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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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Ugner Hand fünf der Angreifer, worauf man sich türkischerseits zu beruhigen
schien, ^Im Vertrauen hierauf kam jener Schwarze eines Tages auf den Markt
^'"n Ramlch. Hier erkannte ihn der Anführer der Baschibosuks, nahm ihn
sest, führte ihn vor die Behörde und drohte ihn auf der Stelle. niederzuste¬
chen, wofern man ihn nicht noch am selben Tage in Ketten nach Jerusalem
schicke. Nothgedrungen fügte sich der Stadthauptmann hierein, und der Bursche
wurde in sichern Gewahrsam gebracht. Die Beni Saker aber wendeten sich
IM an das französische Consulat, um ihren Feldhauptmann wieder zu be¬
kommen, und dieses war sofort bereit, gegen ein Honorar von 21,000 Pi-
"stern (ungefähr 1170 Thlr.) dem Verbrecher Straflosigkeit zu vermitteln.
Der Mohr, hieß es, habe Reue gezeigt und den Gürtel des Consuls von
Frankreich angefaßt, also möge man ihn loslassen. Der Pascha, der den
Einfluß des Consuls fürchtete und dem vermuthlich ein Antheil an jenem
Honorar zugesagt war, wollte nachgeben. Die Mitglieder des Gerichtshofes
"ber zeigten sich, wahrscheinlich nnr weil sie nichts dabei verdienen sollten,
'"ehe so respectvoll gegen den consularischen Gürtel. Sie erklärten rundweg,
Mohr müsse geköpft werden, mindestens sei die Sache nach Stambul zu
Richten, und wenn der Pascha dem Consul gefällig sein wolle, so möge er
^ auf seiue Verantwortung sein; sie wuschen ihre Hände in Unschuld. Der
^üscha besann sich einen Augenblick, dann gab er den Schwarzen frei.

Nun hatten aber die Beduinen von der Summe, für die sie ihn losge-
bnndelt, nur 10,00" Piaster bereit, den Rest nahmen sie, da der Kanzler
^'s Consuls nicht warten konnte, bei Bethlehemiten aus, und' zwar unter
dem Versprechen, das Geld binnen sechs Monaten zurückzuzahlen, inzwischen
"ber jede Woche mit einem Sack Korn zu verzinsen. Da die Beduinen nicht
s^n, nicht ernten und auch nicht in die Scheunen zu sammeln pflegen, so
^"nee man sich darüber wundern. indeß säen und ernten in Palästina andere
^'nec, zum Beispiel die Bethlehemiten, und da die Zinsen von den Beduinen
^adlig abgeführt wurden, so ist es nicht unmöglich, daß die Darleiher sie
shah von ihren eignen Aeckern zahlen lassen mußten.

Sehr übel kam der pflichtgetreue Hauptmann der Baschibosuks weg. Die
Veni Saker stellten ihm so eifrig nach, daß er sich nicht aus Ramleh entfer¬
nn durfte, wenn er seines Lebens sicher sein wollte, und endlich erreichte
'du die Rache mitten in der Stadt selbst. Der Mohr druf ihn hier nuper-
"Uithot auf der Straße und schlug ihm auf der Stelle mit dem Flintenkolben
^'n Reihe Zähne ein, und der Schwerverwundete Mann wurde nur dadurch
^ Ermordung geschützt, daß man ihn heimlich nach Jerusalem schaffte, wo
^ n"es jetzt mit seinem geschändeten Gesicht herumgeht, während der Schütz-
"Ug der französischen Flagge Gelegenheit hat, seine Leute zu neuen Beute-
^gen zu führen.


Grenzboten III. 1859. 33

Ugner Hand fünf der Angreifer, worauf man sich türkischerseits zu beruhigen
schien, ^Im Vertrauen hierauf kam jener Schwarze eines Tages auf den Markt
^'"n Ramlch. Hier erkannte ihn der Anführer der Baschibosuks, nahm ihn
sest, führte ihn vor die Behörde und drohte ihn auf der Stelle. niederzuste¬
chen, wofern man ihn nicht noch am selben Tage in Ketten nach Jerusalem
schicke. Nothgedrungen fügte sich der Stadthauptmann hierein, und der Bursche
wurde in sichern Gewahrsam gebracht. Die Beni Saker aber wendeten sich
IM an das französische Consulat, um ihren Feldhauptmann wieder zu be¬
kommen, und dieses war sofort bereit, gegen ein Honorar von 21,000 Pi-
"stern (ungefähr 1170 Thlr.) dem Verbrecher Straflosigkeit zu vermitteln.
Der Mohr, hieß es, habe Reue gezeigt und den Gürtel des Consuls von
Frankreich angefaßt, also möge man ihn loslassen. Der Pascha, der den
Einfluß des Consuls fürchtete und dem vermuthlich ein Antheil an jenem
Honorar zugesagt war, wollte nachgeben. Die Mitglieder des Gerichtshofes
"ber zeigten sich, wahrscheinlich nnr weil sie nichts dabei verdienen sollten,
'"ehe so respectvoll gegen den consularischen Gürtel. Sie erklärten rundweg,
Mohr müsse geköpft werden, mindestens sei die Sache nach Stambul zu
Richten, und wenn der Pascha dem Consul gefällig sein wolle, so möge er
^ auf seiue Verantwortung sein; sie wuschen ihre Hände in Unschuld. Der
^üscha besann sich einen Augenblick, dann gab er den Schwarzen frei.

