Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.Niederlanden hin auf der andern Seite hergestellt, und spanische Heere konn¬ Kehren wir zu dem Verlauf der Ereignisse zurück. Wol hatten die Velt- Damit war zunächst ein thatsächlicher Zustand gewonnen, der als Aus¬ Aber die Feinde Spaniens säumten auch nicht. Der Senat von Vene- Niederlanden hin auf der andern Seite hergestellt, und spanische Heere konn¬ Kehren wir zu dem Verlauf der Ereignisse zurück. Wol hatten die Velt- Damit war zunächst ein thatsächlicher Zustand gewonnen, der als Aus¬ Aber die Feinde Spaniens säumten auch nicht. Der Senat von Vene- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0106" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107692"/> <p xml:id="ID_324" prev="#ID_323"> Niederlanden hin auf der andern Seite hergestellt, und spanische Heere konn¬<lb/> ten ungehindert von einem bis zum anderen Ende dieses ungeheuern Reichs<lb/> ziehen. Ein Gewinn, der für das Haus Habsburg von unermeßlicher Be¬<lb/> deutung sein mußte. Um so mehr hatten alle diejenigen Grund, ihn zu ver¬<lb/> eiteln, welche die Uebermacht desselben fürchten mußten; die italienischen Staa¬<lb/> ten besonders, unter ihnen vor allen die Republik Venedig, seit langer Zeit<lb/> die ängstliche Hüterin des italienischen Gleichgewichts, neben Savoyen der<lb/> einzige Staat auf der Halbinsel, der noch einer eignen Politik fähig war, so<lb/> sehr auch dieselbe schon die frühere Energie verloren hatte. Erlangte Spa¬<lb/> nien das Veltlin, so war das sorgfältig gehütete Gleichgewicht verloren, und<lb/> um keinen Preis konnte es die Republik dulden, sich auf diese Weise von dem<lb/> befreundeten Graubündten und der Schweiz abgeschnitten zu sehen. Alle Geg¬<lb/> ner des Hauses Habsburg. Frankreich voran, hatten das gleiche Interesse,<lb/> und so erhob sich nun ein Kampf um das Veltlin, „wie weiland um die<lb/> schöne Helena", nach dem Ausdruck eines italienischen Geschichtschreibers; alle<lb/> Künste der Diplomatie und die Waffen des Krieges wurden abwechselnd ins<lb/> Feld geführt.</p><lb/> <p xml:id="ID_325"> Kehren wir zu dem Verlauf der Ereignisse zurück. Wol hatten die Velt-<lb/> liner die Rache der schwer beleidigten Graubündtner zu fürchten; im höchsten<lb/> Grad erwünscht mußte es ihnen daher sein, als Feria jetzt endlich sich offen<lb/> für sie erklärte und ihnen den Schutz des katholischen Königs zusagte. Schon<lb/> hatte von Chiavenna her vordringend ein graubündtnerisches Heer die schnell<lb/> zusammengerafften Scharen Robustellis im ersten Anlauf zurückgeworfen; bald<lb/> hatte dasselbe die Hauptstadt Sondrio erreicht, deren Bewohner, ohne nur die<lb/> Vertheidigung zu versuchen, in die benachbarten Berge flüchteten. Aber bald<lb/> änderte sich die Scene; mailändische Truppen unter dem General Pimentello<lb/> rückten im Veltlin ein, und vereint mit den heimischen Truppen schlugen sie<lb/> das bündnerische Heer in der blutigen Schlacht bei Tirano gänzlich aufs Haupt<lb/> (Sept. 1620).</p><lb/> <p xml:id="ID_326"> Damit war zunächst ein thatsächlicher Zustand gewonnen, der als Aus¬<lb/> gangspunkt für weiteres dienen konnte. Die Graubündtner mußten in eiliger<lb/> Flucht das Thal räumen; hinter ihnen wurden die Alpenpässe befestigt, aller¬<lb/> orten die Festungswerke in Stand gesetzt; spanische Truppen blieben natürlich<lb/> einstweilen zum Schutze da. Die Veltliner aber richteten eine lange Supplik<lb/> an den König von Spanien, worin sie denselben als geborenen Beschützer<lb/> der katholischen Religion eindringlichst beschworen, sie nicht wieder unter die<lb/> Herrschaft der Ketzer gelangen zu lassen, nicht fernerhin zu gestatten, daß<lb/> aus ihrem unglücklichen Lande „ein Babel von Zwietracht, ein Theben von<lb/> Tragödien" gemacht werde.