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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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drüber" bezeichnet. Nach verlorenen Schlachten, bei schlechter Verpflegung wuchs
ihre Zahl ins Ungeheure. Leichtverwundete Reiter, die ihre Pferde verloren
Hütten, gesellten sich zu ihnen und es war der damaligen Kriegszucht unmög¬
lich, sie zu bannen. Sie stahlen Soldatenpferde von der Weide und aus den
Quartieren, minirten bei Nacht die Zelte, und zwackten hervor, was sich greift"
ließ, sie lauerten an Engpässen aus die Felleisen, welche die letzten Weiber des
Trosses auf Pferden und Wagen mit sich führten.

Die Zuchtlosesten verließen dann wol ganz den Pfad ihres Heeres, lebte"
als Schnapphähne, Heckenbrüder, Waldsischer auf eigne Faust, bald im Kämpfe
bald im Bunde mit verwilderten Landleuten, welche ein ähnliches Gewerbe
trieben. Leicht war der Verkauf des gestohlenen Gutes, die jüdischen Hehler
und Käufer frugen nur, was die Waare gewesen sei, ob kaiserlich, ob schwe¬
disch, ob hessisch, um beim Verkauf den frühern Eigenthümer zu meiden. Ver¬
geblich waren nach dem Ende des Krieges die Bemühungen der Landesherr",
die großen Räuberbanden zu vernichten, sie haben in einer gewissen Kontinui¬
tät bis zum Anfang dieses Jahrhunderts gedauert.

Ein breiter Strom von Aberglauben flutet durch die Seelen der Völker
von der Urzeit bis zur Gegenwart. Lange Zeit wälzt er sich fast unbeachtet
unter der dünnen Decke, welche Bildung und Wissen über ihn legt, und nur
leise tönt dem Gebildeten sein Rauschen ins Ohr. Zuweilen erweitert die
kranke Laune einer Zeit einzelne Richtungen zu einem weiten trüben Sumpfe,
erstaunt sehen wir dann die entstellten Trümmer uralter Culturzustände oben¬
auf schwimmen. Dann scheint wieder lebendig und mächtig, was lange ab¬
gelebt und vergessen war. Auch das Soldatenleben des dreißigjährigen Krie¬
ges hat eine Fülle von eigenthümlichem Aberglauben lebendig gemacht, der
zum Theil noch heut dauert; es lohnt bei dieser charakteristischen Erscheinung
zu verweilen.

Der Glaube, daß man den Leib gegen das Geschoß der Feinde verfehlen,
und wieder, daß man die eignen Waffen durch Zauber jedem Feind tödtlich
machen könne, ist älter, als das geschichtliche Leben der germanischen Völker.
Aber schon in den frühsten Zeiten hängt etwas Unheimliches an solcher Kunst,
sie wird leicht dem Gefeiten selbst zum Verhängniß. Die Unverwundbarkeit
ist nicht unbedingt und gegen den Zauber der treffenden Waffe gibt es einen
Gegenzauber, der stärker sein mag. Schon Achill hatte eine Zehe, die nicht
gefeit war; der nordische Gott Baldur konnte durch keine Waffe verletzt wer¬
den, aber der Mistelzweig, den ein Blinder bewegte, tödtete ihn; Siegfried
hatte eine offene Stelle zwischen den Schultern, dieselbe Stelle, welche auch
den Soldaten des dreißigjährigen Krieges für offen galt.*) In zahlreichen
nordischen Sagen wird von Wasserzauber berichtet. Das Schwert, die edelste



^Königl. schwedischer Victorischlüssel 1632. (v. O.) 4- 24 S.

drüber" bezeichnet. Nach verlorenen Schlachten, bei schlechter Verpflegung wuchs
ihre Zahl ins Ungeheure. Leichtverwundete Reiter, die ihre Pferde verloren
Hütten, gesellten sich zu ihnen und es war der damaligen Kriegszucht unmög¬
lich, sie zu bannen. Sie stahlen Soldatenpferde von der Weide und aus den
Quartieren, minirten bei Nacht die Zelte, und zwackten hervor, was sich greift»
ließ, sie lauerten an Engpässen aus die Felleisen, welche die letzten Weiber des
Trosses auf Pferden und Wagen mit sich führten.

Die Zuchtlosesten verließen dann wol ganz den Pfad ihres Heeres, lebte»
als Schnapphähne, Heckenbrüder, Waldsischer auf eigne Faust, bald im Kämpfe
bald im Bunde mit verwilderten Landleuten, welche ein ähnliches Gewerbe
trieben. Leicht war der Verkauf des gestohlenen Gutes, die jüdischen Hehler
und Käufer frugen nur, was die Waare gewesen sei, ob kaiserlich, ob schwe¬
disch, ob hessisch, um beim Verkauf den frühern Eigenthümer zu meiden. Ver¬
geblich waren nach dem Ende des Krieges die Bemühungen der Landesherr»,
die großen Räuberbanden zu vernichten, sie haben in einer gewissen Kontinui¬
tät bis zum Anfang dieses Jahrhunderts gedauert.

