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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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Die Hänge-, so wie die Pulver- und Bleidiscussionen blieben vorläufig
überflüssig. Urban ließ nach seinem Siege bei Como die Alpenjäger los und
eilte nach Varese, in welches er trotz der Barrikaden nach kurzer Beschießung
einrückte und dem er eine fast unerschwingliche Kontribution auferlegte. Ga-
ribaldi aber, wie kühn so auch vorsichtig zu rechter Zeit, zog an der schweizer
Grenze Novazzano vorüber und den Luganersee entlang gegen den Langensee
zurück und griff hier am 30. und 31. Mai Laveno, den festen Hafenposten
der Oestreicher an, den er nehmen, in dessen Besitz er sich der dort liegen¬
den Fahrzeuge bemächtigen wollte, um so für den Nothfall den Rückzug ins
Piemontesische Gebiet sicher zu stellen.

Hätte sich Urban jetzt auf Laveno gerichtet, so wäre Garibaldi, man
kann es mit Sicherheit annehmen, wiederum gegen die Schweizergrenze und
nach Como ausgewichen und hätte sich aller Wahrscheinlichkeit nach den Weg
in das Veltlin. der zu dieser Zeit offen stand, gebahnt. Indessen Urban
hatte mit Varese, mit seiner ausgeschriebenen Kontribution zu thun und dachte
nicht an Garibaldi. Doch war auch Garibaldi bei seineu Versuchen, den
Posten von Laveno zu nehmen, nicht glücklich. Wer die geistigen Mittel des
Mannes nicht so hoch taxirt als wir, konnte ihn noch immer verloren geben.

Bald hörte das auf: die entscheidende Bewegung der verbündeten Haupt¬
armee mußte den Parteigänger losmachen. Wir müssen uns jetzt diese Be¬
wegung betrachten.

Es kann heute kein Zweifel mehr darüber bestehen, daß das Treffen von
Montebello vom 20. Mai auf den Kaiser Napoleon den Dritten einen großem
Eindruck machte, als es verdiente. Dies geht theilweis, obwol verschleiert,
aus seinen eignen Berichten, deutlicher aus den naiveren piemontesischen her¬
vor. Nach dem Treffen von Montebello machte sich Napoleon der Dritte
auf einen Hauptangriff seitens der Oestreicher am rechten Ufer des Po ge¬
faßt und traf demgemäß seine Anstalten. Die ganze französische Armee er¬
hielt Befehl, sich in der Gegend von Alessandria zu concentnren; dem um¬
gekehrten Treffen von Montebello sollte eine umgekehrte Schlacht von Marengo
folgen. Damit wir nicht mißverstanden werden, was in dieser Zeit so un¬
endlich leicht ist, erklären wir ausdrücklich, daß wir hier das umgekehrt mir
auf die gegenseitigen Stellungen der feindlichen Parteien beziehen. Während
also z. B. bei Montebello 1800 die Oestreich" westlich und die Franzosen
östlich standen, standen 1859 die Franzosen westlich und die Oestreicher östlich
und ebenso wäre es nun mit den Schlachten von Marengo 1800 und 1859
geworden, wenn es überhaupt 1859 zu einer Schlacht von Marengo gekom¬
men wäre.

Das Corps von Baraguay (das erste) behielt seine alten Stellungen um
Voghera, am Torrentcre von Staffora. Front gegen Osten, hinter ihm stellte


Die Hänge-, so wie die Pulver- und Bleidiscussionen blieben vorläufig
überflüssig. Urban ließ nach seinem Siege bei Como die Alpenjäger los und
eilte nach Varese, in welches er trotz der Barrikaden nach kurzer Beschießung
einrückte und dem er eine fast unerschwingliche Kontribution auferlegte. Ga-
ribaldi aber, wie kühn so auch vorsichtig zu rechter Zeit, zog an der schweizer
Grenze Novazzano vorüber und den Luganersee entlang gegen den Langensee
zurück und griff hier am 30. und 31. Mai Laveno, den festen Hafenposten
der Oestreicher an, den er nehmen, in dessen Besitz er sich der dort liegen¬
den Fahrzeuge bemächtigen wollte, um so für den Nothfall den Rückzug ins
Piemontesische Gebiet sicher zu stellen.

Hätte sich Urban jetzt auf Laveno gerichtet, so wäre Garibaldi, man
kann es mit Sicherheit annehmen, wiederum gegen die Schweizergrenze und
nach Como ausgewichen und hätte sich aller Wahrscheinlichkeit nach den Weg
in das Veltlin. der zu dieser Zeit offen stand, gebahnt. Indessen Urban
hatte mit Varese, mit seiner ausgeschriebenen Kontribution zu thun und dachte
nicht an Garibaldi. Doch war auch Garibaldi bei seineu Versuchen, den
Posten von Laveno zu nehmen, nicht glücklich. Wer die geistigen Mittel des
Mannes nicht so hoch taxirt als wir, konnte ihn noch immer verloren geben.

Bald hörte das auf: die entscheidende Bewegung der verbündeten Haupt¬
armee mußte den Parteigänger losmachen. Wir müssen uns jetzt diese Be¬
wegung betrachten.

Es kann heute kein Zweifel mehr darüber bestehen, daß das Treffen von
Montebello vom 20. Mai auf den Kaiser Napoleon den Dritten einen großem
Eindruck machte, als es verdiente. Dies geht theilweis, obwol verschleiert,
aus seinen eignen Berichten, deutlicher aus den naiveren piemontesischen her¬
vor. Nach dem Treffen von Montebello machte sich Napoleon der Dritte
auf einen Hauptangriff seitens der Oestreicher am rechten Ufer des Po ge¬
faßt und traf demgemäß seine Anstalten. Die ganze französische Armee er¬
hielt Befehl, sich in der Gegend von Alessandria zu concentnren; dem um¬
gekehrten Treffen von Montebello sollte eine umgekehrte Schlacht von Marengo
folgen. Damit wir nicht mißverstanden werden, was in dieser Zeit so un¬
endlich leicht ist, erklären wir ausdrücklich, daß wir hier das umgekehrt mir
auf die gegenseitigen Stellungen der feindlichen Parteien beziehen. Während
also z. B. bei Montebello 1800 die Oestreich« westlich und die Franzosen
östlich standen, standen 1859 die Franzosen westlich und die Oestreicher östlich
und ebenso wäre es nun mit den Schlachten von Marengo 1800 und 1859
geworden, wenn es überhaupt 1859 zu einer Schlacht von Marengo gekom¬
men wäre.

Das Corps von Baraguay (das erste) behielt seine alten Stellungen um
Voghera, am Torrentcre von Staffora. Front gegen Osten, hinter ihm stellte


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[0495] Die Hänge-, so wie die Pulver- und Bleidiscussionen blieben vorläufig überflüssig. Urban ließ nach seinem Siege bei Como die Alpenjäger los und eilte nach Varese, in welches er trotz der Barrikaden nach kurzer Beschießung einrückte und dem er eine fast unerschwingliche Kontribution auferlegte. Ga- ribaldi aber, wie kühn so auch vorsichtig zu rechter Zeit, zog an der schweizer Grenze Novazzano vorüber und den Luganersee entlang gegen den Langensee zurück und griff hier am 30. und 31. Mai Laveno, den festen Hafenposten der Oestreicher an, den er nehmen, in dessen Besitz er sich der dort liegen¬ den Fahrzeuge bemächtigen wollte, um so für den Nothfall den Rückzug ins Piemontesische Gebiet sicher zu stellen. Hätte sich Urban jetzt auf Laveno gerichtet, so wäre Garibaldi, man kann es mit Sicherheit annehmen, wiederum gegen die Schweizergrenze und nach Como ausgewichen und hätte sich aller Wahrscheinlichkeit nach den Weg in das Veltlin. der zu dieser Zeit offen stand, gebahnt. Indessen Urban hatte mit Varese, mit seiner ausgeschriebenen Kontribution zu thun und dachte nicht an Garibaldi. Doch war auch Garibaldi bei seineu Versuchen, den Posten von Laveno zu nehmen, nicht glücklich. Wer die geistigen Mittel des Mannes nicht so hoch taxirt als wir, konnte ihn noch immer verloren geben. Bald hörte das auf: die entscheidende Bewegung der verbündeten Haupt¬ armee mußte den Parteigänger losmachen. Wir müssen uns jetzt diese Be¬ wegung betrachten. Es kann heute kein Zweifel mehr darüber bestehen, daß das Treffen von Montebello vom 20. Mai auf den Kaiser Napoleon den Dritten einen großem Eindruck machte, als es verdiente. Dies geht theilweis, obwol verschleiert, aus seinen eignen Berichten, deutlicher aus den naiveren piemontesischen her¬ vor. Nach dem Treffen von Montebello machte sich Napoleon der Dritte auf einen Hauptangriff seitens der Oestreicher am rechten Ufer des Po ge¬ faßt und traf demgemäß seine Anstalten. Die ganze französische Armee er¬ hielt Befehl, sich in der Gegend von Alessandria zu concentnren; dem um¬ gekehrten Treffen von Montebello sollte eine umgekehrte Schlacht von Marengo folgen. Damit wir nicht mißverstanden werden, was in dieser Zeit so un¬ endlich leicht ist, erklären wir ausdrücklich, daß wir hier das umgekehrt mir auf die gegenseitigen Stellungen der feindlichen Parteien beziehen. Während also z. B. bei Montebello 1800 die Oestreich« westlich und die Franzosen östlich standen, standen 1859 die Franzosen westlich und die Oestreicher östlich und ebenso wäre es nun mit den Schlachten von Marengo 1800 und 1859 geworden, wenn es überhaupt 1859 zu einer Schlacht von Marengo gekom¬ men wäre. Das Corps von Baraguay (das erste) behielt seine alten Stellungen um Voghera, am Torrentcre von Staffora. Front gegen Osten, hinter ihm stellte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/495>, abgerufen am 22.12.2024.