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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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Teufel hilf mir, Leib und Seele geb ich dir. Sie bannten den Schuß und
thaten das Rohr des Feindes zu, wenn sie unter den linken Arm gebunden
wurden. Ja sie wurden gegessen. Aber die Ansichten über ihre Wirksamkeit
waren schwankend. Sie sollten nur auf 24 Stunden schützen; nach andern
wirkte ihr Zauber erst nach den ersten 24 Stunden, wer vorher erschossen wurde,
gehörte dem Teufel. Auch andere Zaubermittel werden zum Schutz herbei'
gezogen, alles Häßliche und Unheimliche wird gesammelt, und vieles, was im
alten Götterglauben furchtbar gewesen war, wirkt noch jetzt mit der alten Kraft.
Ein Stück von dem Strick oder der Kette, woran ein Mensch erhängt war, machte
fest, ebenso der Bart eines Bockes, Augen des Wolfes. Kopf der Fledermaus
und ähnliches in einen Beutel von schwarzer Katerhaut eingewickelt und am
Leibe getragen.") Fest machte die Gemskugel, eine haarige Masse aus dem
Magen der Gemse, ferner die Haube, welche jemand bei der Geburt auf die
Welt gebracht hatte, u, a. in.; auch wer sein Lebtag keine Nieren gegessen,
war sicher vor Schuß und Pestilenz, man glaubte in Augsburg, daß ein be¬
rühmter Ritter und wohlgeübter Kriegsoberster (Sebastian Schärtlin) sich dadurch
vor dem Feinde bewahrt habe."*)

Auch alte Hexenkräuter, Wegewart, Verden^ Se. Johanniskraut, Vogel¬
kraut, Siegwurz, Allermannsharnisch wurden zu Wundsegen gebraucht und das
kräftigste von allen, die geheimnißvolle Bollwurz. Sie mußte mit dem besten
"^geschliffenen Stahl ausgegraben und durfte nie mit der bloßen Hand, am
wenigsten mit der linken, angegriffen werden, sie wurde wie ein agnus Ael
getragen. Sie war rund, fand sich nur auf der Walstatt großer Männer¬
schlachten und war, wie Zimmermann sagt, um der verstorbenen Seelen willen
geheiligt. Und außer ihr eine feuerfarbige Blume, welche die Kabbalisten
Efdamanila nannten, sie schützte nicht allein den Mann, der sie trug, vor
Schuß, Hieb und Feuer; wenn sie bei der ersten feindlichen Kugel in belagerter
Stadt über die Mauer gehängt wurde, so band sie das feindliche Stück wenig¬
stens auf einen Monat.***)

Auch Amulctmünzen waren früh im Brauch; im Jahr 1555 wurde in
dem Gefecht bei Marienburg zwischen den Prinzen Oranien und Revers ein
kleines Kind durch einen Schuß an den Hals getroffen, ein silberner Schau-
Pfennig bog sich zusammen, das Kind blieb unverletzt; damals schrieb man
f° großen Erfolg noch einem Amuletzettel zu, den es neben der Schaumünze





interessirte mehr der Aberglaube, welcher um ZL60 in besonderer Aufnahme war: die
'""se sich unsichtbar zu machen und des Alräunchen. Am Ende des Jahrhunderts grassirte
^ Wünschelruthe, dann wurden die Poltergeister mächtig.
'
) Klein, Kriegsinstitution. S. 53.
**) Zimmermann, Goth. Mön. Bl, 97.
*
**) Zimmermann, Goth. Mön.

Teufel hilf mir, Leib und Seele geb ich dir. Sie bannten den Schuß und
thaten das Rohr des Feindes zu, wenn sie unter den linken Arm gebunden
wurden. Ja sie wurden gegessen. Aber die Ansichten über ihre Wirksamkeit
waren schwankend. Sie sollten nur auf 24 Stunden schützen; nach andern
wirkte ihr Zauber erst nach den ersten 24 Stunden, wer vorher erschossen wurde,
gehörte dem Teufel. Auch andere Zaubermittel werden zum Schutz herbei'
gezogen, alles Häßliche und Unheimliche wird gesammelt, und vieles, was im
alten Götterglauben furchtbar gewesen war, wirkt noch jetzt mit der alten Kraft.
Ein Stück von dem Strick oder der Kette, woran ein Mensch erhängt war, machte
fest, ebenso der Bart eines Bockes, Augen des Wolfes. Kopf der Fledermaus
und ähnliches in einen Beutel von schwarzer Katerhaut eingewickelt und am
Leibe getragen.") Fest machte die Gemskugel, eine haarige Masse aus dem
Magen der Gemse, ferner die Haube, welche jemand bei der Geburt auf die
Welt gebracht hatte, u, a. in.; auch wer sein Lebtag keine Nieren gegessen,
war sicher vor Schuß und Pestilenz, man glaubte in Augsburg, daß ein be¬
rühmter Ritter und wohlgeübter Kriegsoberster (Sebastian Schärtlin) sich dadurch
vor dem Feinde bewahrt habe."*)

Auch alte Hexenkräuter, Wegewart, Verden^ Se. Johanniskraut, Vogel¬
kraut, Siegwurz, Allermannsharnisch wurden zu Wundsegen gebraucht und das
kräftigste von allen, die geheimnißvolle Bollwurz. Sie mußte mit dem besten
"^geschliffenen Stahl ausgegraben und durfte nie mit der bloßen Hand, am
wenigsten mit der linken, angegriffen werden, sie wurde wie ein agnus Ael
getragen. Sie war rund, fand sich nur auf der Walstatt großer Männer¬
schlachten und war, wie Zimmermann sagt, um der verstorbenen Seelen willen
geheiligt. Und außer ihr eine feuerfarbige Blume, welche die Kabbalisten
Efdamanila nannten, sie schützte nicht allein den Mann, der sie trug, vor
Schuß, Hieb und Feuer; wenn sie bei der ersten feindlichen Kugel in belagerter
Stadt über die Mauer gehängt wurde, so band sie das feindliche Stück wenig¬
stens auf einen Monat.***)

Auch Amulctmünzen waren früh im Brauch; im Jahr 1555 wurde in
dem Gefecht bei Marienburg zwischen den Prinzen Oranien und Revers ein
kleines Kind durch einen Schuß an den Hals getroffen, ein silberner Schau-
Pfennig bog sich zusammen, das Kind blieb unverletzt; damals schrieb man
f° großen Erfolg noch einem Amuletzettel zu, den es neben der Schaumünze





interessirte mehr der Aberglaube, welcher um ZL60 in besonderer Aufnahme war: die
'""se sich unsichtbar zu machen und des Alräunchen. Am Ende des Jahrhunderts grassirte
^ Wünschelruthe, dann wurden die Poltergeister mächtig.
'
) Klein, Kriegsinstitution. S. 53.
**) Zimmermann, Goth. Mön. Bl, 97.
*
**) Zimmermann, Goth. Mön.
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[0243] Teufel hilf mir, Leib und Seele geb ich dir. Sie bannten den Schuß und thaten das Rohr des Feindes zu, wenn sie unter den linken Arm gebunden wurden. Ja sie wurden gegessen. Aber die Ansichten über ihre Wirksamkeit waren schwankend. Sie sollten nur auf 24 Stunden schützen; nach andern wirkte ihr Zauber erst nach den ersten 24 Stunden, wer vorher erschossen wurde, gehörte dem Teufel. Auch andere Zaubermittel werden zum Schutz herbei' gezogen, alles Häßliche und Unheimliche wird gesammelt, und vieles, was im alten Götterglauben furchtbar gewesen war, wirkt noch jetzt mit der alten Kraft. Ein Stück von dem Strick oder der Kette, woran ein Mensch erhängt war, machte fest, ebenso der Bart eines Bockes, Augen des Wolfes. Kopf der Fledermaus und ähnliches in einen Beutel von schwarzer Katerhaut eingewickelt und am Leibe getragen.") Fest machte die Gemskugel, eine haarige Masse aus dem Magen der Gemse, ferner die Haube, welche jemand bei der Geburt auf die Welt gebracht hatte, u, a. in.; auch wer sein Lebtag keine Nieren gegessen, war sicher vor Schuß und Pestilenz, man glaubte in Augsburg, daß ein be¬ rühmter Ritter und wohlgeübter Kriegsoberster (Sebastian Schärtlin) sich dadurch vor dem Feinde bewahrt habe."*) Auch alte Hexenkräuter, Wegewart, Verden^ Se. Johanniskraut, Vogel¬ kraut, Siegwurz, Allermannsharnisch wurden zu Wundsegen gebraucht und das kräftigste von allen, die geheimnißvolle Bollwurz. Sie mußte mit dem besten "^geschliffenen Stahl ausgegraben und durfte nie mit der bloßen Hand, am wenigsten mit der linken, angegriffen werden, sie wurde wie ein agnus Ael getragen. Sie war rund, fand sich nur auf der Walstatt großer Männer¬ schlachten und war, wie Zimmermann sagt, um der verstorbenen Seelen willen geheiligt. Und außer ihr eine feuerfarbige Blume, welche die Kabbalisten Efdamanila nannten, sie schützte nicht allein den Mann, der sie trug, vor Schuß, Hieb und Feuer; wenn sie bei der ersten feindlichen Kugel in belagerter Stadt über die Mauer gehängt wurde, so band sie das feindliche Stück wenig¬ stens auf einen Monat.***) Auch Amulctmünzen waren früh im Brauch; im Jahr 1555 wurde in dem Gefecht bei Marienburg zwischen den Prinzen Oranien und Revers ein kleines Kind durch einen Schuß an den Hals getroffen, ein silberner Schau- Pfennig bog sich zusammen, das Kind blieb unverletzt; damals schrieb man f° großen Erfolg noch einem Amuletzettel zu, den es neben der Schaumünze interessirte mehr der Aberglaube, welcher um ZL60 in besonderer Aufnahme war: die '""se sich unsichtbar zu machen und des Alräunchen. Am Ende des Jahrhunderts grassirte ^ Wünschelruthe, dann wurden die Poltergeister mächtig. ' ) Klein, Kriegsinstitution. S. 53. **) Zimmermann, Goth. Mön. Bl, 97. * **) Zimmermann, Goth. Mön.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/243>, abgerufen am 22.07.2024.