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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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bekanntlich siegte endlich doch die Politik Richelieus, und der Herzog von
Nevers ward mit Mantua und Montserrat belehnt, während Savoyen mit
einem Theile des letzteren abgefunden wurde.

Wie hätte bei einer solchen Gelegenheit die Neutralitnt des Veltlin ge¬
schont werden sollen. Im Jahre 1629 schickte der Kaiser Ferdinand dem
Gouverneur Cordova von Mailand ein starkes Corps deutscher Lanzknechte
ZU Hilfe; als sie durchs Veltiin zogen, kam ihnen von Mailand der Befehl
ZU, nicht weiter vorzurücken; man hatte erfahren, daß die Pest unter ihnen
sein sollte; mochte das Uebel im Nachbarlande sich austoben. So ergossen
sich jene wilden Scharen Collaltos durch das unglückliche, eben auch von
Mißwachs heimgesuchte Thal, und neben jeder Art von Verbrechen und Mi߬
handlung war die Pest das fürchterliche Gastgeschenk, das sie zurückließen, als
sie endlich weiter zogen. Trotz aller Vorsicht drang sie übrigens doch auch in
Mailand selbst ein; es ist das jene entsetzliche Pest des Jahres 1630, welche
durch Manzonis meisterhafte Schilderung bekannt ist (?rvmL8si sxosi); das
Veltlin. welches vorher 150,000 Einwohner gezählt hatte, ward aus etwa
40.000 reducirt.

Wol wich nun endlich die Seuche; aber während das übrige Italien im
Ganzen von den Leiden des dreißigjährigen Krieges verschont blieb, ward
um die für Spanien und Oestreich unentbehrlichen Pässe des Veltlin noch
jahrelang gekämpft. Endlich gelang es 1637 den Spaniern, die bisher mit
Frankreich verbündeten Graubündtner auf ihre Seite zu ziehn; das Veltlin
war der Preis der Einigung. Jetzt wurden mit gemeinsamen Kräften die
Franzosen unter dem Herzog von Rohan aus dem Thal vertrieben, grau-
bündtnerische Truppen rückten in die von ihnen verlassenen Plätze ein. Im
September 1639 unterhandelten in Mailand bündnerische Gesandte mit dem
Gouverneur Legcmes über das Schicksal des schwer heimgesuchten Ländchens
an der Adda; nur der Form nach lud man Abgeordnete aus diesem selbst
zu den Verhandlungen, nach ihrer Meinung wurde nicht gefragt. Nach den
wechselnden Leiden und Hoffnungen mancher Jahre war das Ende, daß das
Veltlin von dem katholischen König den ketzerischen Bündnern als unterthä-
' "ige Provinz zurückgegeben wurde, nicht ohne daß vorher zur Beruhigung
zarterer Gewissen der Bischof von Como und eine Congregation spanischer
Theologen das Gutachten hatte abgeben müssen, daß die katholische Religion


In diesen Jahren erschien eine Schrift: "Filippiche", die dem Alessandro Tassoni zu-
S^schrieben wird, und in welcher neben Klagen über die langsame und ängstliche Politik der
Päpste, Tvscanas und Venedigs, wodurch eigentlich erst Spanien zu der jetzigen unerträglichen
Uebermacht gekommen sei, sich die merkwürdige Aufforderung findet, daß alle italienischen
vurstcn dem Herzog von Savoyen die Hand reichen sollen, "der, wie es dort heißt, allein
""es nicht verweichlicht (oSswiiiA.to) ist von dieser ebenso künstlichen als langen Ruhe, der
^'in ein vom Wolf gebissenes Füllen durch das Leiden nur noch muthiger geworden ist."

bekanntlich siegte endlich doch die Politik Richelieus, und der Herzog von
Nevers ward mit Mantua und Montserrat belehnt, während Savoyen mit
einem Theile des letzteren abgefunden wurde.

Wie hätte bei einer solchen Gelegenheit die Neutralitnt des Veltlin ge¬
schont werden sollen. Im Jahre 1629 schickte der Kaiser Ferdinand dem
Gouverneur Cordova von Mailand ein starkes Corps deutscher Lanzknechte
ZU Hilfe; als sie durchs Veltiin zogen, kam ihnen von Mailand der Befehl
ZU, nicht weiter vorzurücken; man hatte erfahren, daß die Pest unter ihnen
sein sollte; mochte das Uebel im Nachbarlande sich austoben. So ergossen
sich jene wilden Scharen Collaltos durch das unglückliche, eben auch von
Mißwachs heimgesuchte Thal, und neben jeder Art von Verbrechen und Mi߬
handlung war die Pest das fürchterliche Gastgeschenk, das sie zurückließen, als
sie endlich weiter zogen. Trotz aller Vorsicht drang sie übrigens doch auch in
Mailand selbst ein; es ist das jene entsetzliche Pest des Jahres 1630, welche
durch Manzonis meisterhafte Schilderung bekannt ist (?rvmL8si sxosi); das
Veltlin. welches vorher 150,000 Einwohner gezählt hatte, ward aus etwa
40.000 reducirt.

Wol wich nun endlich die Seuche; aber während das übrige Italien im
Ganzen von den Leiden des dreißigjährigen Krieges verschont blieb, ward
um die für Spanien und Oestreich unentbehrlichen Pässe des Veltlin noch
jahrelang gekämpft. Endlich gelang es 1637 den Spaniern, die bisher mit
Frankreich verbündeten Graubündtner auf ihre Seite zu ziehn; das Veltlin
war der Preis der Einigung. Jetzt wurden mit gemeinsamen Kräften die
Franzosen unter dem Herzog von Rohan aus dem Thal vertrieben, grau-
bündtnerische Truppen rückten in die von ihnen verlassenen Plätze ein. Im
September 1639 unterhandelten in Mailand bündnerische Gesandte mit dem
Gouverneur Legcmes über das Schicksal des schwer heimgesuchten Ländchens
an der Adda; nur der Form nach lud man Abgeordnete aus diesem selbst
zu den Verhandlungen, nach ihrer Meinung wurde nicht gefragt. Nach den
wechselnden Leiden und Hoffnungen mancher Jahre war das Ende, daß das
Veltlin von dem katholischen König den ketzerischen Bündnern als unterthä-
' "ige Provinz zurückgegeben wurde, nicht ohne daß vorher zur Beruhigung
zarterer Gewissen der Bischof von Como und eine Congregation spanischer
Theologen das Gutachten hatte abgeben müssen, daß die katholische Religion


In diesen Jahren erschien eine Schrift: „Filippiche", die dem Alessandro Tassoni zu-
S^schrieben wird, und in welcher neben Klagen über die langsame und ängstliche Politik der
Päpste, Tvscanas und Venedigs, wodurch eigentlich erst Spanien zu der jetzigen unerträglichen
Uebermacht gekommen sei, sich die merkwürdige Aufforderung findet, daß alle italienischen
vurstcn dem Herzog von Savoyen die Hand reichen sollen, „der, wie es dort heißt, allein
""es nicht verweichlicht (oSswiiiA.to) ist von dieser ebenso künstlichen als langen Ruhe, der
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/109>, abgerufen am 22.07.2024.