Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

diener in schöner Livree, und nannte sich selbst mit düsterem Humor Oberst
Lumpus. So reiste er nach München und lebte dort herrlich in einer He^
berge. Zufällig kehrte General Holtz in derselben Herberge ein. horte durch den
Wirth viel von Reichthum und Qualitäten des Oberst Lumpus. und konnte
sich doch nicht erinnern, jemals unter den Cavalieren des römischen Reichs
oder unter den Soldaten von Fortun diesen Namen gehört zu haben. Des¬
halb trug er dem Wirth aus, den Fremden zum Abendessen einzuladen. Oberst
Lumpus nahm die Einladung an, ließ beim Confect in einer Schüssel
neue französische Pistolen und eine Kette von 100 Ducaten Werth auftragen,
und sagte dabei zum General: "mit diesem Tractcnnent wollen Ew. Excellenz
vorlieb nehmen, und meiner dabei bestens gedenken." Der v. Holtz sträubte
sich ein wenig, aber der freigebige Oberst drängte mit den Worten, "bald
wird die Zeit kommen, wo Ew. Excellenz selbst erkennen werden, daß ich diese
Verehrung zu thun obligirt war. Die Schenkung ist nicht übel angelegt, denn
ich hoffe alsdann von Ew. Excellenz eine Gnade zu erhalten, die keinen Pfennig
kosten soll." Darauf acceptirte der v. Holtz nach damaliger Sitte Kette u"d
Geld mit courtoisen Promessen, solches vorkommendenfalls zu remeritiren. Der
General reiste ab, der falsche Oberst lebte fort; wenn er bei einer Wache
vorüberfuhr, trat die Soldateska ihm zu Ehren ins Gewehr, dann warf er
ihr ein Dutzend Thaler zu. Sechs Wochen darauf war sein Geld zu Ende-
Da verkaufte er Kutsche und Pferde, darauf Kleider und Weißzeug und ve"
trank alles. Die Diener entliefen ihm, zuletzt hatte er nichts mehr als ein
schlechtes Kleid, und keinen Pfennig darin. Da schenkte ihm der Wirth, der
viel an ihm gewonnen, fünfzig Thaler Reisegeld, der Oberst aber verweilte,
bis auch das verzehrt war; wieder gab ihm der Wirth zehn Thaler als Zei)^
geld; der beharrliche Schwelger aber antwortete, wenn es Zehrgeld sein sol^'
wolle er es lieber bei ihm, als bei einem andern verzehren. Als auch das
verthan war, opferte der Wirth noch fünf Thaler und verbot seinem Gesinde,
dem Verschwender etwas dafür zu geben. IcjU endlich quittirte er das Wirths'
Haus und ging in das nächste, wo er auch d>e fünf Thaler in Bier vertrank"
Darauf trollte er nach Heilbronn zu seinem Regiment. Dort wurde er sogleich
in Eisen geschlossen und mit dem Galgen bedroht, weil er aus so viele Woche"
vom Regiment entwichen war. Da ließ er sich zu seinem General führen-
stellte sich ihm vor, und erinnerte ihn an den Abend in der Herberge. Den'
scharfen Verweis des Generals gab er die Antwort: er hätte sein Lebtag "ich'
so sehr gewünscht, als zu wissen, wie einem großen Herrn zu Muthe sei. dazu
habe er seine Beute benutzt.

In den ungarischen Kriegen war Gesetz gewesen, die Beute gemeinst
zu vertheilen, bald kam das ab. Doch fand der glückliche Gewinner rathsaw-
den Offizieren seiner Compagnie einen Antheil zu gönnen. Dies gemeinsam


diener in schöner Livree, und nannte sich selbst mit düsterem Humor Oberst
Lumpus. So reiste er nach München und lebte dort herrlich in einer He^
berge. Zufällig kehrte General Holtz in derselben Herberge ein. horte durch den
Wirth viel von Reichthum und Qualitäten des Oberst Lumpus. und konnte
sich doch nicht erinnern, jemals unter den Cavalieren des römischen Reichs
oder unter den Soldaten von Fortun diesen Namen gehört zu haben. Des¬
halb trug er dem Wirth aus, den Fremden zum Abendessen einzuladen. Oberst
Lumpus nahm die Einladung an, ließ beim Confect in einer Schüssel
neue französische Pistolen und eine Kette von 100 Ducaten Werth auftragen,
und sagte dabei zum General: „mit diesem Tractcnnent wollen Ew. Excellenz
vorlieb nehmen, und meiner dabei bestens gedenken." Der v. Holtz sträubte
sich ein wenig, aber der freigebige Oberst drängte mit den Worten, „bald
wird die Zeit kommen, wo Ew. Excellenz selbst erkennen werden, daß ich diese
Verehrung zu thun obligirt war. Die Schenkung ist nicht übel angelegt, denn
ich hoffe alsdann von Ew. Excellenz eine Gnade zu erhalten, die keinen Pfennig
kosten soll." Darauf acceptirte der v. Holtz nach damaliger Sitte Kette u»d
Geld mit courtoisen Promessen, solches vorkommendenfalls zu remeritiren. Der
General reiste ab, der falsche Oberst lebte fort; wenn er bei einer Wache
vorüberfuhr, trat die Soldateska ihm zu Ehren ins Gewehr, dann warf er
ihr ein Dutzend Thaler zu. Sechs Wochen darauf war sein Geld zu Ende-
Da verkaufte er Kutsche und Pferde, darauf Kleider und Weißzeug und ve»
trank alles. Die Diener entliefen ihm, zuletzt hatte er nichts mehr als ein
schlechtes Kleid, und keinen Pfennig darin. Da schenkte ihm der Wirth, der
viel an ihm gewonnen, fünfzig Thaler Reisegeld, der Oberst aber verweilte,
bis auch das verzehrt war; wieder gab ihm der Wirth zehn Thaler als Zei)^
geld; der beharrliche Schwelger aber antwortete, wenn es Zehrgeld sein sol^'
wolle er es lieber bei ihm, als bei einem andern verzehren. Als auch das
verthan war, opferte der Wirth noch fünf Thaler und verbot seinem Gesinde,
dem Verschwender etwas dafür zu geben. IcjU endlich quittirte er das Wirths'
Haus und ging in das nächste, wo er auch d>e fünf Thaler in Bier vertrank«
Darauf trollte er nach Heilbronn zu seinem Regiment. Dort wurde er sogleich
in Eisen geschlossen und mit dem Galgen bedroht, weil er aus so viele Woche"
vom Regiment entwichen war. Da ließ er sich zu seinem General führen-
stellte sich ihm vor, und erinnerte ihn an den Abend in der Herberge. Den'
scharfen Verweis des Generals gab er die Antwort: er hätte sein Lebtag »ich'
so sehr gewünscht, als zu wissen, wie einem großen Herrn zu Muthe sei. dazu
habe er seine Beute benutzt.

In den ungarischen Kriegen war Gesetz gewesen, die Beute gemeinst
zu vertheilen, bald kam das ab. Doch fand der glückliche Gewinner rathsaw-
den Offizieren seiner Compagnie einen Antheil zu gönnen. Dies gemeinsam


