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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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birg und Meer eingeschlossenen schmalen Landes, welches vor Zeiten in der Ge¬
schichte Spaniens eine so bedeutende Rolle gespielt hat. Von hier aus begann Pe-
layo seinen Heldenkampf gegen die maurischen Eroberer, von hier aus wurde
das Land südlich des Gebirges ihnen wieder abgenommen, und bis aus den
heutigen Tag trügt darum der spanische Thronerbe den Titel eines Prinzen
von Asturien. Auch ist das Land einer solchen Auszeichnung, nicht blos wegen
dieser historischen Reminiscenz, wol werth. Freilich ist es ein abgelegener
Winkel; meine Herreise hatte mich schon überzeugt, daß die Verbindung mit
der Außenwelt einiges zu wünschen übrig lasse, und diese Wahrnehmung zu
wiederholen, bot sich mir noch oft Gelegenheit, zum Beispiel in Bezug auf
den brieflichen Verkehr. Er wird durch reitende Postboten vermittelt, in deren
Gange des schlechten Wetters halber, besonders im Winter, häufige Unregel¬
mäßigkeiten vorkommen. Wenn der hohe Paß des Pajar^s, der nach Leon
führt, verschneit ist, so kommt es vor, daß wochenlang gar keine Briefe hier¬
her gelangen. Manchmal waltet auch ein eigenthümliches Schicksal über den
Gegenständen, die der spanischen PostVerwaltung verfallen. So kam die Köl¬
nische Zeitung, welche ich lese, eine Zeit lang sehr unregelmäßig, und sonder¬
barerweise jedesmal über CoruKa hierher. Vermuthlich nahm irgend ein Post¬
beamter in Burgos oder Leon die Angabe auf dem Couvert: Gazette de
Cologne für Coruiw und dirigirte sie wohlgemuth dahin, was mir um so
wahrscheinlicher ist, als sie regelmäßig eintrifft, seitdem die Expedition auf
unsre Veranlassung die französische Angabe auf der Adresse wegläßt.

Von diesen und etlichen andern für einen civilisirten Menschen manchmal
etwas lästigen Uebelständen abgesehn, ist aber Asturien ein wunderschönes
Land. Infolge seiner südlicheren Lage ist der Unterschied in den Tag- und
Nachtlüngen merklich geringer, die Dämmerung kürzer, der Mond ist doppelt so
hell als bei uns und steht, wenn er auf seinem größten Bogen cülmiriirt,
so hoch, daß man seinen eignen Schatten unter den Füßen suchen muß.
Dank der Nachbarschaft des Meeres ist das Klima höchst gleichmäßig und
dürfte vielleicht der gesundeste Strich auf der Halbinsel sein. Es kennt ebenso
wenig die torrente Hitze und Trockenheit der castilischen Hochebene als die
Fieberluft vieler Küstengegenden am Mittelmeer. Jeden Morgen mit dem
Erscheinen der Sonne springt der nächtliche Landwind in eine Brise von der
See her um. Der Winter überzieht nur den Kamm des Gebirges mit Schnee,
dafür stellen sich in der Nähe der Küste vom November bis Mürz bei heftigen
Weststürmen, die sich besonders zur Zeit der Aequinoctien zu wahrer Wuth
steigern, häufige Gewitter und Platzregen ein. Dadurch schwellen die Gewässer,
welche ohnehin in raschem Gefälle die steile Böschung des Gebirges herab¬
eilen, in wenigen Stunden dermaßen an, daß die Communicationen nach allen
Seiten hin erschwert, meist aber ganz unterbrochen werden. Denn Brücken


birg und Meer eingeschlossenen schmalen Landes, welches vor Zeiten in der Ge¬
schichte Spaniens eine so bedeutende Rolle gespielt hat. Von hier aus begann Pe-
layo seinen Heldenkampf gegen die maurischen Eroberer, von hier aus wurde
das Land südlich des Gebirges ihnen wieder abgenommen, und bis aus den
heutigen Tag trügt darum der spanische Thronerbe den Titel eines Prinzen
von Asturien. Auch ist das Land einer solchen Auszeichnung, nicht blos wegen
dieser historischen Reminiscenz, wol werth. Freilich ist es ein abgelegener
Winkel; meine Herreise hatte mich schon überzeugt, daß die Verbindung mit
der Außenwelt einiges zu wünschen übrig lasse, und diese Wahrnehmung zu
wiederholen, bot sich mir noch oft Gelegenheit, zum Beispiel in Bezug auf
den brieflichen Verkehr. Er wird durch reitende Postboten vermittelt, in deren
Gange des schlechten Wetters halber, besonders im Winter, häufige Unregel¬
mäßigkeiten vorkommen. Wenn der hohe Paß des Pajar^s, der nach Leon
führt, verschneit ist, so kommt es vor, daß wochenlang gar keine Briefe hier¬
her gelangen. Manchmal waltet auch ein eigenthümliches Schicksal über den
Gegenständen, die der spanischen PostVerwaltung verfallen. So kam die Köl¬
nische Zeitung, welche ich lese, eine Zeit lang sehr unregelmäßig, und sonder¬
barerweise jedesmal über CoruKa hierher. Vermuthlich nahm irgend ein Post¬
beamter in Burgos oder Leon die Angabe auf dem Couvert: Gazette de
Cologne für Coruiw und dirigirte sie wohlgemuth dahin, was mir um so
wahrscheinlicher ist, als sie regelmäßig eintrifft, seitdem die Expedition auf
unsre Veranlassung die französische Angabe auf der Adresse wegläßt.

Von diesen und etlichen andern für einen civilisirten Menschen manchmal
etwas lästigen Uebelständen abgesehn, ist aber Asturien ein wunderschönes
Land. Infolge seiner südlicheren Lage ist der Unterschied in den Tag- und
Nachtlüngen merklich geringer, die Dämmerung kürzer, der Mond ist doppelt so
hell als bei uns und steht, wenn er auf seinem größten Bogen cülmiriirt,
so hoch, daß man seinen eignen Schatten unter den Füßen suchen muß.
Dank der Nachbarschaft des Meeres ist das Klima höchst gleichmäßig und
dürfte vielleicht der gesundeste Strich auf der Halbinsel sein. Es kennt ebenso
wenig die torrente Hitze und Trockenheit der castilischen Hochebene als die
Fieberluft vieler Küstengegenden am Mittelmeer. Jeden Morgen mit dem
Erscheinen der Sonne springt der nächtliche Landwind in eine Brise von der
See her um. Der Winter überzieht nur den Kamm des Gebirges mit Schnee,
dafür stellen sich in der Nähe der Küste vom November bis Mürz bei heftigen
Weststürmen, die sich besonders zur Zeit der Aequinoctien zu wahrer Wuth
steigern, häufige Gewitter und Platzregen ein. Dadurch schwellen die Gewässer,
welche ohnehin in raschem Gefälle die steile Böschung des Gebirges herab¬
eilen, in wenigen Stunden dermaßen an, daß die Communicationen nach allen
Seiten hin erschwert, meist aber ganz unterbrochen werden. Denn Brücken


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/96>, abgerufen am 22.12.2024.