Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.die Wag-en angeschirrt sind, fallen die Weiber, Kinder und Dirnen auf die Oft wollen die Dirnen nicht mit Ochsen fahren, dann müssen Pferde sechs In den ersten Jahren des Krieges hatte ein deutsches Fußregiment etliche die Wag-en angeschirrt sind, fallen die Weiber, Kinder und Dirnen auf die Oft wollen die Dirnen nicht mit Ochsen fahren, dann müssen Pferde sechs In den ersten Jahren des Krieges hatte ein deutsches Fußregiment etliche <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0150" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107736"/> <p xml:id="ID_494" prev="#ID_493"> die Wag-en angeschirrt sind, fallen die Weiber, Kinder und Dirnen auf die<lb/> Wagen wie ein Haufe Naben. Die Dirne, welche am ersten auf den Wagen<lb/> kommt, nimmt den besten Platz, dann kommt der Junge ihres Herrn und<lb/> bringt sein Bündel, welches von gestohlenen Gut so voll ist, daß es kaum<lb/> ein Pferd tragen kann. Daraus setzt sich schnell die Dirne. So drängt eine<lb/> die andere. Wenn dann die Ehefrau eines Soldaten nicht mehr Platz findet<lb/> und auch zu Fuß gehen soll, da heißt es: „el, du schlechte Dirne, du willst dich<lb/> fahren lassen, und ich bin so viel Jahre eine Soldatenfrau gewesen, ich habe<lb/> so manchen Zug mitgemacht und du Balg willst es mir zuvorthun". Da fallen<lb/> die Dirnen und Weiber übereinander her, werfen mit Prügeln und Steinen,<lb/> und wenn der Troß sich eine Weile so zerbürstet hat, läuft die Soldatenfrau<lb/> zu ihrem Mann, die Haare hängen ihr um den Kops, sie schreit und ruft'.<lb/> „Guck, Hans, da ist die und dessen Dirne, sitzt auf dem Wagen und will fahren,<lb/> und ich soll zu Fuß gehn und bin dein Eheweib". Da wischt denn der Sol¬<lb/> dat an die Dirne, will sie hinunter und seine Frau hinaufsehen, da kommt<lb/> auch der Dirne Soldat hinzu, der sagt: „laß mir mein Mädchen in Frieden,<lb/> sie ist mir so lieb, als dir deine Ehefrau"; da wischen auch die Soldaten hinter¬<lb/> einander her: heraus mit dem Degen, hauen, stechen einander zu Tode oder<lb/> zu Krüppeln. Das ist nichts Seltenes, denn wenn man auf dem Zuge ist»<lb/> vergeht fast kein Tag, daß nicht drei, vier, zehn Soldaten um der Weiber<lb/> willen Leben und gerade Glieder verlieren. Ist aber dieser Actus vorbei, und<lb/> das Gesindlein aufgesessen, so sind die Wagen zuweilen so schwer beladen,<lb/> daß die Pferde oder Ochsen sie nicht von der Stelle bringen können. Dann<lb/> sitzen zehn, zwölf Weiber, ebenso viel Kinder und etwa sechs Jungen in den<lb/> schweren Packen, wie die Raupen im Kohl. Und wenn die Pferde bergauf<lb/> nicht mehr fortkommen, da stiege nicht eines vom Wagen, denn stracks wären<lb/> andere Jungen und Dirnen zur Stelle, die hcraufsprängen, und dann brächte<lb/> sie kein Teufel herab, denn sie sagen: el, der Wagen sei sowol für sie als für<lb/> die andern; den Bauer aber schelten sie mit erschrecklichen Flüchen, fahren<lb/> hinter ihm und seinem Vieh mit Prügeln her, oft sind vier, sechs Jungen urN<lb/> den Wagen herum, alle werfend und schlagend. So habe ich Ochsen und<lb/> Pferde todt in dem Geschirre niedersinken sehn. So muß der Unterthan des<lb/> Landesherrn die Dirnen und das Gut, das sie ihm gestohlen, selbst fahren.</p><lb/> <p xml:id="ID_495"> Oft wollen die Dirnen nicht mit Ochsen fahren, dann müssen Pferde sechs<lb/> Meilen weit mit großen Kosten der Landleute zur Stelle geschafft werden.<lb/> Und kommen sie mit dem Geschirr ins nächste Quartier, so lassen sie die armen<lb/> Leute nicht wieder nach Haus, schleppen sie sort in andere Herrschaften, zuletzt<lb/> stehlen sie ihnen gar die Pferde und machen sich damit unsichtbar.</p><lb/> <p xml:id="ID_496" next="#ID_497"> In den ersten Jahren des Krieges hatte ein deutsches Fußregiment etliche<lb/> Tage durch das Land seines eignen Kriegsherrn zu marschiren. Es fanden</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0150]
