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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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und er sendete Offiziere und einen Commissarius nach Bologna, um die mili¬
tärische Organisation zu leiten und ihr einen Rahmen zu geben. Im Süden
dagegen litt es der französische Militärcommandant zu Rom, daß so zu sagen
unter seinen Augen die Städte, welche sich für Victor Emanuel erhoben, durch
päpstliche Soldtruppen zur Ruhe gebracht wurden. Der Papst protestirte gegen
jede Trennung des Kirchenstaates.

Ein unheilbarer Zwiespalt trat in diesen Dingen hervor, und um den¬
selben nicht noch klarer zu machen, gab, wie man annehmen kann, Napo¬
leon -- wir meinten nur vorläufig -- die beste Art des Angriffes auf die
Festungsgruppe auf und wählte die schwierigere.

Um die Jsolirung der Festungsgruppe zu bewerkstelligen, mußte man viel¬
leicht auch deutsches Bundesgebiet betreten; war es jetzt noch nicht unbedingt
nothwendig, so konnte doch alle Tage der Fall eintreten. Auch dies wollte
Napoleon bis auf Weiteres vermeiden.

Am 28. Juni begann die französische Hauptarmee ihren Uebergang über
do Mincio. In derselben Zeit eröffnete die französische Flotte ihre Opera¬
tionen im adriatischen Meere und suchte sich vorläufig Stationsplätze, um
späterhin mindestens östreichische Kräfte an den Küsten zu binden.

Vom 4. Juli ab trat ein Gehen und Kommen von Parlamentären zwi¬
schen den Hauptquartieren zu Verona und Valeggio ein; Napoleon bot plötz¬
lich einen Waffenstillstand an und Franz Joseph nahm ihn an. Am 9. wurde
derselbe zu Villafranca, giltig bis zum 15. August, unterzeichnet.

Wir hielten den Waffenstillstand sür einen militärischen, durch welchen
Napoleon Zeit gewinnen wollte, steh gegen ein jetzt näher getretenes Einrei¬
sen Deutschlands in die kriegerische Handlung zu rüsten und Gelegenheit, sich
uio möglich die Neutralität Deutschlands und zugleich eine freiere Action in
Italien mit Beseitigung der Rücksichten, die er namentlich auf den Papst noch
glaubte nehmen zu müssen, zu sichern. Daß dem Waffenstillstand ein Friede
"uf dem Fuß nachfolgen werde, konnten wir nicht für wahrscheinlich halten.
Nenn wir auch niemals vorausgesetzt haben, daß es Napoleon mit der Be-
freiung Italiens Ernst sei, so hielten wir es doch für fast moralisch unmög¬
lich, daß er in so kurzer Frist von seinem Programm und den Principien des
Ausrufs von Mailand abspränge.

Andererseits heißt der Kaiser Franz Joseph überall der .^ritterliche", ein
Attribut, welches freilich jetzt sehr freigebig gespendet wird. Ritterlich ist es
"der. auch im Unglück und trotz aller Widerwärtigkeiten an dem festzuhalten,
^"s man für recht erkannt hat. und lieber die Chance eines ruhmvollen
Unterganges anzunehmen, als vom Rechten abzugehen. So ritterlich war
König Friedrich der Große nach der Schlacht von Collin und in mancher andern
^ge seines Lebens, obgleich er merkwürdigerweise niemals als der ritterliche


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und er sendete Offiziere und einen Commissarius nach Bologna, um die mili¬
tärische Organisation zu leiten und ihr einen Rahmen zu geben. Im Süden
dagegen litt es der französische Militärcommandant zu Rom, daß so zu sagen
unter seinen Augen die Städte, welche sich für Victor Emanuel erhoben, durch
päpstliche Soldtruppen zur Ruhe gebracht wurden. Der Papst protestirte gegen
jede Trennung des Kirchenstaates.

Ein unheilbarer Zwiespalt trat in diesen Dingen hervor, und um den¬
selben nicht noch klarer zu machen, gab, wie man annehmen kann, Napo¬
leon — wir meinten nur vorläufig — die beste Art des Angriffes auf die
Festungsgruppe auf und wählte die schwierigere.

Um die Jsolirung der Festungsgruppe zu bewerkstelligen, mußte man viel¬
leicht auch deutsches Bundesgebiet betreten; war es jetzt noch nicht unbedingt
nothwendig, so konnte doch alle Tage der Fall eintreten. Auch dies wollte
Napoleon bis auf Weiteres vermeiden.

Am 28. Juni begann die französische Hauptarmee ihren Uebergang über
do Mincio. In derselben Zeit eröffnete die französische Flotte ihre Opera¬
tionen im adriatischen Meere und suchte sich vorläufig Stationsplätze, um
späterhin mindestens östreichische Kräfte an den Küsten zu binden.

Vom 4. Juli ab trat ein Gehen und Kommen von Parlamentären zwi¬
schen den Hauptquartieren zu Verona und Valeggio ein; Napoleon bot plötz¬
lich einen Waffenstillstand an und Franz Joseph nahm ihn an. Am 9. wurde
derselbe zu Villafranca, giltig bis zum 15. August, unterzeichnet.

Wir hielten den Waffenstillstand sür einen militärischen, durch welchen
Napoleon Zeit gewinnen wollte, steh gegen ein jetzt näher getretenes Einrei¬
sen Deutschlands in die kriegerische Handlung zu rüsten und Gelegenheit, sich
uio möglich die Neutralität Deutschlands und zugleich eine freiere Action in
Italien mit Beseitigung der Rücksichten, die er namentlich auf den Papst noch
glaubte nehmen zu müssen, zu sichern. Daß dem Waffenstillstand ein Friede
«uf dem Fuß nachfolgen werde, konnten wir nicht für wahrscheinlich halten.
Nenn wir auch niemals vorausgesetzt haben, daß es Napoleon mit der Be-
freiung Italiens Ernst sei, so hielten wir es doch für fast moralisch unmög¬
lich, daß er in so kurzer Frist von seinem Programm und den Principien des
Ausrufs von Mailand abspränge.

Andererseits heißt der Kaiser Franz Joseph überall der .^ritterliche", ein
Attribut, welches freilich jetzt sehr freigebig gespendet wird. Ritterlich ist es
«der. auch im Unglück und trotz aller Widerwärtigkeiten an dem festzuhalten,
^«s man für recht erkannt hat. und lieber die Chance eines ruhmvollen
Unterganges anzunehmen, als vom Rechten abzugehen. So ritterlich war
König Friedrich der Große nach der Schlacht von Collin und in mancher andern
^ge seines Lebens, obgleich er merkwürdigerweise niemals als der ritterliche


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/233>, abgerufen am 28.12.2024.