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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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König bezeichnet wurde. Und wie weit blieb die Lage des Kaisers Franz Joseph
nach Magenta und nach Solferino an Bedrohtheit hinter derjenigen Frie-
drichs nach Collin zurück! Nach dem Anfang, der am 29. April mit dem Über¬
gang über den Tessin gemacht worden war, schien es uns doppelt unmöglich,
daß Franz Joseph nach zwei unglücklichen Monaten schon die reiche Lombardei
aufgeben könne.

Indessen am 11. Juli hatten die beiden Kaiser zu Villafranca eine per¬
sönliche Zusammenkunft, und am 12. ward daselbst der Präliminarfriede unter-
zeichnet.

Welche Gründe bestimmten die Kaiser hierzu? Kann der Prälimincirfriede
in dem Sinne durchgeführt werden, in dem er abgeschlossen ward?

Napoleon, wie Franz Joseph haben die Gründe selbst dargelegt, aus
welchen sie Frieden schlössen. Napoleon hat sich darüber am ausführlichsten
in seiner Anrede an die großen Staatskörper ausgesprochen, als diese ihn bei
seiner Rückkehr nach Paris begrüßten. Der Sinn der Rede ist etwa folgender'

Als ich, sagte Napoleon, vor Verona ankam, mußte der Krieg, wie in
militärischer, so in politischer Beziehung bald einen andern Charakter annehmen-
Ich war unglücklicherweise genöthigt, einen durch starke Festungen ge^
deckten. durch die Neutralität des Landes in seinen Flanken geschützten Feind
in der Front anzugreifen. Begann ich diesen langwierigen Belagerungskrieg,
der zweifelhafte Lorbeem verhieß, so stand mir Europa in Waffen gegenüber,
bereit, entweder meine Erfolge mir streitig zu machen oder Unfälle, die ich
erlitt, auszubeuten und unsere Lage zu erschweren.

Dies hätte mich alles nicht abgeschreckt, wenn nicht die zu erringenden
Resultate außer Verhältniß zu den anzuwendenden Mitteln gewesen wären-
Ich brauchte nur kühn mich über die Achtung vor der Neutralität hinwegzm
setzen, und dann die Revolution überall zu meiner Unterstützung auszurufen-
Dieses wollte ich nicht, ein Souverän, ein legitimer Monarch darf zu diesem
Mittel, in seinem eignen Interesse nur dann greifen, wenn es sich um die
Unabhängigkeit seines eignen Landes hundelt. Das Interesse Frankreich
allein bestimmte mich, halt zu machen, den Frieden zu schließen. Es hat
mich Ueberwindung gekostet, meine Siegesbahn zu verkürzen, mein Programm
theilweis aufzugeben, die Italiener in ihren Hoffnungen zu täuschen. - Im
dessen, ich habe mich überwunden, weil das Interesse Frankreichs es
forderte.

Ist für Italien nicht alles erreicht, was ich ankündigte, so ist doch vieles
erreicht: Sardinien befreit und vergrößert; die italienische Nationalität von
ihrem bisherigen Hauptgegner in ihrer Berechtigung anerkannt. Reformen in
allen italienischen Staaten in naher Aussicht.

Das Interesse Frankreichs. -- welches sich wirklich und ohne daß Napo-


König bezeichnet wurde. Und wie weit blieb die Lage des Kaisers Franz Joseph
nach Magenta und nach Solferino an Bedrohtheit hinter derjenigen Frie-
drichs nach Collin zurück! Nach dem Anfang, der am 29. April mit dem Über¬
gang über den Tessin gemacht worden war, schien es uns doppelt unmöglich,
daß Franz Joseph nach zwei unglücklichen Monaten schon die reiche Lombardei
aufgeben könne.

Indessen am 11. Juli hatten die beiden Kaiser zu Villafranca eine per¬
sönliche Zusammenkunft, und am 12. ward daselbst der Präliminarfriede unter-
zeichnet.

Welche Gründe bestimmten die Kaiser hierzu? Kann der Prälimincirfriede
in dem Sinne durchgeführt werden, in dem er abgeschlossen ward?

Napoleon, wie Franz Joseph haben die Gründe selbst dargelegt, aus
welchen sie Frieden schlössen. Napoleon hat sich darüber am ausführlichsten
in seiner Anrede an die großen Staatskörper ausgesprochen, als diese ihn bei
seiner Rückkehr nach Paris begrüßten. Der Sinn der Rede ist etwa folgender'

Als ich, sagte Napoleon, vor Verona ankam, mußte der Krieg, wie in
militärischer, so in politischer Beziehung bald einen andern Charakter annehmen-
Ich war unglücklicherweise genöthigt, einen durch starke Festungen ge^
deckten. durch die Neutralität des Landes in seinen Flanken geschützten Feind
in der Front anzugreifen. Begann ich diesen langwierigen Belagerungskrieg,
der zweifelhafte Lorbeem verhieß, so stand mir Europa in Waffen gegenüber,
bereit, entweder meine Erfolge mir streitig zu machen oder Unfälle, die ich
erlitt, auszubeuten und unsere Lage zu erschweren.

Dies hätte mich alles nicht abgeschreckt, wenn nicht die zu erringenden
Resultate außer Verhältniß zu den anzuwendenden Mitteln gewesen wären-
Ich brauchte nur kühn mich über die Achtung vor der Neutralität hinwegzm
setzen, und dann die Revolution überall zu meiner Unterstützung auszurufen-
Dieses wollte ich nicht, ein Souverän, ein legitimer Monarch darf zu diesem
Mittel, in seinem eignen Interesse nur dann greifen, wenn es sich um die
Unabhängigkeit seines eignen Landes hundelt. Das Interesse Frankreich
allein bestimmte mich, halt zu machen, den Frieden zu schließen. Es hat
mich Ueberwindung gekostet, meine Siegesbahn zu verkürzen, mein Programm
theilweis aufzugeben, die Italiener in ihren Hoffnungen zu täuschen. - Im
dessen, ich habe mich überwunden, weil das Interesse Frankreichs es
forderte.

Ist für Italien nicht alles erreicht, was ich ankündigte, so ist doch vieles
erreicht: Sardinien befreit und vergrößert; die italienische Nationalität von
ihrem bisherigen Hauptgegner in ihrer Berechtigung anerkannt. Reformen in
allen italienischen Staaten in naher Aussicht.

Das Interesse Frankreichs. — welches sich wirklich und ohne daß Napo-


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[0234] König bezeichnet wurde. Und wie weit blieb die Lage des Kaisers Franz Joseph nach Magenta und nach Solferino an Bedrohtheit hinter derjenigen Frie- drichs nach Collin zurück! Nach dem Anfang, der am 29. April mit dem Über¬ gang über den Tessin gemacht worden war, schien es uns doppelt unmöglich, daß Franz Joseph nach zwei unglücklichen Monaten schon die reiche Lombardei aufgeben könne. Indessen am 11. Juli hatten die beiden Kaiser zu Villafranca eine per¬ sönliche Zusammenkunft, und am 12. ward daselbst der Präliminarfriede unter- zeichnet. Welche Gründe bestimmten die Kaiser hierzu? Kann der Prälimincirfriede in dem Sinne durchgeführt werden, in dem er abgeschlossen ward? Napoleon, wie Franz Joseph haben die Gründe selbst dargelegt, aus welchen sie Frieden schlössen. Napoleon hat sich darüber am ausführlichsten in seiner Anrede an die großen Staatskörper ausgesprochen, als diese ihn bei seiner Rückkehr nach Paris begrüßten. Der Sinn der Rede ist etwa folgender' Als ich, sagte Napoleon, vor Verona ankam, mußte der Krieg, wie in militärischer, so in politischer Beziehung bald einen andern Charakter annehmen- Ich war unglücklicherweise genöthigt, einen durch starke Festungen ge^ deckten. durch die Neutralität des Landes in seinen Flanken geschützten Feind in der Front anzugreifen. Begann ich diesen langwierigen Belagerungskrieg, der zweifelhafte Lorbeem verhieß, so stand mir Europa in Waffen gegenüber, bereit, entweder meine Erfolge mir streitig zu machen oder Unfälle, die ich erlitt, auszubeuten und unsere Lage zu erschweren. Dies hätte mich alles nicht abgeschreckt, wenn nicht die zu erringenden Resultate außer Verhältniß zu den anzuwendenden Mitteln gewesen wären- Ich brauchte nur kühn mich über die Achtung vor der Neutralität hinwegzm setzen, und dann die Revolution überall zu meiner Unterstützung auszurufen- Dieses wollte ich nicht, ein Souverän, ein legitimer Monarch darf zu diesem Mittel, in seinem eignen Interesse nur dann greifen, wenn es sich um die Unabhängigkeit seines eignen Landes hundelt. Das Interesse Frankreich allein bestimmte mich, halt zu machen, den Frieden zu schließen. Es hat mich Ueberwindung gekostet, meine Siegesbahn zu verkürzen, mein Programm theilweis aufzugeben, die Italiener in ihren Hoffnungen zu täuschen. - Im dessen, ich habe mich überwunden, weil das Interesse Frankreichs es forderte. Ist für Italien nicht alles erreicht, was ich ankündigte, so ist doch vieles erreicht: Sardinien befreit und vergrößert; die italienische Nationalität von ihrem bisherigen Hauptgegner in ihrer Berechtigung anerkannt. Reformen in allen italienischen Staaten in naher Aussicht. Das Interesse Frankreichs. — welches sich wirklich und ohne daß Napo-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/234>, abgerufen am 22.07.2024.