</p><lb/> <p xml:id="ID_327" next="#ID_328"> Aber die Feinde Spaniens säumten auch nicht. Der Senat von Vene-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0106]
Niederlanden hin auf der andern Seite hergestellt, und spanische Heere konn¬
ten ungehindert von einem bis zum anderen Ende dieses ungeheuern Reichs
ziehen. Ein Gewinn, der für das Haus Habsburg von unermeßlicher Be¬
deutung sein mußte. Um so mehr hatten alle diejenigen Grund, ihn zu ver¬
eiteln, welche die Uebermacht desselben fürchten mußten; die italienischen Staa¬
ten besonders, unter ihnen vor allen die Republik Venedig, seit langer Zeit
die ängstliche Hüterin des italienischen Gleichgewichts, neben Savoyen der
einzige Staat auf der Halbinsel, der noch einer eignen Politik fähig war, so
sehr auch dieselbe schon die frühere Energie verloren hatte. Erlangte Spa¬
nien das Veltlin, so war das sorgfältig gehütete Gleichgewicht verloren, und
um keinen Preis konnte es die Republik dulden, sich auf diese Weise von dem
befreundeten Graubündten und der Schweiz abgeschnitten zu sehen. Alle Geg¬
ner des Hauses Habsburg. Frankreich voran, hatten das gleiche Interesse,
und so erhob sich nun ein Kampf um das Veltlin, „wie weiland um die
schöne Helena", nach dem Ausdruck eines italienischen Geschichtschreibers; alle
Künste der Diplomatie und die Waffen des Krieges wurden abwechselnd ins
Feld geführt.
Kehren wir zu dem Verlauf der Ereignisse zurück. Wol hatten die Velt-
liner die Rache der schwer beleidigten Graubündtner zu fürchten; im höchsten
Grad erwünscht mußte es ihnen daher sein, als Feria jetzt endlich sich offen
für sie erklärte und ihnen den Schutz des katholischen Königs zusagte. Schon
hatte von Chiavenna her vordringend ein graubündtnerisches Heer die schnell
zusammengerafften Scharen Robustellis im ersten Anlauf zurückgeworfen; bald
hatte dasselbe die Hauptstadt Sondrio erreicht, deren Bewohner, ohne nur die
Vertheidigung zu versuchen, in die benachbarten Berge flüchteten. Aber bald
änderte sich die Scene; mailändische Truppen unter dem General Pimentello
rückten im Veltlin ein, und vereint mit den heimischen Truppen schlugen sie
das bündnerische Heer in der blutigen Schlacht bei Tirano gänzlich aufs Haupt
(Sept. 1620).
Damit war zunächst ein thatsächlicher Zustand gewonnen, der als Aus¬
gangspunkt für weiteres dienen konnte. Die Graubündtner mußten in eiliger
Flucht das Thal räumen; hinter ihnen wurden die Alpenpässe befestigt, aller¬
orten die Festungswerke in Stand gesetzt; spanische Truppen blieben natürlich
einstweilen zum Schutze da. Die Veltliner aber richteten eine lange Supplik
an den König von Spanien, worin sie denselben als geborenen Beschützer
der katholischen Religion eindringlichst beschworen, sie nicht wieder unter die
Herrschaft der Ketzer gelangen zu lassen, nicht fernerhin zu gestatten, daß
aus ihrem unglücklichen Lande „ein Babel von Zwietracht, ein Theben von
Tragödien" gemacht werde.
Aber die Feinde Spaniens säumten auch nicht. Der Senat von Vene-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |