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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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die Leichtfertigsten in Haufen zusammen und begannen ein "Harnischwaschen"
mit solchen Kameraden, denen die Offiziere während der Dienstzeit Gunst er¬
wiesen hatten, d. h. sie beraubten dieselben, zogen ihnen die Kleider aus,
schlugen sie auch wol gar todt. Und all solcher Frevel wurde geduldet und
die machtlosen Oberbefehlshaber hatten sich gewöhnt, dergleichen als Kriegs¬
brauch ruhig einzusehn.

In den ungarischen Sommerfeldzügen hatten die Kriegsleute gelernt,
nur während der Sommermonate bei der Fahne zu bleiben. Sie fanden
ihre Rechnung dabei, nicht länger zu dienen und meuterten, wenn ihnen
solche Zumuthung gestellt wurde, denn im Herbst und Winter zogen sie oft
mit zwei, drei, vier Jungen als "Gartbrüder" durch das Land, eine furcht¬
bare Plage für den Landmann im östlichen Deutschland. In den Grenzlän-,
dern Schlesien, Oestreich, Böhmen, Steiermark war sogar durch die Landes¬
herrn befohlen, jedem Soldaten, der auf der Garde umherstrich, einen Heller
zu geben. So ertrotzten sie täglich einen halben Gulden und mehr, ihre
Jungen mausten, wo sie konnten, sie waren berüchtigte Hühnerfänger. Wall-
Hausen berechnet unter lebhaften Klagen, daß die Unterhaltung eines stehen¬
den Heeres den Fürsten und Landschaften weniger kosten und ganz andere
Erfolge vor dem Feinde sichern werde, als der alte schlechte Brauch. Vor¬
sichtig deutet er an. daß der Vortheil, welchen Obersten und die Generalität
bei dem alten Schlendrian für ihre Kasse durch allerlei Praktiken gewonnen,
ein Grund sei, das Uebel zu erhalten.

Mehr als einmal während des langen Krieges wurden die wilden Heere
durch den kräftigen Willen eines Einzelnen zu straffer Disciplin zusammen¬
gezwungen und jedesmal wurden militärische Erfolge erreicht; nie aber
hatte dergleichen Dauer. Die Disciplin des Wallensteinschen Heeres war in
rein militärischen Angelegenheiten vortrefflich, es ist bekannt, daß er gegen
Bürger und Bauer fast ebenso viel erlaubte als Tilly. Auch Gustav Adolphs
Genie vermochte kaum länger als ein Jahr die straffe Zucht zu erhalten, welche
bei seiner Landung in Pommern die protestantischen Geistlichen häusig und
triumphirend verkündet hatten. Zwar die Kriegsrechte und Artikelsbriefe aller
Kriegsfürsten enthalten eine Anzahl von gesetzlichen Bestimmungen über die
Schonung, welche der Soldat auch in Feindes Land gegen Menschen und ihre
Habe beobachten soll. Frauen, Kranke, Greise sollen unter allen Umständen
verschont. Mühlen, Pflüge nicht beschädigt werden. Aber nicht die Gesetze,
sondern,ihre Handhabung ist vorzugsweise charakteristisch für Beurtheilung
einer Zeit.

Die Strafen selbst waren streng. Bei den Schweden: Soldabzug M
das Hospital oder invalide Soldaten, das hölzerne Pferd, in Eisen gelegt,


die Leichtfertigsten in Haufen zusammen und begannen ein „Harnischwaschen"
mit solchen Kameraden, denen die Offiziere während der Dienstzeit Gunst er¬
wiesen hatten, d. h. sie beraubten dieselben, zogen ihnen die Kleider aus,
schlugen sie auch wol gar todt. Und all solcher Frevel wurde geduldet und
die machtlosen Oberbefehlshaber hatten sich gewöhnt, dergleichen als Kriegs¬
brauch ruhig einzusehn.

In den ungarischen Sommerfeldzügen hatten die Kriegsleute gelernt,
nur während der Sommermonate bei der Fahne zu bleiben. Sie fanden
ihre Rechnung dabei, nicht länger zu dienen und meuterten, wenn ihnen
solche Zumuthung gestellt wurde, denn im Herbst und Winter zogen sie oft
mit zwei, drei, vier Jungen als „Gartbrüder" durch das Land, eine furcht¬
bare Plage für den Landmann im östlichen Deutschland. In den Grenzlän-,
dern Schlesien, Oestreich, Böhmen, Steiermark war sogar durch die Landes¬
herrn befohlen, jedem Soldaten, der auf der Garde umherstrich, einen Heller
zu geben. So ertrotzten sie täglich einen halben Gulden und mehr, ihre
Jungen mausten, wo sie konnten, sie waren berüchtigte Hühnerfänger. Wall-
Hausen berechnet unter lebhaften Klagen, daß die Unterhaltung eines stehen¬
den Heeres den Fürsten und Landschaften weniger kosten und ganz andere
Erfolge vor dem Feinde sichern werde, als der alte schlechte Brauch. Vor¬
sichtig deutet er an. daß der Vortheil, welchen Obersten und die Generalität
bei dem alten Schlendrian für ihre Kasse durch allerlei Praktiken gewonnen,
ein Grund sei, das Uebel zu erhalten.

Mehr als einmal während des langen Krieges wurden die wilden Heere
durch den kräftigen Willen eines Einzelnen zu straffer Disciplin zusammen¬
gezwungen und jedesmal wurden militärische Erfolge erreicht; nie aber
hatte dergleichen Dauer. Die Disciplin des Wallensteinschen Heeres war in
rein militärischen Angelegenheiten vortrefflich, es ist bekannt, daß er gegen
Bürger und Bauer fast ebenso viel erlaubte als Tilly. Auch Gustav Adolphs
Genie vermochte kaum länger als ein Jahr die straffe Zucht zu erhalten, welche
bei seiner Landung in Pommern die protestantischen Geistlichen häusig und
triumphirend verkündet hatten. Zwar die Kriegsrechte und Artikelsbriefe aller
Kriegsfürsten enthalten eine Anzahl von gesetzlichen Bestimmungen über die
Schonung, welche der Soldat auch in Feindes Land gegen Menschen und ihre
Habe beobachten soll. Frauen, Kranke, Greise sollen unter allen Umständen
verschont. Mühlen, Pflüge nicht beschädigt werden. Aber nicht die Gesetze,
sondern,ihre Handhabung ist vorzugsweise charakteristisch für Beurtheilung
einer Zeit.

Die Strafen selbst waren streng. Bei den Schweden: Soldabzug M
das Hospital oder invalide Soldaten, das hölzerne Pferd, in Eisen gelegt,


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[0146] die Leichtfertigsten in Haufen zusammen und begannen ein „Harnischwaschen" mit solchen Kameraden, denen die Offiziere während der Dienstzeit Gunst er¬ wiesen hatten, d. h. sie beraubten dieselben, zogen ihnen die Kleider aus, schlugen sie auch wol gar todt. Und all solcher Frevel wurde geduldet und die machtlosen Oberbefehlshaber hatten sich gewöhnt, dergleichen als Kriegs¬ brauch ruhig einzusehn. In den ungarischen Sommerfeldzügen hatten die Kriegsleute gelernt, nur während der Sommermonate bei der Fahne zu bleiben. Sie fanden ihre Rechnung dabei, nicht länger zu dienen und meuterten, wenn ihnen solche Zumuthung gestellt wurde, denn im Herbst und Winter zogen sie oft mit zwei, drei, vier Jungen als „Gartbrüder" durch das Land, eine furcht¬ bare Plage für den Landmann im östlichen Deutschland. In den Grenzlän-, dern Schlesien, Oestreich, Böhmen, Steiermark war sogar durch die Landes¬ herrn befohlen, jedem Soldaten, der auf der Garde umherstrich, einen Heller zu geben. So ertrotzten sie täglich einen halben Gulden und mehr, ihre Jungen mausten, wo sie konnten, sie waren berüchtigte Hühnerfänger. Wall- Hausen berechnet unter lebhaften Klagen, daß die Unterhaltung eines stehen¬ den Heeres den Fürsten und Landschaften weniger kosten und ganz andere Erfolge vor dem Feinde sichern werde, als der alte schlechte Brauch. Vor¬ sichtig deutet er an. daß der Vortheil, welchen Obersten und die Generalität bei dem alten Schlendrian für ihre Kasse durch allerlei Praktiken gewonnen, ein Grund sei, das Uebel zu erhalten. Mehr als einmal während des langen Krieges wurden die wilden Heere durch den kräftigen Willen eines Einzelnen zu straffer Disciplin zusammen¬ gezwungen und jedesmal wurden militärische Erfolge erreicht; nie aber hatte dergleichen Dauer. Die Disciplin des Wallensteinschen Heeres war in rein militärischen Angelegenheiten vortrefflich, es ist bekannt, daß er gegen Bürger und Bauer fast ebenso viel erlaubte als Tilly. Auch Gustav Adolphs Genie vermochte kaum länger als ein Jahr die straffe Zucht zu erhalten, welche bei seiner Landung in Pommern die protestantischen Geistlichen häusig und triumphirend verkündet hatten. Zwar die Kriegsrechte und Artikelsbriefe aller Kriegsfürsten enthalten eine Anzahl von gesetzlichen Bestimmungen über die Schonung, welche der Soldat auch in Feindes Land gegen Menschen und ihre Habe beobachten soll. Frauen, Kranke, Greise sollen unter allen Umständen verschont. Mühlen, Pflüge nicht beschädigt werden. Aber nicht die Gesetze, sondern,ihre Handhabung ist vorzugsweise charakteristisch für Beurtheilung einer Zeit. Die Strafen selbst waren streng. Bei den Schweden: Soldabzug M das Hospital oder invalide Soldaten, das hölzerne Pferd, in Eisen gelegt,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/146>, abgerufen am 22.07.2024.