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0210" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107796"/>
              <p xml:id="ID_663" prev="#ID_662"> diener in schöner Livree, und nannte sich selbst mit düsterem Humor Oberst<lb/>
Lumpus.  So reiste er nach München und lebte dort herrlich in einer He^<lb/>
berge. Zufällig kehrte General Holtz in derselben Herberge ein. horte durch den<lb/>
Wirth viel von Reichthum und Qualitäten des Oberst Lumpus. und konnte<lb/>
sich doch nicht erinnern, jemals unter den Cavalieren des römischen Reichs<lb/>
oder unter den Soldaten von Fortun diesen Namen gehört zu haben. Des¬<lb/>
halb trug er dem Wirth aus, den Fremden zum Abendessen einzuladen. Oberst<lb/>
Lumpus nahm die Einladung an, ließ beim Confect in einer Schüssel<lb/>
neue französische Pistolen und eine Kette von 100 Ducaten Werth auftragen,<lb/>
und sagte dabei zum General: &#x201E;mit diesem Tractcnnent wollen Ew. Excellenz<lb/>
vorlieb nehmen, und meiner dabei bestens gedenken."  Der v. Holtz sträubte<lb/>
sich ein wenig, aber der freigebige Oberst drängte mit den Worten, &#x201E;bald<lb/>
wird die Zeit kommen, wo Ew. Excellenz selbst erkennen werden, daß ich diese<lb/>
Verehrung zu thun obligirt war. Die Schenkung ist nicht übel angelegt, denn<lb/>
ich hoffe alsdann von Ew. Excellenz eine Gnade zu erhalten, die keinen Pfennig<lb/>
kosten soll."  Darauf acceptirte der v. Holtz nach damaliger Sitte Kette u»d<lb/>
Geld mit courtoisen Promessen, solches vorkommendenfalls zu remeritiren. Der<lb/>
General reiste ab, der falsche Oberst lebte fort; wenn er bei einer Wache<lb/>
vorüberfuhr, trat die Soldateska ihm zu Ehren ins Gewehr, dann warf er<lb/>
ihr ein Dutzend Thaler zu.  Sechs Wochen darauf war sein Geld zu Ende-<lb/>
Da verkaufte er Kutsche und Pferde, darauf Kleider und Weißzeug und ve»<lb/>
trank alles.  Die Diener entliefen ihm, zuletzt hatte er nichts mehr als ein<lb/>
schlechtes Kleid, und keinen Pfennig darin.  Da schenkte ihm der Wirth, der<lb/>
viel an ihm gewonnen, fünfzig Thaler Reisegeld, der Oberst aber verweilte,<lb/>
bis auch das verzehrt war; wieder gab ihm der Wirth zehn Thaler als Zei)^<lb/>
geld; der beharrliche Schwelger aber antwortete, wenn es Zehrgeld sein sol^'<lb/>
wolle er es lieber bei ihm, als bei einem andern verzehren.  Als auch das<lb/>
verthan war, opferte der Wirth noch fünf Thaler und verbot seinem Gesinde,<lb/>
dem Verschwender etwas dafür zu geben. IcjU endlich quittirte er das Wirths'<lb/>
Haus und ging in das nächste, wo er auch d&gt;e fünf Thaler in Bier vertrank«<lb/>
Darauf trollte er nach Heilbronn zu seinem Regiment. Dort wurde er sogleich<lb/>
in Eisen geschlossen und mit dem Galgen bedroht, weil er aus so viele Woche"<lb/>
vom Regiment entwichen war.  Da ließ er sich zu seinem General führen-<lb/>
stellte sich ihm vor, und erinnerte ihn an den Abend in der Herberge. Den'<lb/>
scharfen Verweis des Generals gab er die Antwort: er hätte sein Lebtag »ich'<lb/>
so sehr gewünscht, als zu wissen, wie einem großen Herrn zu Muthe sei. dazu<lb/>
habe er seine Beute benutzt.</p><lb/>
              <p xml:id="ID_664" next="#ID_665"> In den ungarischen Kriegen war Gesetz gewesen, die Beute gemeinst<lb/>
zu vertheilen, bald kam das ab. Doch fand der glückliche Gewinner rathsaw-<lb/>
den Offizieren seiner Compagnie einen Antheil zu gönnen.  Dies gemeinsam</p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0210] diener in schöner Livree, und nannte sich selbst mit düsterem Humor Oberst Lumpus. So reiste er nach München und lebte dort herrlich in einer He^ berge. Zufällig kehrte General Holtz in derselben Herberge ein. horte durch den Wirth viel von Reichthum und Qualitäten des Oberst Lumpus. und konnte sich doch nicht erinnern, jemals unter den Cavalieren des römischen Reichs oder unter den Soldaten von Fortun diesen Namen gehört zu haben. Des¬ halb trug er dem Wirth aus, den Fremden zum Abendessen einzuladen. Oberst Lumpus nahm die Einladung an, ließ beim Confect in einer Schüssel neue französische Pistolen und eine Kette von 100 Ducaten Werth auftragen, und sagte dabei zum General: „mit diesem Tractcnnent wollen Ew. Excellenz vorlieb nehmen, und meiner dabei bestens gedenken." Der v. Holtz sträubte sich ein wenig, aber der freigebige Oberst drängte mit den Worten, „bald wird die Zeit kommen, wo Ew. Excellenz selbst erkennen werden, daß ich diese Verehrung zu thun obligirt war. Die Schenkung ist nicht übel angelegt, denn ich hoffe alsdann von Ew. Excellenz eine Gnade zu erhalten, die keinen Pfennig kosten soll." Darauf acceptirte der v. Holtz nach damaliger Sitte Kette u»d Geld mit courtoisen Promessen, solches vorkommendenfalls zu remeritiren. Der General reiste ab, der falsche Oberst lebte fort; wenn er bei einer Wache vorüberfuhr, trat die Soldateska ihm zu Ehren ins Gewehr, dann warf er ihr ein Dutzend Thaler zu. Sechs Wochen darauf war sein Geld zu Ende- Da verkaufte er Kutsche und Pferde, darauf Kleider und Weißzeug und ve» trank alles. Die Diener entliefen ihm, zuletzt hatte er nichts mehr als ein schlechtes Kleid, und keinen Pfennig darin. Da schenkte ihm der Wirth, der viel an ihm gewonnen, fünfzig Thaler Reisegeld, der Oberst aber verweilte, bis auch das verzehrt war; wieder gab ihm der Wirth zehn Thaler als Zei)^ geld; der beharrliche Schwelger aber antwortete, wenn es Zehrgeld sein sol^' wolle er es lieber bei ihm, als bei einem andern verzehren. Als auch das verthan war, opferte der Wirth noch fünf Thaler und verbot seinem Gesinde, dem Verschwender etwas dafür zu geben. IcjU endlich quittirte er das Wirths' Haus und ging in das nächste, wo er auch d>e fünf Thaler in Bier vertrank« Darauf trollte er nach Heilbronn zu seinem Regiment. Dort wurde er sogleich in Eisen geschlossen und mit dem Galgen bedroht, weil er aus so viele Woche" vom Regiment entwichen war. Da ließ er sich zu seinem General führen- stellte sich ihm vor, und erinnerte ihn an den Abend in der Herberge. Den' scharfen Verweis des Generals gab er die Antwort: er hätte sein Lebtag »ich' so sehr gewünscht, als zu wissen, wie einem großen Herrn zu Muthe sei. dazu habe er seine Beute benutzt. In den ungarischen Kriegen war Gesetz gewesen, die Beute gemeinst zu vertheilen, bald kam das ab. Doch fand der glückliche Gewinner rathsaw- den Offizieren seiner Compagnie einen Antheil zu gönnen. Dies gemeinsam

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/210
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/210>, abgerufen am 29.12.2024.