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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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Fähnrichs steckt die flatternde Fahne im Boden, daneben liegt eine Trommel
der Compagnie, ein Musketier hält Wache, die brennende Lunte in der Hand,
die Muskete wagerecht auf die Gabel gestützt.

In solchem Lager hauste das wilde Volk in zügellosen Haushalt, auch
'ur Freundesland eine unerträgliche Plage der Umgegend. Die Landschaften,
Städte und Dörfer mußten Holz. Stroh, Lebensmittel und Futter herbei¬
schaffen, auf allen Wegen rollten die Lastwagen herzu, wurden Herden schlacht¬
et) eingetrieben. Schnell verschwanden die nächsten Dörfer vom Erdboden,
alles Holzwerk und Dachstroh wurde von den Soldaten abgerissen und zum
Bau der Hütten verwendet, nur die zertrümmerten Lehmwände blieben zurück.
D>e Soldaten und ihre Buben strichen plündernd und fechtend in der Um-
stegend umher, die Marketender fuhren mit ihren Karren ab und zu. Im
Lager aber drängten sich die Kriegsleute vor ihren Hütten und auf den
Sätzen zusammen; unterdessen kochten die Weiber, wuschen, besserten Kleider
"us und haderten untereinander. Häufig war Tumult und Auflauf, ein Kampf
"Ul blanken Waffen, eine blutige Unthat, Schlägereien zwischen den verschie¬
denen Waffen oder Nationen. Alle Morgen rief die Trommel und der Aus-
^er zum Gebet, auch bei den Kaiserlichen; am Sonntag früh hielt der
^egimentsprediger seine Feldpredigt, dann saßen die Kriegsleute und ihr Troß
Mächtig auf der Erde, auch war verboten, während des Gottesdienstes in
den Marketenderhütten zu liegen und Getränke zu schenken. Es ist bekannt,
^le sehr Gustav Adolph auf fromme Sitte und Gebet hielt, aber auch seine
^iegsartikel hielten für nöthig, die Trunkenheit der Feldprediger zu be-
drciuen. --

In dem freien Raume des Lagers vor der Hauptwache war der
Spielplatz, mit Mänteln überdeckt, mit Tischen besetzt, um alle drängte
^ die Gesellschaft der Spieler. Dort hatte das Kartenspiel der alten
Landsknechte der schnelleren Entscheidung durch Würfel weichen müssen. Oft
^ das Würfelspiel im Lager verboten, durch Rumormeister und Profoße
^'hindert worden, dann waren die Spieler heimlich hinter Hecken zusammen¬
kommen und hatten ihr Commisbrod, Waffen, Pferde, Kleider verspielt; so
^d man gerathen, diese Leidenschaft unter Aufsicht der Lagerwache zu
^lieu. Auf jedem Mantel oder Tisch rollten drei viereckige Würfel, in der
^idspvache "Schelmbeine" genannt; jeder Gesellschaft stand ein Scholderer
^> ihm gehörten Mantel. Tisch und Würfel, er hatte in streitigen Fällen
Richteramt und erhielt seinen Antheil am Gewinn, oft aber auch Schläge.
T^um häusig waren Betrug und falsche Würfel; manche Würfel hatten zwei
Musen oder Sechsen, manche zwei Es oder Daus, andere waren mit Queck-
'^'ber und Blei gefüllt, mit zerschnittenen Haaren, Schwamm. Spreu und
"hier. es gab Würfel von Hirschhorn, welche oben leicht, unten schwer


Fähnrichs steckt die flatternde Fahne im Boden, daneben liegt eine Trommel
der Compagnie, ein Musketier hält Wache, die brennende Lunte in der Hand,
die Muskete wagerecht auf die Gabel gestützt.

In solchem Lager hauste das wilde Volk in zügellosen Haushalt, auch
'ur Freundesland eine unerträgliche Plage der Umgegend. Die Landschaften,
Städte und Dörfer mußten Holz. Stroh, Lebensmittel und Futter herbei¬
schaffen, auf allen Wegen rollten die Lastwagen herzu, wurden Herden schlacht¬
et) eingetrieben. Schnell verschwanden die nächsten Dörfer vom Erdboden,
alles Holzwerk und Dachstroh wurde von den Soldaten abgerissen und zum
Bau der Hütten verwendet, nur die zertrümmerten Lehmwände blieben zurück.
D>e Soldaten und ihre Buben strichen plündernd und fechtend in der Um-
stegend umher, die Marketender fuhren mit ihren Karren ab und zu. Im
Lager aber drängten sich die Kriegsleute vor ihren Hütten und auf den
Sätzen zusammen; unterdessen kochten die Weiber, wuschen, besserten Kleider
"us und haderten untereinander. Häufig war Tumult und Auflauf, ein Kampf
"Ul blanken Waffen, eine blutige Unthat, Schlägereien zwischen den verschie¬
denen Waffen oder Nationen. Alle Morgen rief die Trommel und der Aus-
^er zum Gebet, auch bei den Kaiserlichen; am Sonntag früh hielt der
^egimentsprediger seine Feldpredigt, dann saßen die Kriegsleute und ihr Troß
Mächtig auf der Erde, auch war verboten, während des Gottesdienstes in
den Marketenderhütten zu liegen und Getränke zu schenken. Es ist bekannt,
^le sehr Gustav Adolph auf fromme Sitte und Gebet hielt, aber auch seine
^iegsartikel hielten für nöthig, die Trunkenheit der Feldprediger zu be-
drciuen. —

In dem freien Raume des Lagers vor der Hauptwache war der
Spielplatz, mit Mänteln überdeckt, mit Tischen besetzt, um alle drängte
^ die Gesellschaft der Spieler. Dort hatte das Kartenspiel der alten
Landsknechte der schnelleren Entscheidung durch Würfel weichen müssen. Oft
^ das Würfelspiel im Lager verboten, durch Rumormeister und Profoße
^'hindert worden, dann waren die Spieler heimlich hinter Hecken zusammen¬
kommen und hatten ihr Commisbrod, Waffen, Pferde, Kleider verspielt; so
^d man gerathen, diese Leidenschaft unter Aufsicht der Lagerwache zu
^lieu. Auf jedem Mantel oder Tisch rollten drei viereckige Würfel, in der
^idspvache „Schelmbeine" genannt; jeder Gesellschaft stand ein Scholderer
^> ihm gehörten Mantel. Tisch und Würfel, er hatte in streitigen Fällen
Richteramt und erhielt seinen Antheil am Gewinn, oft aber auch Schläge.
T^um häusig waren Betrug und falsche Würfel; manche Würfel hatten zwei
Musen oder Sechsen, manche zwei Es oder Daus, andere waren mit Queck-
'^'ber und Blei gefüllt, mit zerschnittenen Haaren, Schwamm. Spreu und
"hier. es gab Würfel von Hirschhorn, welche oben leicht, unten schwer


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[0203] Fähnrichs steckt die flatternde Fahne im Boden, daneben liegt eine Trommel der Compagnie, ein Musketier hält Wache, die brennende Lunte in der Hand, die Muskete wagerecht auf die Gabel gestützt. In solchem Lager hauste das wilde Volk in zügellosen Haushalt, auch 'ur Freundesland eine unerträgliche Plage der Umgegend. Die Landschaften, Städte und Dörfer mußten Holz. Stroh, Lebensmittel und Futter herbei¬ schaffen, auf allen Wegen rollten die Lastwagen herzu, wurden Herden schlacht¬ et) eingetrieben. Schnell verschwanden die nächsten Dörfer vom Erdboden, alles Holzwerk und Dachstroh wurde von den Soldaten abgerissen und zum Bau der Hütten verwendet, nur die zertrümmerten Lehmwände blieben zurück. D>e Soldaten und ihre Buben strichen plündernd und fechtend in der Um- stegend umher, die Marketender fuhren mit ihren Karren ab und zu. Im Lager aber drängten sich die Kriegsleute vor ihren Hütten und auf den Sätzen zusammen; unterdessen kochten die Weiber, wuschen, besserten Kleider "us und haderten untereinander. Häufig war Tumult und Auflauf, ein Kampf "Ul blanken Waffen, eine blutige Unthat, Schlägereien zwischen den verschie¬ denen Waffen oder Nationen. Alle Morgen rief die Trommel und der Aus- ^er zum Gebet, auch bei den Kaiserlichen; am Sonntag früh hielt der ^egimentsprediger seine Feldpredigt, dann saßen die Kriegsleute und ihr Troß Mächtig auf der Erde, auch war verboten, während des Gottesdienstes in den Marketenderhütten zu liegen und Getränke zu schenken. Es ist bekannt, ^le sehr Gustav Adolph auf fromme Sitte und Gebet hielt, aber auch seine ^iegsartikel hielten für nöthig, die Trunkenheit der Feldprediger zu be- drciuen. — In dem freien Raume des Lagers vor der Hauptwache war der Spielplatz, mit Mänteln überdeckt, mit Tischen besetzt, um alle drängte ^ die Gesellschaft der Spieler. Dort hatte das Kartenspiel der alten Landsknechte der schnelleren Entscheidung durch Würfel weichen müssen. Oft ^ das Würfelspiel im Lager verboten, durch Rumormeister und Profoße ^'hindert worden, dann waren die Spieler heimlich hinter Hecken zusammen¬ kommen und hatten ihr Commisbrod, Waffen, Pferde, Kleider verspielt; so ^d man gerathen, diese Leidenschaft unter Aufsicht der Lagerwache zu ^lieu. Auf jedem Mantel oder Tisch rollten drei viereckige Würfel, in der ^idspvache „Schelmbeine" genannt; jeder Gesellschaft stand ein Scholderer ^> ihm gehörten Mantel. Tisch und Würfel, er hatte in streitigen Fällen Richteramt und erhielt seinen Antheil am Gewinn, oft aber auch Schläge. T^um häusig waren Betrug und falsche Würfel; manche Würfel hatten zwei Musen oder Sechsen, manche zwei Es oder Daus, andere waren mit Queck- '^'ber und Blei gefüllt, mit zerschnittenen Haaren, Schwamm. Spreu und "hier. es gab Würfel von Hirschhorn, welche oben leicht, unten schwer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/203>, abgerufen am 29.12.2024.