die Wag-en angeschirrt sind, fallen die Weiber, Kinder und Dirnen auf die
Wagen wie ein Haufe Naben. Die Dirne, welche am ersten auf den Wagen
kommt, nimmt den besten Platz, dann kommt der Junge ihres Herrn und
bringt sein Bündel, welches von gestohlenen Gut so voll ist, daß es kaum
ein Pferd tragen kann. Daraus setzt sich schnell die Dirne. So drängt eine
die andere. Wenn dann die Ehefrau eines Soldaten nicht mehr Platz findet
und auch zu Fuß gehen soll, da heißt es: „el, du schlechte Dirne, du willst dich
fahren lassen, und ich bin so viel Jahre eine Soldatenfrau gewesen, ich habe
so manchen Zug mitgemacht und du Balg willst es mir zuvorthun". Da fallen
die Dirnen und Weiber übereinander her, werfen mit Prügeln und Steinen,
und wenn der Troß sich eine Weile so zerbürstet hat, läuft die Soldatenfrau
zu ihrem Mann, die Haare hängen ihr um den Kops, sie schreit und ruft'.
„Guck, Hans, da ist die und dessen Dirne, sitzt auf dem Wagen und will fahren,
und ich soll zu Fuß gehn und bin dein Eheweib". Da wischt denn der Sol¬
dat an die Dirne, will sie hinunter und seine Frau hinaufsehen, da kommt
auch der Dirne Soldat hinzu, der sagt: „laß mir mein Mädchen in Frieden,
sie ist mir so lieb, als dir deine Ehefrau"; da wischen auch die Soldaten hinter¬
einander her: heraus mit dem Degen, hauen, stechen einander zu Tode oder
zu Krüppeln. Das ist nichts Seltenes, denn wenn man auf dem Zuge ist»
vergeht fast kein Tag, daß nicht drei, vier, zehn Soldaten um der Weiber
willen Leben und gerade Glieder verlieren. Ist aber dieser Actus vorbei, und
das Gesindlein aufgesessen, so sind die Wagen zuweilen so schwer beladen,
daß die Pferde oder Ochsen sie nicht von der Stelle bringen können. Dann
sitzen zehn, zwölf Weiber, ebenso viel Kinder und etwa sechs Jungen in den
schweren Packen, wie die Raupen im Kohl. Und wenn die Pferde bergauf
nicht mehr fortkommen, da stiege nicht eines vom Wagen, denn stracks wären
andere Jungen und Dirnen zur Stelle, die hcraufsprängen, und dann brächte
sie kein Teufel herab, denn sie sagen: el, der Wagen sei sowol für sie als für
die andern; den Bauer aber schelten sie mit erschrecklichen Flüchen, fahren
hinter ihm und seinem Vieh mit Prügeln her, oft sind vier, sechs Jungen urN
den Wagen herum, alle werfend und schlagend. So habe ich Ochsen und
Pferde todt in dem Geschirre niedersinken sehn. So muß der Unterthan des
Landesherrn die Dirnen und das Gut, das sie ihm gestohlen, selbst fahren.
Oft wollen die Dirnen nicht mit Ochsen fahren, dann müssen Pferde sechs
Meilen weit mit großen Kosten der Landleute zur Stelle geschafft werden.
Und kommen sie mit dem Geschirr ins nächste Quartier, so lassen sie die armen
Leute nicht wieder nach Haus, schleppen sie sort in andere Herrschaften, zuletzt
stehlen sie ihnen gar die Pferde und machen sich damit unsichtbar.
In den ersten Jahren des Krieges hatte ein deutsches Fußregiment etliche
Tage durch das Land seines eignen Kriegsherrn zu marschiren. Es fanden
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