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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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mußte, wenn es nicht gelang, sie fortzumanövriren. Unmöglich war nun dies
keineswegs. Ein Angriff mit einer starken Macht über die untere Sesia
veranlaßte nach allen bisherigen Erfahrungen Giulay wol, unverhältnißmäßige
Kräfte in dem Dreiecke von Candia, Robbio und Mortara zusammenzuziehen,
dann konnte die Hauptmacht der Verbündeten bei Valenza ans linke Poufer
gehn, durch diese Bewegung sich in die linke Flanke der östreichischen Armee
setzen und eine siegreiche Schlacht von Seiten der Verbündeten drückte nun
die Gegner nordwärts auf Novara und sie gegen die Alpen, wenn die Ver¬
folgung kräftig und entschieden darauf gerichtet ward.

Indessen ohne Schlacht und vielleicht ohne hitzige Schlacht kam man
allerdings auf diesem Wege nicht vorwärts.

Bei Piacenza verhielten sich die Sachen noch schlimmer. Seit dieses be¬
festigt ist, und bei der Aufstellung der Oestreichs, ist wirklich für eine Armee,
die von Westen her operirt, der Uebergang hier etwas gewagt. Aber auch
nichts mehr als das. Das sicherste und zugleich entscheidendste Manöver für
die Verbündeten war ohne Frage die Operation über die untere Sesia bei
Candia und den Po bei Valenza.

Wir werden nun sehen, daß Napoleon sich zu einer viel gewagteren Ope¬
ration entschloß, als die über Piacenza ist, zu einer Operation aber außer¬
dem, welche im Fall des Gelingens und des Sieges auf dem Schlachtfeld
niemals die entscheidenden Resultate geben konnte, wie diejenige über Pia¬
cenza oder über Valenza. Er beschloß nämlich grade, seine Hauptmacht durch
einen Linksabmarsch über Casale und Vercelli aus der Gegend von Alessan¬
dria nach Novara und auf die Straße nach Mailand zu tragen. Dieser Ent¬
schluß kam am 28. Mai zur Reife und jetzt wurden allerdings mit lobens-
werther Schnelligkeit die Maßregeln zu seiner Ausführung getroffen.

Vier sardinische Divisionen und das Canrobertsche Corps wurden am
29. und 30. an der Sesia von Casale bis Vercelli concentrirt und machten
am 30. und 31. die Angriffe auf die östreichischen Stellungen am linken Ufer
der Sesia, welche unter dem Namen der Schlacht von Palestro zusammen¬
gefaßt werden. Durch diese Angriffe sollte die Aufmerksamkeit der Oest¬
reicher an der untern Sesia gefesselt und von der großen Bewegung der
französischen Armee von Alessandria über Casale nach Norden abgelenkt
werden.

Am 29. Mai kam Niet aus seinen Stellungen am Po nach Casale, ging
am 3. bei Vercelli über die Sesia, besetzte Borgo Vercelli, schob seine Vor¬
posten nach Orfengo; hinter ihm in Vercelli traf die Kaisergarde ein. dieser
folgte am 30. Mac Mahon. Am 31. stockte die Bewegung dieser Corps
auf Novara, weil man erst abwarten wollte, daß das ganze Canrobertsche
Corps am linken Ufer der Sesia sei, welches bei Prarolo über diesen Fluß


mußte, wenn es nicht gelang, sie fortzumanövriren. Unmöglich war nun dies
keineswegs. Ein Angriff mit einer starken Macht über die untere Sesia
veranlaßte nach allen bisherigen Erfahrungen Giulay wol, unverhältnißmäßige
Kräfte in dem Dreiecke von Candia, Robbio und Mortara zusammenzuziehen,
dann konnte die Hauptmacht der Verbündeten bei Valenza ans linke Poufer
gehn, durch diese Bewegung sich in die linke Flanke der östreichischen Armee
setzen und eine siegreiche Schlacht von Seiten der Verbündeten drückte nun
die Gegner nordwärts auf Novara und sie gegen die Alpen, wenn die Ver¬
folgung kräftig und entschieden darauf gerichtet ward.

Indessen ohne Schlacht und vielleicht ohne hitzige Schlacht kam man
allerdings auf diesem Wege nicht vorwärts.

Bei Piacenza verhielten sich die Sachen noch schlimmer. Seit dieses be¬
festigt ist, und bei der Aufstellung der Oestreichs, ist wirklich für eine Armee,
die von Westen her operirt, der Uebergang hier etwas gewagt. Aber auch
nichts mehr als das. Das sicherste und zugleich entscheidendste Manöver für
die Verbündeten war ohne Frage die Operation über die untere Sesia bei
Candia und den Po bei Valenza.

Wir werden nun sehen, daß Napoleon sich zu einer viel gewagteren Ope¬
ration entschloß, als die über Piacenza ist, zu einer Operation aber außer¬
dem, welche im Fall des Gelingens und des Sieges auf dem Schlachtfeld
niemals die entscheidenden Resultate geben konnte, wie diejenige über Pia¬
cenza oder über Valenza. Er beschloß nämlich grade, seine Hauptmacht durch
einen Linksabmarsch über Casale und Vercelli aus der Gegend von Alessan¬
dria nach Novara und auf die Straße nach Mailand zu tragen. Dieser Ent¬
schluß kam am 28. Mai zur Reife und jetzt wurden allerdings mit lobens-
werther Schnelligkeit die Maßregeln zu seiner Ausführung getroffen.

Vier sardinische Divisionen und das Canrobertsche Corps wurden am
29. und 30. an der Sesia von Casale bis Vercelli concentrirt und machten
am 30. und 31. die Angriffe auf die östreichischen Stellungen am linken Ufer
der Sesia, welche unter dem Namen der Schlacht von Palestro zusammen¬
gefaßt werden. Durch diese Angriffe sollte die Aufmerksamkeit der Oest¬
reicher an der untern Sesia gefesselt und von der großen Bewegung der
französischen Armee von Alessandria über Casale nach Norden abgelenkt
werden.

Am 29. Mai kam Niet aus seinen Stellungen am Po nach Casale, ging
am 3. bei Vercelli über die Sesia, besetzte Borgo Vercelli, schob seine Vor¬
posten nach Orfengo; hinter ihm in Vercelli traf die Kaisergarde ein. dieser
folgte am 30. Mac Mahon. Am 31. stockte die Bewegung dieser Corps
auf Novara, weil man erst abwarten wollte, daß das ganze Canrobertsche
Corps am linken Ufer der Sesia sei, welches bei Prarolo über diesen Fluß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/497>, abgerufen am 22.12.2024.