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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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Nordseite sei reicher als das an der Südseite und eine Armee lasse sich dort
besser ernähren, als hier; oder die Oestreicher Hütten darauf gerechnet, ihre
qualitativ überlegne Cavaleric gebrauchen zu wollen und seien deshalb lieber
in die ebene Lomellina, als in das Hügelland -- auf norddeutsch Gebirgs-
terrcun -- an der Südseite gegangen.
'

Abgesehn davon, daß den Oestreichern über alles dies gehn mußte, dem
Feind eine schnelle Schlappe beizubringen, und daß sie also den Feind dort
suchen mußten, wo er stand und stehen mußte; abgesehen davon, kann un¬
zweifelhaft auf der Südseite des Po eine Armee in den Grenzen, in denen
das überhaupt möglich ist, ebenso gut aus den Mitteln des Landes leben,
als auf der Nordseite. Und was den Nutzen betrifft, den die überlegene
östreichische Cavalerie gewahren sollte, so möchten wir wol den alten Wrangel
fragen, ob er meint, daß man in der sumpfigen, von Graben durchzogenen,
von Obstbäumen bedeckten, mit Gehöften übersäeten Lomellina besser mit Ca¬
valerie manövriren könne, als in dem "Gebirgsland" an der Südseite. Wir
meinen, er wird antworten: damit sieht es auf' der Nordseite ebenso windig
aus als auf der Südseite. Eine Hasenhaide von Berlin ist weder hier noch da.

Alles wohl besehn finden wir, daß der Feldzeugmeister Giulay eine Copie
des Raoetzkischen Feldzuges zu liefern ursprünglich beabsichtigte und daß aus
dieser eben nichts werden konnte, weil er leider nicht daran dachte, daß dies¬
mal die Umstände andere seien.

Wir hören allerdings schon die Entrüstungsschreie, welche alle unsere Com¬
binationen über den Haufen werfen sollen: wie kann man einen General, der
doch natürlich nur deshalb General geworden ist, weil er fähig war, es zu
sein, wie kann man seinem ganzen Stäbe, der unzweifelhaft aus lauter ein¬
sichtigen, tüchtigen Leuten bestehen muß, solche Einfalt zuschreiben wollen? Wir
haben vollauf Gelegenheit gehabt, uns gegen diese Art Entrüstung vollständig
abzuhärten. Man belehre uns eines Bessern; um entrüstete Fragen kümmern
wir uns nicht, wir wissen zu gut, daß sie nur gestellt werden, weil es eben
an dem Bessern fehlt und daß man uns zuletzt recht gibt.

Sehen wir uns lieber an, was weiter gefolgt ist. Vielleicht wird dies
schon genügen, um uns völlig gegen alle Jnterjectionen, die für uns nicht
genügend articulirt sind, an deren Gefühlstiefe wir nichts aussetzen wollen,
deren Verstandestiefe aber jedenfalls nicht weit her ist, sicher zu stellen.

Hatten die Oestreicher beim Einrücken in Piemont nicht gewußt, daß keine
Piemontesen auf der Nordseite des Po waren, so mußten sie es nach dem
Einrücken doch nothwendig durch die Meldungen der Patrouillen und die
Leichtigkeit, mit welcher sie ihre Requisitionen bewerkstelligen konnten, erfahren.

Nun nimmt der Feldzeugmeister Giulay seine Front nach Süden, gegen
den Po, verlegt demgemäß auch sein Hauptquartier am 2. Mai nach Lomello,


Nordseite sei reicher als das an der Südseite und eine Armee lasse sich dort
besser ernähren, als hier; oder die Oestreicher Hütten darauf gerechnet, ihre
qualitativ überlegne Cavaleric gebrauchen zu wollen und seien deshalb lieber
in die ebene Lomellina, als in das Hügelland — auf norddeutsch Gebirgs-
terrcun — an der Südseite gegangen.
'

Abgesehn davon, daß den Oestreichern über alles dies gehn mußte, dem
Feind eine schnelle Schlappe beizubringen, und daß sie also den Feind dort
suchen mußten, wo er stand und stehen mußte; abgesehen davon, kann un¬
zweifelhaft auf der Südseite des Po eine Armee in den Grenzen, in denen
das überhaupt möglich ist, ebenso gut aus den Mitteln des Landes leben,
als auf der Nordseite. Und was den Nutzen betrifft, den die überlegene
östreichische Cavalerie gewahren sollte, so möchten wir wol den alten Wrangel
fragen, ob er meint, daß man in der sumpfigen, von Graben durchzogenen,
von Obstbäumen bedeckten, mit Gehöften übersäeten Lomellina besser mit Ca¬
valerie manövriren könne, als in dem „Gebirgsland" an der Südseite. Wir
meinen, er wird antworten: damit sieht es auf' der Nordseite ebenso windig
aus als auf der Südseite. Eine Hasenhaide von Berlin ist weder hier noch da.

Alles wohl besehn finden wir, daß der Feldzeugmeister Giulay eine Copie
des Raoetzkischen Feldzuges zu liefern ursprünglich beabsichtigte und daß aus
dieser eben nichts werden konnte, weil er leider nicht daran dachte, daß dies¬
mal die Umstände andere seien.

Wir hören allerdings schon die Entrüstungsschreie, welche alle unsere Com¬
binationen über den Haufen werfen sollen: wie kann man einen General, der
doch natürlich nur deshalb General geworden ist, weil er fähig war, es zu
sein, wie kann man seinem ganzen Stäbe, der unzweifelhaft aus lauter ein¬
sichtigen, tüchtigen Leuten bestehen muß, solche Einfalt zuschreiben wollen? Wir
haben vollauf Gelegenheit gehabt, uns gegen diese Art Entrüstung vollständig
abzuhärten. Man belehre uns eines Bessern; um entrüstete Fragen kümmern
wir uns nicht, wir wissen zu gut, daß sie nur gestellt werden, weil es eben
an dem Bessern fehlt und daß man uns zuletzt recht gibt.

Sehen wir uns lieber an, was weiter gefolgt ist. Vielleicht wird dies
schon genügen, um uns völlig gegen alle Jnterjectionen, die für uns nicht
genügend articulirt sind, an deren Gefühlstiefe wir nichts aussetzen wollen,
deren Verstandestiefe aber jedenfalls nicht weit her ist, sicher zu stellen.

Hatten die Oestreicher beim Einrücken in Piemont nicht gewußt, daß keine
Piemontesen auf der Nordseite des Po waren, so mußten sie es nach dem
Einrücken doch nothwendig durch die Meldungen der Patrouillen und die
Leichtigkeit, mit welcher sie ihre Requisitionen bewerkstelligen konnten, erfahren.

Nun nimmt der Feldzeugmeister Giulay seine Front nach Süden, gegen
den Po, verlegt demgemäß auch sein Hauptquartier am 2. Mai nach Lomello,


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[0484] Nordseite sei reicher als das an der Südseite und eine Armee lasse sich dort besser ernähren, als hier; oder die Oestreicher Hütten darauf gerechnet, ihre qualitativ überlegne Cavaleric gebrauchen zu wollen und seien deshalb lieber in die ebene Lomellina, als in das Hügelland — auf norddeutsch Gebirgs- terrcun — an der Südseite gegangen. ' Abgesehn davon, daß den Oestreichern über alles dies gehn mußte, dem Feind eine schnelle Schlappe beizubringen, und daß sie also den Feind dort suchen mußten, wo er stand und stehen mußte; abgesehen davon, kann un¬ zweifelhaft auf der Südseite des Po eine Armee in den Grenzen, in denen das überhaupt möglich ist, ebenso gut aus den Mitteln des Landes leben, als auf der Nordseite. Und was den Nutzen betrifft, den die überlegene östreichische Cavalerie gewahren sollte, so möchten wir wol den alten Wrangel fragen, ob er meint, daß man in der sumpfigen, von Graben durchzogenen, von Obstbäumen bedeckten, mit Gehöften übersäeten Lomellina besser mit Ca¬ valerie manövriren könne, als in dem „Gebirgsland" an der Südseite. Wir meinen, er wird antworten: damit sieht es auf' der Nordseite ebenso windig aus als auf der Südseite. Eine Hasenhaide von Berlin ist weder hier noch da. Alles wohl besehn finden wir, daß der Feldzeugmeister Giulay eine Copie des Raoetzkischen Feldzuges zu liefern ursprünglich beabsichtigte und daß aus dieser eben nichts werden konnte, weil er leider nicht daran dachte, daß dies¬ mal die Umstände andere seien. Wir hören allerdings schon die Entrüstungsschreie, welche alle unsere Com¬ binationen über den Haufen werfen sollen: wie kann man einen General, der doch natürlich nur deshalb General geworden ist, weil er fähig war, es zu sein, wie kann man seinem ganzen Stäbe, der unzweifelhaft aus lauter ein¬ sichtigen, tüchtigen Leuten bestehen muß, solche Einfalt zuschreiben wollen? Wir haben vollauf Gelegenheit gehabt, uns gegen diese Art Entrüstung vollständig abzuhärten. Man belehre uns eines Bessern; um entrüstete Fragen kümmern wir uns nicht, wir wissen zu gut, daß sie nur gestellt werden, weil es eben an dem Bessern fehlt und daß man uns zuletzt recht gibt. Sehen wir uns lieber an, was weiter gefolgt ist. Vielleicht wird dies schon genügen, um uns völlig gegen alle Jnterjectionen, die für uns nicht genügend articulirt sind, an deren Gefühlstiefe wir nichts aussetzen wollen, deren Verstandestiefe aber jedenfalls nicht weit her ist, sicher zu stellen. Hatten die Oestreicher beim Einrücken in Piemont nicht gewußt, daß keine Piemontesen auf der Nordseite des Po waren, so mußten sie es nach dem Einrücken doch nothwendig durch die Meldungen der Patrouillen und die Leichtigkeit, mit welcher sie ihre Requisitionen bewerkstelligen konnten, erfahren. Nun nimmt der Feldzeugmeister Giulay seine Front nach Süden, gegen den Po, verlegt demgemäß auch sein Hauptquartier am 2. Mai nach Lomello,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/484>, abgerufen am 22.12.2024.