Nun hatten aber die Beduinen von der Summe, für die sie ihn losge-
bnndelt, nur 10,00» Piaster bereit, den Rest nahmen sie, da der Kanzler
^'s Consuls nicht warten konnte, bei Bethlehemiten aus, und' zwar unter
dem Versprechen, das Geld binnen sechs Monaten zurückzuzahlen, inzwischen
"ber jede Woche mit einem Sack Korn zu verzinsen. Da die Beduinen nicht
s^n, nicht ernten und auch nicht in die Scheunen zu sammeln pflegen, so
^»nee man sich darüber wundern. indeß säen und ernten in Palästina andere
^'nec, zum Beispiel die Bethlehemiten, und da die Zinsen von den Beduinen
^adlig abgeführt wurden, so ist es nicht unmöglich, daß die Darleiher sie
shah von ihren eignen Aeckern zahlen lassen mußten.

Sehr übel kam der pflichtgetreue Hauptmann der Baschibosuks weg. Die
Veni Saker stellten ihm so eifrig nach, daß er sich nicht aus Ramleh entfer¬
nn durfte, wenn er seines Lebens sicher sein wollte, und endlich erreichte
'du die Rache mitten in der Stadt selbst. Der Mohr druf ihn hier nuper-
"Uithot auf der Straße und schlug ihm auf der Stelle mit dem Flintenkolben
^'n Reihe Zähne ein, und der Schwerverwundete Mann wurde nur dadurch
^ Ermordung geschützt, daß man ihn heimlich nach Jerusalem schaffte, wo
^ n»es jetzt mit seinem geschändeten Gesicht herumgeht, während der Schütz-
"Ug der französischen Flagge Gelegenheit hat, seine Leute zu neuen Beute-
^gen zu führen.


Grenzboten III. 1859. 33
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[0271] Ugner Hand fünf der Angreifer, worauf man sich türkischerseits zu beruhigen schien, ^Im Vertrauen hierauf kam jener Schwarze eines Tages auf den Markt ^'"n Ramlch. Hier erkannte ihn der Anführer der Baschibosuks, nahm ihn sest, führte ihn vor die Behörde und drohte ihn auf der Stelle. niederzuste¬ chen, wofern man ihn nicht noch am selben Tage in Ketten nach Jerusalem schicke. Nothgedrungen fügte sich der Stadthauptmann hierein, und der Bursche wurde in sichern Gewahrsam gebracht. Die Beni Saker aber wendeten sich IM an das französische Consulat, um ihren Feldhauptmann wieder zu be¬ kommen, und dieses war sofort bereit, gegen ein Honorar von 21,000 Pi- "stern (ungefähr 1170 Thlr.) dem Verbrecher Straflosigkeit zu vermitteln. Der Mohr, hieß es, habe Reue gezeigt und den Gürtel des Consuls von Frankreich angefaßt, also möge man ihn loslassen. Der Pascha, der den Einfluß des Consuls fürchtete und dem vermuthlich ein Antheil an jenem Honorar zugesagt war, wollte nachgeben. Die Mitglieder des Gerichtshofes "ber zeigten sich, wahrscheinlich nnr weil sie nichts dabei verdienen sollten, '"ehe so respectvoll gegen den consularischen Gürtel. Sie erklärten rundweg, Mohr müsse geköpft werden, mindestens sei die Sache nach Stambul zu Richten, und wenn der Pascha dem Consul gefällig sein wolle, so möge er ^ auf seiue Verantwortung sein; sie wuschen ihre Hände in Unschuld. Der ^üscha besann sich einen Augenblick, dann gab er den Schwarzen frei. Nun hatten aber die Beduinen von der Summe, für die sie ihn losge- bnndelt, nur 10,00» Piaster bereit, den Rest nahmen sie, da der Kanzler ^'s Consuls nicht warten konnte, bei Bethlehemiten aus, und' zwar unter dem Versprechen, das Geld binnen sechs Monaten zurückzuzahlen, inzwischen "ber jede Woche mit einem Sack Korn zu verzinsen. Da die Beduinen nicht s^n, nicht ernten und auch nicht in die Scheunen zu sammeln pflegen, so ^»nee man sich darüber wundern. indeß säen und ernten in Palästina andere ^'nec, zum Beispiel die Bethlehemiten, und da die Zinsen von den Beduinen ^adlig abgeführt wurden, so ist es nicht unmöglich, daß die Darleiher sie shah von ihren eignen Aeckern zahlen lassen mußten. Sehr übel kam der pflichtgetreue Hauptmann der Baschibosuks weg. Die Veni Saker stellten ihm so eifrig nach, daß er sich nicht aus Ramleh entfer¬ nn durfte, wenn er seines Lebens sicher sein wollte, und endlich erreichte 'du die Rache mitten in der Stadt selbst. Der Mohr druf ihn hier nuper- "Uithot auf der Straße und schlug ihm auf der Stelle mit dem Flintenkolben ^'n Reihe Zähne ein, und der Schwerverwundete Mann wurde nur dadurch ^ Ermordung geschützt, daß man ihn heimlich nach Jerusalem schaffte, wo ^ n»es jetzt mit seinem geschändeten Gesicht herumgeht, während der Schütz- "Ug der französischen Flagge Gelegenheit hat, seine Leute zu neuen Beute- ^gen zu führen. Grenzboten III. 1859. 33

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/271>, abgerufen am 23.07.2024.