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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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beiden Parteien die 8g.1v", g'uaräia, erbitten, dann lebten wol die Feinde aus
Kosten ihrer Wirthe im Cartell und friedlichen Einvernehmen, aber nur selten
waren Einzelne oder Ortschaften so glücklich, diesen ungenügenden Sckutz
bewahren; denn das Heer mußte leben. Schnell wurden die Pressuren zu einem
System ausgebildet, die Plünderung, Zerstörung und Quälerei zu einem denst'
dischen Raffinement. Wenn der Soldatentrupp im Dorf oder der Landstadt
einrückte, sprangen die Soldaten wie Teufel in die einzelnen Häuser, die größte
Düngerstätte lockte am meisten, denn dort war der größte Wohlstand zu erwar¬
ten. Die Qualen, weiche den Einwohnern zugefügt wurden, hatten meist den
Zweck, das versteckte Gut aus ihnen herauszulocken, auch sie wurden durch
besondere Namen unterschieden, so der schwedische Trunk, das Radeln. Die
Plünderer schraubten die Steine von den Pistolen, zwängten an ihre Stelle den
Daumen der Bauern, sie rieben die Fußsohlen mit Salz und ließen sie von
Ziegen ablecken, sie banden die Hände aus den Rücken, zogen mit durchlöcherter
Ahle ein Roßhaar durch die Zunge und bewegten dies leise auf und ab;
banden ein Seil mit Knöpfen um die Stirn und drehten es hinten mit cinco
Knebel zusammen, sie schnürten zwei Finger aneinander und fuhren mit cinco
Ladestock auf und ab, bis Haut und Fleisch auf den Knochen verbrannten, sie
drängten ihre Opfer in den Backofen und zündetetcn Stroh hinter ihnen an,
dann mußten die Gequälten durch die Flamme kriechen. Ueberall fand sich
Gesindel, das sich zu ihnen schlug und die eignen Nachbarn verrieth. Und das
waren die abscheulichsten Qualen noch nicht. Was sie den Frauen und Mädchen-
Greisinnen und Kindern zufügten, bleibe verschwiegen. Es gab für ein Weib
in offenen Städten und aus dem Lande damals keine Rettung, als die zweifel¬
hafte einer schnellen Flucht in eine unsichere Ferne. Die sich nicht vorher
retten konnten, und nur wenige vermochten das -- verfielen dem Kriege.

So Hausten die Heere im Volke, jedes Bett entehrend, jedes Haus be¬
raubend, jede Flur verwüstend, bis der allgemeine Ruin ihnen selbst Verderben
brachte. Und dies dreißigjährige Verderben Deutschlands vollendete sich ^
einer gewissen Steigerung. Bis zu Gustav Adolphs Tode war auch bei furch'
terlicher Gegenwart unmer noch Trost und Hoffnung, von da erst begann det
schlechteste Zeit. Die Jahre 1635 -- 1641 sind die, welche die letzte Kraft der
Nation vernichteten; von da bis zum Frieden liegt eine tödtliche Ermattung
auf dem Lande; sie theilt sich den Heeren mit, und gern möchte man erkennen,
daß bitteres eigenes Elend auch bei den Soldaten einige Rücksicht auf die
Existenz der Bürger und Bauern hervorgerufen habe. Als der Krieg beendet
war, wurde noch einmal das übriggebliebene Volk bis zur Verzweiflung an¬
gestrengt, die Unterhaltungskosten und Friedcnsgelder für die stillstehenden
Truppen zu zahlen. Dann zerrannen die Heere unter die Bevölkerung.


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beiden Parteien die 8g.1v», g'uaräia, erbitten, dann lebten wol die Feinde aus
Kosten ihrer Wirthe im Cartell und friedlichen Einvernehmen, aber nur selten
waren Einzelne oder Ortschaften so glücklich, diesen ungenügenden Sckutz
bewahren; denn das Heer mußte leben. Schnell wurden die Pressuren zu einem
System ausgebildet, die Plünderung, Zerstörung und Quälerei zu einem denst'
dischen Raffinement. Wenn der Soldatentrupp im Dorf oder der Landstadt
einrückte, sprangen die Soldaten wie Teufel in die einzelnen Häuser, die größte
Düngerstätte lockte am meisten, denn dort war der größte Wohlstand zu erwar¬
ten. Die Qualen, weiche den Einwohnern zugefügt wurden, hatten meist den
Zweck, das versteckte Gut aus ihnen herauszulocken, auch sie wurden durch
besondere Namen unterschieden, so der schwedische Trunk, das Radeln. Die
Plünderer schraubten die Steine von den Pistolen, zwängten an ihre Stelle den
Daumen der Bauern, sie rieben die Fußsohlen mit Salz und ließen sie von
Ziegen ablecken, sie banden die Hände aus den Rücken, zogen mit durchlöcherter
Ahle ein Roßhaar durch die Zunge und bewegten dies leise auf und ab;
banden ein Seil mit Knöpfen um die Stirn und drehten es hinten mit cinco
Knebel zusammen, sie schnürten zwei Finger aneinander und fuhren mit cinco
Ladestock auf und ab, bis Haut und Fleisch auf den Knochen verbrannten, sie
drängten ihre Opfer in den Backofen und zündetetcn Stroh hinter ihnen an,
dann mußten die Gequälten durch die Flamme kriechen. Ueberall fand sich
Gesindel, das sich zu ihnen schlug und die eignen Nachbarn verrieth. Und das
waren die abscheulichsten Qualen noch nicht. Was sie den Frauen und Mädchen-
Greisinnen und Kindern zufügten, bleibe verschwiegen. Es gab für ein Weib
in offenen Städten und aus dem Lande damals keine Rettung, als die zweifel¬
hafte einer schnellen Flucht in eine unsichere Ferne. Die sich nicht vorher
retten konnten, und nur wenige vermochten das — verfielen dem Kriege.

So Hausten die Heere im Volke, jedes Bett entehrend, jedes Haus be¬
raubend, jede Flur verwüstend, bis der allgemeine Ruin ihnen selbst Verderben
brachte. Und dies dreißigjährige Verderben Deutschlands vollendete sich ^
einer gewissen Steigerung. Bis zu Gustav Adolphs Tode war auch bei furch'
terlicher Gegenwart unmer noch Trost und Hoffnung, von da erst begann det
schlechteste Zeit. Die Jahre 1635 — 1641 sind die, welche die letzte Kraft der
Nation vernichteten; von da bis zum Frieden liegt eine tödtliche Ermattung
auf dem Lande; sie theilt sich den Heeren mit, und gern möchte man erkennen,
daß bitteres eigenes Elend auch bei den Soldaten einige Rücksicht auf die
Existenz der Bürger und Bauern hervorgerufen habe. Als der Krieg beendet
war, wurde noch einmal das übriggebliebene Volk bis zur Verzweiflung an¬
gestrengt, die Unterhaltungskosten und Friedcnsgelder für die stillstehenden
Truppen zu zahlen. Dann zerrannen die Heere unter die Bevölkerung.


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[0248] beiden Parteien die 8g.1v», g'uaräia, erbitten, dann lebten wol die Feinde aus Kosten ihrer Wirthe im Cartell und friedlichen Einvernehmen, aber nur selten waren Einzelne oder Ortschaften so glücklich, diesen ungenügenden Sckutz bewahren; denn das Heer mußte leben. Schnell wurden die Pressuren zu einem System ausgebildet, die Plünderung, Zerstörung und Quälerei zu einem denst' dischen Raffinement. Wenn der Soldatentrupp im Dorf oder der Landstadt einrückte, sprangen die Soldaten wie Teufel in die einzelnen Häuser, die größte Düngerstätte lockte am meisten, denn dort war der größte Wohlstand zu erwar¬ ten. Die Qualen, weiche den Einwohnern zugefügt wurden, hatten meist den Zweck, das versteckte Gut aus ihnen herauszulocken, auch sie wurden durch besondere Namen unterschieden, so der schwedische Trunk, das Radeln. Die Plünderer schraubten die Steine von den Pistolen, zwängten an ihre Stelle den Daumen der Bauern, sie rieben die Fußsohlen mit Salz und ließen sie von Ziegen ablecken, sie banden die Hände aus den Rücken, zogen mit durchlöcherter Ahle ein Roßhaar durch die Zunge und bewegten dies leise auf und ab; banden ein Seil mit Knöpfen um die Stirn und drehten es hinten mit cinco Knebel zusammen, sie schnürten zwei Finger aneinander und fuhren mit cinco Ladestock auf und ab, bis Haut und Fleisch auf den Knochen verbrannten, sie drängten ihre Opfer in den Backofen und zündetetcn Stroh hinter ihnen an, dann mußten die Gequälten durch die Flamme kriechen. Ueberall fand sich Gesindel, das sich zu ihnen schlug und die eignen Nachbarn verrieth. Und das waren die abscheulichsten Qualen noch nicht. Was sie den Frauen und Mädchen- Greisinnen und Kindern zufügten, bleibe verschwiegen. Es gab für ein Weib in offenen Städten und aus dem Lande damals keine Rettung, als die zweifel¬ hafte einer schnellen Flucht in eine unsichere Ferne. Die sich nicht vorher retten konnten, und nur wenige vermochten das — verfielen dem Kriege. So Hausten die Heere im Volke, jedes Bett entehrend, jedes Haus be¬ raubend, jede Flur verwüstend, bis der allgemeine Ruin ihnen selbst Verderben brachte. Und dies dreißigjährige Verderben Deutschlands vollendete sich ^ einer gewissen Steigerung. Bis zu Gustav Adolphs Tode war auch bei furch' terlicher Gegenwart unmer noch Trost und Hoffnung, von da erst begann det schlechteste Zeit. Die Jahre 1635 — 1641 sind die, welche die letzte Kraft der Nation vernichteten; von da bis zum Frieden liegt eine tödtliche Ermattung auf dem Lande; sie theilt sich den Heeren mit, und gern möchte man erkennen, daß bitteres eigenes Elend auch bei den Soldaten einige Rücksicht auf die Existenz der Bürger und Bauern hervorgerufen habe. Als der Krieg beendet war, wurde noch einmal das übriggebliebene Volk bis zur Verzweiflung an¬ gestrengt, die Unterhaltungskosten und Friedcnsgelder für die stillstehenden Truppen zu zahlen. Dann zerrannen die Heere unter die Bevölkerung. ?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/248>, abgerufen am 22.07.2024.