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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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und zwang ihn, bei der Troßfahne zu bleiben; kam es zur Schlacht, so hatte
er den Troß im Rücken des Heeres an gesicherter Stelle bewaffnet aufzustellen,
und hinter den zusammengefahrenen Wagen eine Vertheidigung vorzubereiten.
Oefter wird bei solcher Gelegenheit der Troß von feindlicher Reiterei überfallen,
dann war es Pflicht der Buben und Troßknechte, dem Einbruch zu widerstehn.
Im Lager aber war es das Amt der Dirnen und Buben, die Gassen und
Märkte, auch die "Mumplätze" zu fegen und zu säubern; es war ein harter
Zwang, denn die unehrlichen Steckenknechte führten die Aufsicht, und die Dirne,
welche sich der unsaubern Arbeit weigerte, konnte von den andern Weibern
Preis gegeben werden. Auch wo Faschinen zu binden, Gräben zu füllen, das Ge¬
schütz an unwegsamen Stellen auszugraben war, mußten Dirnen und Buben helfen.

Außerdem gehörten zum Troß der Heere vor allem die Marketender unter
Schutz und Aufsicht des Profoßen, wichtige, oft wohlhabende Leute, welche
in ihren bepackten Karren einen guten Theil der Beute ausammelten, die von
den Soldaten verthan wurde. Die sichersten waren bei den einzelnen Fähn¬
lein eingeschworen, bewaffnet, und im Fall eines Angriffes zur Vertheidigung
des Trosses verpflichtet. Ferner die "Commißmetzger", die "Sudelköche", Hand¬
werker, Handelsleute und Hausirer, Wagenführer und Troßknechte; zuweilen
zusammengetriebene Schanzgräber, welche unter besondern Fähnlein marschirten.

Nur einzeln entgleiten den wortreichen Schriftstellern jener Zeit Bemer¬
kungen über diesen verachteten Theil des Heeres; doch fehlen nicht ganz An¬
gaben, aus denen sich schließen läßt, welch großen Einfluß der Troß auf die
Geschicke der Heere und der Landschaften hatte. Zunächst durch seinen unge¬
heuern Umfang. Am Ende des sechzehnten Jahrhunderts rechnet Adam Jung¬
hans in einer belagerten Festung, wo der Troß auf die möglichst kleinste Zahl
beschränkt ist, auf dreihundert Fußknechte fünfzig Dirnen und vierzig Jungen, also
Marketender, Pferdeknechte u. s. w. dazu gerechnet sicher etwas mehr, als ein
Drittheil der Soldaten. Aber im Felde war das Verhältniß schon beim Be¬
ginn des Krieges ein ganz anderes. Wallhausen zählt") auf ein Fußregi-
mcnt deutscher Soldaten als unvermeidlich 4000 Dirnen, Jungen und andern
Troß. Ein Regiment von 3000 Mann hatte zum wenigsten 300 Wagen und
jeder Wagen war zum Brechen voll mit Weibern, Buben, Kindern, Dirnen und
geplünderten Gut; wenn ein Fähnlein aus seinem Quartier aufbrechen sollte,
weigerte es sich, wenn es nicht dreißig und mehre Wagen erhielt. Als beim
Beginn des Krieges ein Regiment hochdeutscher Kriegsleute 3000 Mann sea^
von dem Musterplatz abzog, wo es einige Zeit gelegen hatte, folgten ihm
2000 Weiber und Dirnen. Der ehrliche Oberst wollte den Troß abschaffen,
er ließ einige Tage vergeh", und als man an einen Flußübergang kam, ließ er den



") vekeiisio Mtris-ö x. 101 und 173.

und zwang ihn, bei der Troßfahne zu bleiben; kam es zur Schlacht, so hatte
er den Troß im Rücken des Heeres an gesicherter Stelle bewaffnet aufzustellen,
und hinter den zusammengefahrenen Wagen eine Vertheidigung vorzubereiten.
Oefter wird bei solcher Gelegenheit der Troß von feindlicher Reiterei überfallen,
dann war es Pflicht der Buben und Troßknechte, dem Einbruch zu widerstehn.
Im Lager aber war es das Amt der Dirnen und Buben, die Gassen und
Märkte, auch die „Mumplätze" zu fegen und zu säubern; es war ein harter
Zwang, denn die unehrlichen Steckenknechte führten die Aufsicht, und die Dirne,
welche sich der unsaubern Arbeit weigerte, konnte von den andern Weibern
Preis gegeben werden. Auch wo Faschinen zu binden, Gräben zu füllen, das Ge¬
schütz an unwegsamen Stellen auszugraben war, mußten Dirnen und Buben helfen.

Außerdem gehörten zum Troß der Heere vor allem die Marketender unter
Schutz und Aufsicht des Profoßen, wichtige, oft wohlhabende Leute, welche
in ihren bepackten Karren einen guten Theil der Beute ausammelten, die von
den Soldaten verthan wurde. Die sichersten waren bei den einzelnen Fähn¬
lein eingeschworen, bewaffnet, und im Fall eines Angriffes zur Vertheidigung
des Trosses verpflichtet. Ferner die „Commißmetzger", die „Sudelköche", Hand¬
werker, Handelsleute und Hausirer, Wagenführer und Troßknechte; zuweilen
zusammengetriebene Schanzgräber, welche unter besondern Fähnlein marschirten.

Nur einzeln entgleiten den wortreichen Schriftstellern jener Zeit Bemer¬
kungen über diesen verachteten Theil des Heeres; doch fehlen nicht ganz An¬
gaben, aus denen sich schließen läßt, welch großen Einfluß der Troß auf die
Geschicke der Heere und der Landschaften hatte. Zunächst durch seinen unge¬
heuern Umfang. Am Ende des sechzehnten Jahrhunderts rechnet Adam Jung¬
hans in einer belagerten Festung, wo der Troß auf die möglichst kleinste Zahl
beschränkt ist, auf dreihundert Fußknechte fünfzig Dirnen und vierzig Jungen, also
Marketender, Pferdeknechte u. s. w. dazu gerechnet sicher etwas mehr, als ein
Drittheil der Soldaten. Aber im Felde war das Verhältniß schon beim Be¬
ginn des Krieges ein ganz anderes. Wallhausen zählt") auf ein Fußregi-
mcnt deutscher Soldaten als unvermeidlich 4000 Dirnen, Jungen und andern
Troß. Ein Regiment von 3000 Mann hatte zum wenigsten 300 Wagen und
jeder Wagen war zum Brechen voll mit Weibern, Buben, Kindern, Dirnen und
geplünderten Gut; wenn ein Fähnlein aus seinem Quartier aufbrechen sollte,
weigerte es sich, wenn es nicht dreißig und mehre Wagen erhielt. Als beim
Beginn des Krieges ein Regiment hochdeutscher Kriegsleute 3000 Mann sea^
von dem Musterplatz abzog, wo es einige Zeit gelegen hatte, folgten ihm
2000 Weiber und Dirnen. Der ehrliche Oberst wollte den Troß abschaffen,
er ließ einige Tage vergeh», und als man an einen Flußübergang kam, ließ er den



") vekeiisio Mtris-ö x. 101 und 173.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/152>, abgerufen am 23.07.2024.