Ein breiter Strom von Aberglauben flutet durch die Seelen der Völker
von der Urzeit bis zur Gegenwart. Lange Zeit wälzt er sich fast unbeachtet
unter der dünnen Decke, welche Bildung und Wissen über ihn legt, und nur
leise tönt dem Gebildeten sein Rauschen ins Ohr. Zuweilen erweitert die
kranke Laune einer Zeit einzelne Richtungen zu einem weiten trüben Sumpfe,
erstaunt sehen wir dann die entstellten Trümmer uralter Culturzustände oben¬
auf schwimmen. Dann scheint wieder lebendig und mächtig, was lange ab¬
gelebt und vergessen war. Auch das Soldatenleben des dreißigjährigen Krie¬
ges hat eine Fülle von eigenthümlichem Aberglauben lebendig gemacht, der
zum Theil noch heut dauert; es lohnt bei dieser charakteristischen Erscheinung
zu verweilen.

Der Glaube, daß man den Leib gegen das Geschoß der Feinde verfehlen,
und wieder, daß man die eignen Waffen durch Zauber jedem Feind tödtlich
machen könne, ist älter, als das geschichtliche Leben der germanischen Völker.
Aber schon in den frühsten Zeiten hängt etwas Unheimliches an solcher Kunst,
sie wird leicht dem Gefeiten selbst zum Verhängniß. Die Unverwundbarkeit
ist nicht unbedingt und gegen den Zauber der treffenden Waffe gibt es einen
Gegenzauber, der stärker sein mag. Schon Achill hatte eine Zehe, die nicht
gefeit war; der nordische Gott Baldur konnte durch keine Waffe verletzt wer¬
den, aber der Mistelzweig, den ein Blinder bewegte, tödtete ihn; Siegfried
hatte eine offene Stelle zwischen den Schultern, dieselbe Stelle, welche auch
den Soldaten des dreißigjährigen Krieges für offen galt.*) In zahlreichen
nordischen Sagen wird von Wasserzauber berichtet. Das Schwert, die edelste



^Königl. schwedischer Victorischlüssel 1632. (v. O.) 4- 24 S.
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[0212] drüber" bezeichnet. Nach verlorenen Schlachten, bei schlechter Verpflegung wuchs ihre Zahl ins Ungeheure. Leichtverwundete Reiter, die ihre Pferde verloren Hütten, gesellten sich zu ihnen und es war der damaligen Kriegszucht unmög¬ lich, sie zu bannen. Sie stahlen Soldatenpferde von der Weide und aus den Quartieren, minirten bei Nacht die Zelte, und zwackten hervor, was sich greift» ließ, sie lauerten an Engpässen aus die Felleisen, welche die letzten Weiber des Trosses auf Pferden und Wagen mit sich führten. Die Zuchtlosesten verließen dann wol ganz den Pfad ihres Heeres, lebte» als Schnapphähne, Heckenbrüder, Waldsischer auf eigne Faust, bald im Kämpfe bald im Bunde mit verwilderten Landleuten, welche ein ähnliches Gewerbe trieben. Leicht war der Verkauf des gestohlenen Gutes, die jüdischen Hehler und Käufer frugen nur, was die Waare gewesen sei, ob kaiserlich, ob schwe¬ disch, ob hessisch, um beim Verkauf den frühern Eigenthümer zu meiden. Ver¬ geblich waren nach dem Ende des Krieges die Bemühungen der Landesherr», die großen Räuberbanden zu vernichten, sie haben in einer gewissen Kontinui¬ tät bis zum Anfang dieses Jahrhunderts gedauert. Ein breiter Strom von Aberglauben flutet durch die Seelen der Völker von der Urzeit bis zur Gegenwart. Lange Zeit wälzt er sich fast unbeachtet unter der dünnen Decke, welche Bildung und Wissen über ihn legt, und nur leise tönt dem Gebildeten sein Rauschen ins Ohr. Zuweilen erweitert die kranke Laune einer Zeit einzelne Richtungen zu einem weiten trüben Sumpfe, erstaunt sehen wir dann die entstellten Trümmer uralter Culturzustände oben¬ auf schwimmen. Dann scheint wieder lebendig und mächtig, was lange ab¬ gelebt und vergessen war. Auch das Soldatenleben des dreißigjährigen Krie¬ ges hat eine Fülle von eigenthümlichem Aberglauben lebendig gemacht, der zum Theil noch heut dauert; es lohnt bei dieser charakteristischen Erscheinung zu verweilen. Der Glaube, daß man den Leib gegen das Geschoß der Feinde verfehlen, und wieder, daß man die eignen Waffen durch Zauber jedem Feind tödtlich machen könne, ist älter, als das geschichtliche Leben der germanischen Völker. Aber schon in den frühsten Zeiten hängt etwas Unheimliches an solcher Kunst, sie wird leicht dem Gefeiten selbst zum Verhängniß. Die Unverwundbarkeit ist nicht unbedingt und gegen den Zauber der treffenden Waffe gibt es einen Gegenzauber, der stärker sein mag. Schon Achill hatte eine Zehe, die nicht gefeit war; der nordische Gott Baldur konnte durch keine Waffe verletzt wer¬ den, aber der Mistelzweig, den ein Blinder bewegte, tödtete ihn; Siegfried hatte eine offene Stelle zwischen den Schultern, dieselbe Stelle, welche auch den Soldaten des dreißigjährigen Krieges für offen galt.*) In zahlreichen nordischen Sagen wird von Wasserzauber berichtet. Das Schwert, die edelste ^Königl. schwedischer Victorischlüssel 1632. (v. O.) 4- 24 S.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/212>, abgerufen am 28.12.2024.