Pfalz. Diese Stücke könnten, er¬
obert, gleichfalls zu Belgien geschlagen werden. Aber allerdings, wenn sie
angegriffen würden, so erhielte Preußen sofort deutsche Bundesgenosse"-
Die gemeinsame Gefahr triebe ihm solche zu. Und dies könnte Napoleon be¬
stimmen, die betreffenden deutschen Länder seitwärts liegen zu lassen, um sie
erst später zu verspeisen. Aber werden deutsche Staaten in solcher geogr"'
phischen Lage wie Baiern wirklich so einfältig sein, ruhig zuzusehen, wen»
ihnen gesagt wird: ihr bleibt verschont, wir haben es nur mit Preuße"
zu thun?-

Möglich ist alles. Freilich liegt die Saar ein wenig näher an derba
rischen Pfalz als der Rhein am Mincio. Doch was thut das? Wenn der
Moniteur den Herren in München beweist, daß dies noch nicht fest ausgemacht
sei. so tonnen deutsche Minister es schon glauben, und Napoleon der Dritte
ist ganz der Mann dazu, dergleichen Dinge zu beweisen. Auf die Bundes¬
verfassung legen wir. wie schon früher gesagt, nur noch geringen Werth-
Bon der ganzen Bundesverfassung ist unzweifelhaft das beste Capitel die Kriegs
Verfassung. — wir besprechen diese vielleicht später einmal einläßlich. Wen"
man mit dieser Kriegsverfassung nichts machen kann, so liegt es wahrhaftig
nicht an ihr. sondern an dem unglücklichen Verhältniß der polnischen Repu¬
blik von einigen dreißig Souveränen, von denen einmal keiner auch nur e>»
Titelchen seiner Souveränetät dreingeben will. Nun ist aber neuerdings er¬
klärt worden, daß sich mit der Kriegsverfassung des Bundes nichts anfange"
ließe. Ist man davon wirklich überzeugt, ist man sich klar darüber, daß
auch das beste Stück von dem ganzen deutschen Bunde absolut nichts werth 'si'



*) Der Verf D. Red. . vergißt die Zusammensetzung dieser Armee aus verschiedenen fast
ständig geführten Contingcntcn,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/280>, abgerufen am 23.07.2024.