Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.Ein neues Gewirr von hingejagten Bemerkungen und Exclamationen "Der Fels Petri, hörte ich eine Stimme rufen, wird doch die Pforten "Rom ist die ewige Stadt," rief ein anderer. "Rom, sagte mein Freund halblaut, ist der ewige Jude unter den Nur einer außer mir hatte diese Worte gehört; es war ein junger Mönch, Eine Viertelstunde später verabschiedeten wir uns aus dem Kreise der "Glauben Sie nicht, sagte er mit bewegter Stimme, daß alle so Wir horchten verwundert, der junge Mann aber, der dies alles rasch Er hatte es kaum gesprochen, als ein Luftzug im Corridor das Licht, Minutenlang standen wir ohne ein Wort zu reden vor dein Portal des Ein neues Gewirr von hingejagten Bemerkungen und Exclamationen „Der Fels Petri, hörte ich eine Stimme rufen, wird doch die Pforten „Rom ist die ewige Stadt," rief ein anderer. „Rom, sagte mein Freund halblaut, ist der ewige Jude unter den Nur einer außer mir hatte diese Worte gehört; es war ein junger Mönch, Eine Viertelstunde später verabschiedeten wir uns aus dem Kreise der „Glauben Sie nicht, sagte er mit bewegter Stimme, daß alle so Wir horchten verwundert, der junge Mann aber, der dies alles rasch Er hatte es kaum gesprochen, als ein Luftzug im Corridor das Licht, Minutenlang standen wir ohne ein Wort zu reden vor dein Portal des <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0521" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107568"/> <p xml:id="ID_1662"> Ein neues Gewirr von hingejagten Bemerkungen und Exclamationen<lb/> brach los, die Mönche erhoben sich und bildeten einzelne Gruppen. Der Prior<lb/> und einige der ältesten und scheinbar angesehensten unter den Vätern umgaben<lb/> den Abb6 und redeten ihm eifrig zu.</p><lb/> <p xml:id="ID_1663"> „Der Fels Petri, hörte ich eine Stimme rufen, wird doch die Pforten<lb/> der Hölle überdauern." —</p><lb/> <p xml:id="ID_1664"> „Rom ist die ewige Stadt," rief ein anderer.</p><lb/> <p xml:id="ID_1665"> „Rom, sagte mein Freund halblaut, ist der ewige Jude unter den<lb/> Städten. Er kann nicht leben und nicht sterben." —</p><lb/> <p xml:id="ID_1666"> Nur einer außer mir hatte diese Worte gehört; es war ein junger Mönch,<lb/> hager, mit dunklen Feueraugen, der während des ganzen Mahles kein Wort<lb/> gesprochen hatte. Er nahm meinen Freund bei Seite und fragte ihn, wie<lb/> er das genieint. Dieser, der langen Selbstverleugnung müde, ließ die Maske,<lb/> die er bisher getragen, fallen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1667"> Eine Viertelstunde später verabschiedeten wir uns aus dem Kreise der<lb/> Väter, die noch immer nicht zur Ruhe kommen konnten. Der junge Mönch<lb/> geleitete uns mit einem Licht die Treppe hinab. Plötzlich blieb er stehen und<lb/> ergriff die Hand meines Freundes:</p><lb/> <p xml:id="ID_1668"> „Glauben Sie nicht, sagte er mit bewegter Stimme, daß alle so<lb/> denken, wie die. die Sie gehört. Ich zum Beispiel — hier muß ich leben —<lb/> o welch ein Leben. — muß mich verstellen und schweigen — doch, es wird<lb/> noch anders! Ja, es kommt noch die Zeit, wo ich dies Kleid von mir<lb/> werfe..."</p><lb/> <p xml:id="ID_1669"> Wir horchten verwundert, der junge Mann aber, der dies alles rasch<lb/> und in einem Fieber der Aufregung gesprochen, hielt wieder einen Augenblick<lb/> inne, während sein Gesicht einen heftigen Kampf ausdrückte und fuhr fort:<lb/> „Ich bin ja in einem Alpenthal zwischen Lucerna und Perusa geboren — ich<lb/> bin — ja ich bin ein heimlicher Waldenser!"</p><lb/> <p xml:id="ID_1670"> Er hatte es kaum gesprochen, als ein Luftzug im Corridor das Licht,<lb/> das er in der Hand hielt, ausblies. Wir standen hart vor der Thür, sie<lb/> that sich auf. der junge Mensch verschwand im Dunkeln.</p><lb/> <p xml:id="ID_1671"> Minutenlang standen wir ohne ein Wort zu reden vor dein Portal des<lb/> Klosters, beide ergriffen von der .seltsamen Scene, die wir erlebt. Ueber<lb/> uns zogen die Wolken, von einem heranziehenden Gewitter gejagt. Langsam<lb/> gingen wir über den öden Platz und dann die Treppen hinab, um die innere<lb/> Stadt und unser Hotel wieder aufzusuchen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0521]
Ein neues Gewirr von hingejagten Bemerkungen und Exclamationen
brach los, die Mönche erhoben sich und bildeten einzelne Gruppen. Der Prior
und einige der ältesten und scheinbar angesehensten unter den Vätern umgaben
den Abb6 und redeten ihm eifrig zu.
„Der Fels Petri, hörte ich eine Stimme rufen, wird doch die Pforten
der Hölle überdauern." —
„Rom ist die ewige Stadt," rief ein anderer.
„Rom, sagte mein Freund halblaut, ist der ewige Jude unter den
Städten. Er kann nicht leben und nicht sterben." —
Nur einer außer mir hatte diese Worte gehört; es war ein junger Mönch,
hager, mit dunklen Feueraugen, der während des ganzen Mahles kein Wort
gesprochen hatte. Er nahm meinen Freund bei Seite und fragte ihn, wie
er das genieint. Dieser, der langen Selbstverleugnung müde, ließ die Maske,
die er bisher getragen, fallen.
Eine Viertelstunde später verabschiedeten wir uns aus dem Kreise der
Väter, die noch immer nicht zur Ruhe kommen konnten. Der junge Mönch
geleitete uns mit einem Licht die Treppe hinab. Plötzlich blieb er stehen und
ergriff die Hand meines Freundes:
„Glauben Sie nicht, sagte er mit bewegter Stimme, daß alle so
denken, wie die. die Sie gehört. Ich zum Beispiel — hier muß ich leben —
o welch ein Leben. — muß mich verstellen und schweigen — doch, es wird
noch anders! Ja, es kommt noch die Zeit, wo ich dies Kleid von mir
werfe..."
Wir horchten verwundert, der junge Mann aber, der dies alles rasch
und in einem Fieber der Aufregung gesprochen, hielt wieder einen Augenblick
inne, während sein Gesicht einen heftigen Kampf ausdrückte und fuhr fort:
„Ich bin ja in einem Alpenthal zwischen Lucerna und Perusa geboren — ich
bin — ja ich bin ein heimlicher Waldenser!"
Er hatte es kaum gesprochen, als ein Luftzug im Corridor das Licht,
das er in der Hand hielt, ausblies. Wir standen hart vor der Thür, sie
that sich auf. der junge Mensch verschwand im Dunkeln.
Minutenlang standen wir ohne ein Wort zu reden vor dein Portal des
Klosters, beide ergriffen von der .seltsamen Scene, die wir erlebt. Ueber
uns zogen die Wolken, von einem heranziehenden Gewitter gejagt. Langsam
gingen wir über den öden Platz und dann die Treppen hinab, um die innere
Stadt und unser Hotel wieder aufzusuchen.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |