Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.ziehen ohne Schaden zu leiden. Daher der Umweg, die Zickzackreise, die So hat der Reisende sich zu bescheiden, sich mit der Aussicht zu trösten, Es war Sonnabend den 9. April d. I. Nachmittags zwei Uhr, als ich Der nächste Tag war wenig besser. Der Himmel behielt sein melancho¬ Ich fand jetzt, daß wir diesmal ungewöhnlich viele deutsche, wenigstens ziehen ohne Schaden zu leiden. Daher der Umweg, die Zickzackreise, die So hat der Reisende sich zu bescheiden, sich mit der Aussicht zu trösten, Es war Sonnabend den 9. April d. I. Nachmittags zwei Uhr, als ich Der nächste Tag war wenig besser. Der Himmel behielt sein melancho¬ Ich fand jetzt, daß wir diesmal ungewöhnlich viele deutsche, wenigstens <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0216" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107802"/> <p xml:id="ID_677" prev="#ID_676"> ziehen ohne Schaden zu leiden. Daher der Umweg, die Zickzackreise, die<lb/> Verzögerung der Ankunft in Palästina um volle sieben Tage. Bitten um Ab¬<lb/> änderung haben nichts gefruchtet. Die Quarantünecmstalten sind vom Staat<lb/> verpachtet, also dürfen ihre Einnahmen nicht geschmälert werden. Daß sie,<lb/> Pestzeiten ausgenommen, überflüssig sind, daß sie den Verkehr stören, daß<lb/> Zeit Geld ist, geht nicht in einen türkischen Kopf, auch in keinen jungtürkischen.</p><lb/> <p xml:id="ID_678"> So hat der Reisende sich zu bescheiden, sich mit der Aussicht zu trösten,<lb/> daß der Umweg ihn an mancherlei schönen Gegenden vorüberführen wird,<lb/> und sich für solche Tage, die keine Sehenswürdigkeiten bieten, den Sack mit<lb/> Geduld handgerecht zu legen, den das alte Reisebuch empfiehlt. sendet ihm<lb/> sein guter Stern dazu noch verträgliche Gesellschaft in die Kajüte, gewährt<lb/> er ihm gelegentlichen Wechsel in der Unterhaltung mit den Gefährten — selbst<lb/> die besten werden auf der See mitunter ungenießbar — so läßt sichs aushal¬<lb/> ten, und der Verfasser nachfolgender Mittheilungen hat sogar recht vergnügte<lb/> Stunden zwischen Himmel und Meer erlebt.</p><lb/> <p xml:id="ID_679"> Es war Sonnabend den 9. April d. I. Nachmittags zwei Uhr, als ich<lb/> auf dem schmucken Eildampfer Kalkutta die Rhede von Trieft verließ. Die<lb/> Reise ließ sich anfangs nicht besonders gut an. Das Wetter trübe, die Luft<lb/> kalt und feucht, die Bergketten an der Küste von weißlichgrauen Regenwolken<lb/> umwoben, die Stimmung der Passagiere dem entsprechend: wortkarg, unge¬<lb/> sellig, verdrießlich in Erwartung von Gegenwind und Seekrankheit. Erst der<lb/> Ungarwein der Abendtafel knöpfte dem einen und dem andern den Sinn zu<lb/> einiger Gesprächigkeit aus.</p><lb/> <p xml:id="ID_680"> Der nächste Tag war wenig besser. Der Himmel behielt sein melancho¬<lb/> lisches Aprilgesicht. stundenlanger Regen fesselte die Reisenden an die Ka¬<lb/> jüte, die dadurch eben nicht weniger schwül und dunstig wurde. Indeß lernte<lb/> man sich gegenseitig kennen, die Unterhaltung wurde lebhafter, und je nach<lb/> dem größern oder geringern Interesse, das man aneinander nahm, begannen<lb/> sich Gruppen vorübergehender Bekanntschaften zu bilden.</p><lb/> <p xml:id="ID_681" next="#ID_682"> Ich fand jetzt, daß wir diesmal ungewöhnlich viele deutsche, wenigstens<lb/> deutschsprechcnde Passagiere an Bord hatten. Im Uebrigen war die Gesell¬<lb/> schaft in beiden Kajüten ziemlich gemischt. Wir hatten unter uns in einem<lb/> stattlichen Herrn mit militärischem Schnurrbart den östreichischen Generalconsul<lb/> Pizzamcmo von Jerusalem, in einem Schwarzrock mit lichtblonden Haaren und<lb/> glattrasutem Geficht einen norwegischen Geistlichen, in einem redseligen Ungarn<lb/> mit italienischem Namen den zukünftigen Kanzler des k. k. Consulats in Smyrna!<lb/> ferner einen englischen Kaufmann von Korfu und einige Griechen von Syra,<lb/> zwei danzigcr Juden, die des Bernsteinhandels wegen nach Konstantinopel<lb/> gingen, einen Berliner, der nach Athen wollte, um, wie er sagte, bei Hofe<lb/> gymnastische Euren vorzunehmen, endlich zwei deutschredende türkische Offizin</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0216]
ziehen ohne Schaden zu leiden. Daher der Umweg, die Zickzackreise, die
Verzögerung der Ankunft in Palästina um volle sieben Tage. Bitten um Ab¬
änderung haben nichts gefruchtet. Die Quarantünecmstalten sind vom Staat
verpachtet, also dürfen ihre Einnahmen nicht geschmälert werden. Daß sie,
Pestzeiten ausgenommen, überflüssig sind, daß sie den Verkehr stören, daß
Zeit Geld ist, geht nicht in einen türkischen Kopf, auch in keinen jungtürkischen.
So hat der Reisende sich zu bescheiden, sich mit der Aussicht zu trösten,
daß der Umweg ihn an mancherlei schönen Gegenden vorüberführen wird,
und sich für solche Tage, die keine Sehenswürdigkeiten bieten, den Sack mit
Geduld handgerecht zu legen, den das alte Reisebuch empfiehlt. sendet ihm
sein guter Stern dazu noch verträgliche Gesellschaft in die Kajüte, gewährt
er ihm gelegentlichen Wechsel in der Unterhaltung mit den Gefährten — selbst
die besten werden auf der See mitunter ungenießbar — so läßt sichs aushal¬
ten, und der Verfasser nachfolgender Mittheilungen hat sogar recht vergnügte
Stunden zwischen Himmel und Meer erlebt.
Es war Sonnabend den 9. April d. I. Nachmittags zwei Uhr, als ich
auf dem schmucken Eildampfer Kalkutta die Rhede von Trieft verließ. Die
Reise ließ sich anfangs nicht besonders gut an. Das Wetter trübe, die Luft
kalt und feucht, die Bergketten an der Küste von weißlichgrauen Regenwolken
umwoben, die Stimmung der Passagiere dem entsprechend: wortkarg, unge¬
sellig, verdrießlich in Erwartung von Gegenwind und Seekrankheit. Erst der
Ungarwein der Abendtafel knöpfte dem einen und dem andern den Sinn zu
einiger Gesprächigkeit aus.
Der nächste Tag war wenig besser. Der Himmel behielt sein melancho¬
lisches Aprilgesicht. stundenlanger Regen fesselte die Reisenden an die Ka¬
jüte, die dadurch eben nicht weniger schwül und dunstig wurde. Indeß lernte
man sich gegenseitig kennen, die Unterhaltung wurde lebhafter, und je nach
dem größern oder geringern Interesse, das man aneinander nahm, begannen
sich Gruppen vorübergehender Bekanntschaften zu bilden.
Ich fand jetzt, daß wir diesmal ungewöhnlich viele deutsche, wenigstens
deutschsprechcnde Passagiere an Bord hatten. Im Uebrigen war die Gesell¬
schaft in beiden Kajüten ziemlich gemischt. Wir hatten unter uns in einem
stattlichen Herrn mit militärischem Schnurrbart den östreichischen Generalconsul
Pizzamcmo von Jerusalem, in einem Schwarzrock mit lichtblonden Haaren und
glattrasutem Geficht einen norwegischen Geistlichen, in einem redseligen Ungarn
mit italienischem Namen den zukünftigen Kanzler des k. k. Consulats in Smyrna!
ferner einen englischen Kaufmann von Korfu und einige Griechen von Syra,
zwei danzigcr Juden, die des Bernsteinhandels wegen nach Konstantinopel
gingen, einen Berliner, der nach Athen wollte, um, wie er sagte, bei Hofe
gymnastische Euren vorzunehmen, endlich zwei deutschredende türkische Offizin
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