Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.nicht öffnen wollten, überzeugt hatten. Unser Mittagsbrod hielten wir in Noch eine bedeutende Strecke mußten wir auf immer schlechteren Wegen Es klang mir das anfangs so unglaublich, daß ich es für nichts Anderes Der Macht der Thatsachen ohnmächtigen Aerger entgegenzusetzen, nützt 11*
nicht öffnen wollten, überzeugt hatten. Unser Mittagsbrod hielten wir in Noch eine bedeutende Strecke mußten wir auf immer schlechteren Wegen Es klang mir das anfangs so unglaublich, daß ich es für nichts Anderes Der Macht der Thatsachen ohnmächtigen Aerger entgegenzusetzen, nützt 11*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0093" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107140"/> <p xml:id="ID_246" prev="#ID_245"> nicht öffnen wollten, überzeugt hatten. Unser Mittagsbrod hielten wir in<lb/> einem Wirthshaus, das freilich weder wirthlich war, noch auch in Deutschland<lb/> mit dem Namen eines Hauses beehrt worden wäre, es war nichts als eine<lb/> elende, schmuzige Hütte, doch gelang es uns wenigstens einiger Eier zur Ver¬<lb/> vollständigung unserer Mahlzeit habhaft zu werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_247"> Noch eine bedeutende Strecke mußten wir auf immer schlechteren Wegen<lb/> emporklimmen, bevor wir den Kamm des Gebirges erreichten. Dann ging<lb/> es auf halsbrechend steilen Wegen, hier und da an grausigen Abgründen vor¬<lb/> bei, schnell abwärts, die Luft ward wieder milder, aber es mußte am folgen¬<lb/> den Tag ein zweiter Gebirgspaß überstiegen werden, der so hoch war, daß<lb/> wir auf seinem Gipfel eine Zeit lang rings von Wolken umgeben waren.<lb/> Als wir aus der dichten Umhüllung heraustraten, lag endlich tief unter uns<lb/> das Meer, und über dasselbe weg winkten aus der Ferne die Thürme von<lb/> Santander. Hätten wir eine Ahnung davon gehabt, was noch zu bestehen'<lb/> sei, bevor wir dort ein Obdach finden sollten, wir würden den Anblick dieses<lb/> ersehnten Zieles mit geringerer Freude begrüßt haben. Denn kaum hatten<lb/> wir uns am Fuß des Gebirges in einetu elenden Gasthaus zu einem fru¬<lb/> galen Mahl niedergelassen, zufrieden, mit ganzen Gliedern bis hierher ge¬<lb/> kommen zu sein, da trat das Schicksal in Gestalt unseres Kutschers drohend<lb/> uns gegenüber. Der Mann erschien, um uns rund heraus zu erklären: bis<lb/> hierher habe er uns gefahren und nicht weiter, von nun an sei der Weg so<lb/> schlecht, daß sein Wagen darauf nicht fortkommen könne. Sprachs, drehte<lb/> seinen Wagen um und rüstete sich zur Heimkehr.</p><lb/> <p xml:id="ID_248"> Es klang mir das anfangs so unglaublich, daß ich es für nichts Anderes<lb/> als eine ungeschickte Speculation auf unsern Beutel hielt, aber bald lernte<lb/> ich es anders ansehen. Die herzugerufenen Leute aus dein Wirthshause be¬<lb/> stätigten, was der Kutscher sagte, sie schienen es ganz in der Ordnung zu<lb/> finden. Santander ist neben Coruna die bedeutendste Stadt der spanischen<lb/> Nordküste: zwei Stunden vor derselben mußten wir unsern Wagen abdanken,<lb/> Weil kein fahrbarer Weg bis zu ihr hin führte. Diese Thatsache spricht be¬<lb/> redter als ein ganzes Buch über den volkswirtschaftlichen Zustand des Lan¬<lb/> des. Gegen Norden zwar hat die Natur selbst für eine Fahrstraße gesorgt,<lb/> Hort ist das Meer, das sich zum Glück selber in gutem Zustand erhält, aber<lb/> sie auf dem trocknen Lande zu ergänzen, selbst dazu ist der Mensch zu träge.<lb/> Die einzige Hauptstraße, die von Santander ausläuft, ist die, welche recht¬<lb/> winklig mit der Küste nach Burgos führt.</p><lb/> <p xml:id="ID_249" next="#ID_250"> Der Macht der Thatsachen ohnmächtigen Aerger entgegenzusetzen, nützt<lb/> nichts. Wir verabschiedeten also unser Gefährt, luden unser Gepäck aus den<lb/> Rücken zweier Männer, die uns zugleich als Wegweiser dienen sollten, um<lb/> weiter abwärts an dem Flüßchen, welches in die Bucht von Santander fließt,</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 11*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0093]
nicht öffnen wollten, überzeugt hatten. Unser Mittagsbrod hielten wir in
einem Wirthshaus, das freilich weder wirthlich war, noch auch in Deutschland
mit dem Namen eines Hauses beehrt worden wäre, es war nichts als eine
elende, schmuzige Hütte, doch gelang es uns wenigstens einiger Eier zur Ver¬
vollständigung unserer Mahlzeit habhaft zu werden.
Noch eine bedeutende Strecke mußten wir auf immer schlechteren Wegen
emporklimmen, bevor wir den Kamm des Gebirges erreichten. Dann ging
es auf halsbrechend steilen Wegen, hier und da an grausigen Abgründen vor¬
bei, schnell abwärts, die Luft ward wieder milder, aber es mußte am folgen¬
den Tag ein zweiter Gebirgspaß überstiegen werden, der so hoch war, daß
wir auf seinem Gipfel eine Zeit lang rings von Wolken umgeben waren.
Als wir aus der dichten Umhüllung heraustraten, lag endlich tief unter uns
das Meer, und über dasselbe weg winkten aus der Ferne die Thürme von
Santander. Hätten wir eine Ahnung davon gehabt, was noch zu bestehen'
sei, bevor wir dort ein Obdach finden sollten, wir würden den Anblick dieses
ersehnten Zieles mit geringerer Freude begrüßt haben. Denn kaum hatten
wir uns am Fuß des Gebirges in einetu elenden Gasthaus zu einem fru¬
galen Mahl niedergelassen, zufrieden, mit ganzen Gliedern bis hierher ge¬
kommen zu sein, da trat das Schicksal in Gestalt unseres Kutschers drohend
uns gegenüber. Der Mann erschien, um uns rund heraus zu erklären: bis
hierher habe er uns gefahren und nicht weiter, von nun an sei der Weg so
schlecht, daß sein Wagen darauf nicht fortkommen könne. Sprachs, drehte
seinen Wagen um und rüstete sich zur Heimkehr.
Es klang mir das anfangs so unglaublich, daß ich es für nichts Anderes
als eine ungeschickte Speculation auf unsern Beutel hielt, aber bald lernte
ich es anders ansehen. Die herzugerufenen Leute aus dein Wirthshause be¬
stätigten, was der Kutscher sagte, sie schienen es ganz in der Ordnung zu
finden. Santander ist neben Coruna die bedeutendste Stadt der spanischen
Nordküste: zwei Stunden vor derselben mußten wir unsern Wagen abdanken,
Weil kein fahrbarer Weg bis zu ihr hin führte. Diese Thatsache spricht be¬
redter als ein ganzes Buch über den volkswirtschaftlichen Zustand des Lan¬
des. Gegen Norden zwar hat die Natur selbst für eine Fahrstraße gesorgt,
Hort ist das Meer, das sich zum Glück selber in gutem Zustand erhält, aber
sie auf dem trocknen Lande zu ergänzen, selbst dazu ist der Mensch zu träge.
Die einzige Hauptstraße, die von Santander ausläuft, ist die, welche recht¬
winklig mit der Küste nach Burgos führt.
Der Macht der Thatsachen ohnmächtigen Aerger entgegenzusetzen, nützt
nichts. Wir verabschiedeten also unser Gefährt, luden unser Gepäck aus den
Rücken zweier Männer, die uns zugleich als Wegweiser dienen sollten, um
weiter abwärts an dem Flüßchen, welches in die Bucht von Santander fließt,
11*
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |