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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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gehn auch diesmal die östreichischen Colonnen über, und dieselbe Richtung,
welche damals Radetzki zu seinem Siegesmarsch wählte, auf Mortara, Ver-
celli, Novara schlagen sie auch diesmal ein. Aber die Piemontesen haben
dem Feldzeugmeister Giulay nicht den Gefallen gethan, diesmal die gleichen
Stellungen einzunehmen, in welchen sie sich damals befanden. Ihre vorge¬
schobnen Posten weichen überall zurück auf die, Hauptstellung, welche nicht im
Norden, sondern im Süden des Po liegt, bei Alessandria und Casale. in
welcher die Franzosen auf zwei Straßen, von den Bergen und vom Meere
her, von Turin und von Genua sich mit ihren Verbündeten vereinigen wollen.

Wie war es möglich, die diesmalige Aufstellung der Piemontesen nicht
zu kennen oder sie nicht zu errathen? Wenn sonst nichts auf sie schließen ließ,
so mußten es doch die beiden Punkte, über welche her allein die Franzosen
herankommen konnten.

Wo also war, wenn überhaupt, das militärische Ultimatum zu erzielen?
Auf der Südseite des Po, nicht auf der Nordseite.

Welche Rücksichten konnten trotzdem die Oestreicher bestimmen, auf der
Nordseite vorzugehn? Etwa die Rücksicht auf die Herzogtümer, auf Parma?
Dessen Neutralität siel doch schwerlich ins Gewicht. Außerdem konnte man
ja bei Piacenza warten, bis man sich völlig entschlossen hatte, den Krieg los¬
zulassen, durchaus keine Zweifel und keine Hoffnungen mehr hatte. Oder lag
es daran, daß Piacenza zwei Tagemarsche östlicher liegt als Pavia und daß
man bei dem Auszuge von Pavia um so viel eher tiefer in Piemont ein¬
dringt, und wollte man dann wirklich von Pavia aus zwischen Tessin und
Sesia über den Po an dessen Südseite gehn? Aber da mußte man doch noth¬
wendig Brücken über den Po schlagen und verlor damit wol ebenso viel Zeit,
als man mit dem Abmärsche von Pavia gegen denjenigen von Piacenza so¬
gleich auf der Südseite sparte.

Indessen es ist auch ganz klar, daß die Oestreicher von vornherein diese
Absicht, auf die Südseite von Pavia aus überzugehn, gar nicht hatten.
Man erkennt an der Marschrichtung in den ersten Tagen, in der Wahl des
ersten Hauptquartiers auf piemontesischen Boden, Garlasco, daß sie wirklich
auf der Nordseite des Po zu schlagen gedachten.

Es ist uns von guter Seite gesagt worden, die Oestreicher hätten einen
großen Werth daraus gelegt, sich zu Anfang mit den Piemontesen allein, nicht
mit den Franzosen zu schlagen, und etwa deshalb seien sie auf der Nordseite,
nicht auf der Südseite vorgegangen. Wir können den Werth, den man darauf
gelegt haben soll, beim besten Willen nicht taxiren. Außerdem aber mußte man
doch Piemontesen auf der Nordseite finden, um sie schlagen zu können, was,
nun einmal leider nicht der Fall war und auch nicht gut der Fall sein konnte.

Ebenso wenig verschlagen für uns die andern Gründe: das Land an der


Grenzboten II. 1669. 6V

gehn auch diesmal die östreichischen Colonnen über, und dieselbe Richtung,
welche damals Radetzki zu seinem Siegesmarsch wählte, auf Mortara, Ver-
celli, Novara schlagen sie auch diesmal ein. Aber die Piemontesen haben
dem Feldzeugmeister Giulay nicht den Gefallen gethan, diesmal die gleichen
Stellungen einzunehmen, in welchen sie sich damals befanden. Ihre vorge¬
schobnen Posten weichen überall zurück auf die, Hauptstellung, welche nicht im
Norden, sondern im Süden des Po liegt, bei Alessandria und Casale. in
welcher die Franzosen auf zwei Straßen, von den Bergen und vom Meere
her, von Turin und von Genua sich mit ihren Verbündeten vereinigen wollen.

Wie war es möglich, die diesmalige Aufstellung der Piemontesen nicht
zu kennen oder sie nicht zu errathen? Wenn sonst nichts auf sie schließen ließ,
so mußten es doch die beiden Punkte, über welche her allein die Franzosen
herankommen konnten.

Wo also war, wenn überhaupt, das militärische Ultimatum zu erzielen?
Auf der Südseite des Po, nicht auf der Nordseite.

Welche Rücksichten konnten trotzdem die Oestreicher bestimmen, auf der
Nordseite vorzugehn? Etwa die Rücksicht auf die Herzogtümer, auf Parma?
Dessen Neutralität siel doch schwerlich ins Gewicht. Außerdem konnte man
ja bei Piacenza warten, bis man sich völlig entschlossen hatte, den Krieg los¬
zulassen, durchaus keine Zweifel und keine Hoffnungen mehr hatte. Oder lag
es daran, daß Piacenza zwei Tagemarsche östlicher liegt als Pavia und daß
man bei dem Auszuge von Pavia um so viel eher tiefer in Piemont ein¬
dringt, und wollte man dann wirklich von Pavia aus zwischen Tessin und
Sesia über den Po an dessen Südseite gehn? Aber da mußte man doch noth¬
wendig Brücken über den Po schlagen und verlor damit wol ebenso viel Zeit,
als man mit dem Abmärsche von Pavia gegen denjenigen von Piacenza so¬
gleich auf der Südseite sparte.

Indessen es ist auch ganz klar, daß die Oestreicher von vornherein diese
Absicht, auf die Südseite von Pavia aus überzugehn, gar nicht hatten.
Man erkennt an der Marschrichtung in den ersten Tagen, in der Wahl des
ersten Hauptquartiers auf piemontesischen Boden, Garlasco, daß sie wirklich
auf der Nordseite des Po zu schlagen gedachten.

Es ist uns von guter Seite gesagt worden, die Oestreicher hätten einen
großen Werth daraus gelegt, sich zu Anfang mit den Piemontesen allein, nicht
mit den Franzosen zu schlagen, und etwa deshalb seien sie auf der Nordseite,
nicht auf der Südseite vorgegangen. Wir können den Werth, den man darauf
gelegt haben soll, beim besten Willen nicht taxiren. Außerdem aber mußte man
doch Piemontesen auf der Nordseite finden, um sie schlagen zu können, was,
nun einmal leider nicht der Fall war und auch nicht gut der Fall sein konnte.

Ebenso wenig verschlagen für uns die andern Gründe: das Land an der


Grenzboten II. 1669. 6V
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/483>, abgerufen am 22.12.2024.