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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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Opposition; er empfand, daß die schwache päpstliche Macht das Thal nicht
vor den Intriguen des mailändischen Gouverneurs aus die Dauer sichern
konnte, und da er überdies keine ländersüchtigen Napolen hatte, so scheint es
eine Folge geheimen Einverständnisses zwischen Richelieu und dem Papst ge¬
wesen zu sein, als der französische Gesandte in Graubündten, Marquis de
Coeuvres, Truppen sammelte und damit die überall leicht zurückweichenden
päpstlichen Besatzungen veitrieb (1624). Wol beklagte sich nun Spanien in
Paris wegen dieser Gewaltthat und wegen des Bruchs der früher getroffenen
Uebereinkunft; man antwortete, Coeuvres habe seine Jnstructionen überschrit¬
ten; nichts desto weniger aber blieb es vorerst bei der vollendeten Thatsache.
Das Jahr 1626 endlich schien Entscheidung und Ruhe bringen zu sollen;
Spanien kam es darauf an, den Frieden in Italien zu erhalten und seine
Kräfte nicht in kleinen Kämpfen zu zersplittern; in dem Vertrag von Monzon
in Aragonien (6. März 1626) willigte Philipp der Vierte darein, daß das
Veltlin wieder unter die Oberhoheit der Graubündtner zurückkehre; das Land
sollte 25.000 Scudi jährlichen Tribut zahlen, dagegen sich selbst seine Beam¬
ten wählen, die nur von der bündnerischen Negierung zu bestätigen wären,
und die katholische Religion als die allein herrschende anerkannt werden. Es
war die Absicht, das Veltlin völlig zu neutralisieren; deshalb fügte man hinzu,
daß die festen Plätze dem Papst wiedergegeben werden sollten, aber nur zu
der Bestimmung, die Befestigungen alsbald abtragen zu lassen.

Es war ein Abkommen, womit keine der interessanten Parteien sonderlich
zufrieden war; die Veltliner am wenigsten, die sich so am Ende doch um die
Früchte ihrer Revolution betrogen sahen. Indeß mußte man es hinnehmen,
und wenigstens schien es die Aussicht auf endliche Erholung von jahrelangem
blutigen Leiden zu enthalten. Eine trügliche Hoffnung. Kaum hatte die Ri¬
valität Spaniens und Frankreichs in Betreff des Veltlin sich zu einem Aus¬
trag geeinigt, so bot sich derselben ein neues Object dar. Nach dem Tode
des Herzogs Vincenzo Gonzaga von Mantua entbrannte der mantuanische
Erbfolgestreit, der Oberitalien mit so viel Leid heimsuchte, wie nur je ein Krieg.
Der nächste Prätendent war ein französischer Prinz, Karl von Revers; aber
wer nur immer von italienischen Fürsten Anspruch erheben mochte oder konnte
auf das ganze Gebiet oder Theile desselben, sand natürlich bereitwillige
Hilfe bei Spanien; anderer nicht zu gedenken, war es besonders der Herzog
von Savoyen, welcher alte Ansprüche an das mit Mnntua verbundene Mont-
serrat hatte.*) Wir wollen die Wechselfälle dieses Kriegs hier nicht darstellen;



') Wie in Zeiten, die vom allgemeinen Unglück verdüstert sind, die nationale Hoffnung
wol oft blind umhertappt und sich an Dinge anklammert, die am wenigsten geeignet sind,
ihr emporzuhelfen, so erhoben sich damals in Italien Stimmen, welche diesen Krieg, der ein
Cabinetskricg war, wenn je einer, mit dem Glanz einer nationalen Frage zu bekleiden such-

Opposition; er empfand, daß die schwache päpstliche Macht das Thal nicht
vor den Intriguen des mailändischen Gouverneurs aus die Dauer sichern
konnte, und da er überdies keine ländersüchtigen Napolen hatte, so scheint es
eine Folge geheimen Einverständnisses zwischen Richelieu und dem Papst ge¬
wesen zu sein, als der französische Gesandte in Graubündten, Marquis de
Coeuvres, Truppen sammelte und damit die überall leicht zurückweichenden
päpstlichen Besatzungen veitrieb (1624). Wol beklagte sich nun Spanien in
Paris wegen dieser Gewaltthat und wegen des Bruchs der früher getroffenen
Uebereinkunft; man antwortete, Coeuvres habe seine Jnstructionen überschrit¬
ten; nichts desto weniger aber blieb es vorerst bei der vollendeten Thatsache.
Das Jahr 1626 endlich schien Entscheidung und Ruhe bringen zu sollen;
Spanien kam es darauf an, den Frieden in Italien zu erhalten und seine
Kräfte nicht in kleinen Kämpfen zu zersplittern; in dem Vertrag von Monzon
in Aragonien (6. März 1626) willigte Philipp der Vierte darein, daß das
Veltlin wieder unter die Oberhoheit der Graubündtner zurückkehre; das Land
sollte 25.000 Scudi jährlichen Tribut zahlen, dagegen sich selbst seine Beam¬
ten wählen, die nur von der bündnerischen Negierung zu bestätigen wären,
und die katholische Religion als die allein herrschende anerkannt werden. Es
war die Absicht, das Veltlin völlig zu neutralisieren; deshalb fügte man hinzu,
daß die festen Plätze dem Papst wiedergegeben werden sollten, aber nur zu
der Bestimmung, die Befestigungen alsbald abtragen zu lassen.

Es war ein Abkommen, womit keine der interessanten Parteien sonderlich
zufrieden war; die Veltliner am wenigsten, die sich so am Ende doch um die
Früchte ihrer Revolution betrogen sahen. Indeß mußte man es hinnehmen,
und wenigstens schien es die Aussicht auf endliche Erholung von jahrelangem
blutigen Leiden zu enthalten. Eine trügliche Hoffnung. Kaum hatte die Ri¬
valität Spaniens und Frankreichs in Betreff des Veltlin sich zu einem Aus¬
trag geeinigt, so bot sich derselben ein neues Object dar. Nach dem Tode
des Herzogs Vincenzo Gonzaga von Mantua entbrannte der mantuanische
Erbfolgestreit, der Oberitalien mit so viel Leid heimsuchte, wie nur je ein Krieg.
Der nächste Prätendent war ein französischer Prinz, Karl von Revers; aber
wer nur immer von italienischen Fürsten Anspruch erheben mochte oder konnte
auf das ganze Gebiet oder Theile desselben, sand natürlich bereitwillige
Hilfe bei Spanien; anderer nicht zu gedenken, war es besonders der Herzog
von Savoyen, welcher alte Ansprüche an das mit Mnntua verbundene Mont-
serrat hatte.*) Wir wollen die Wechselfälle dieses Kriegs hier nicht darstellen;



') Wie in Zeiten, die vom allgemeinen Unglück verdüstert sind, die nationale Hoffnung
wol oft blind umhertappt und sich an Dinge anklammert, die am wenigsten geeignet sind,
ihr emporzuhelfen, so erhoben sich damals in Italien Stimmen, welche diesen Krieg, der ein
Cabinetskricg war, wenn je einer, mit dem Glanz einer nationalen Frage zu bekleiden such-
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/108>, abgerufen am 22.07.2024.