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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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den Einfluß auf die leitenden Personen zu gewinnen, welcher in irgend einer
spätern Metamorphose des Kampfes den Frieden möglich macht.

Für einen solchen Frieden, der Oestreichs Interessen in Italien nicht auf¬
opfert, und andererseits Frankreich und Italien einen Fortschritt der natio¬
nalen Entwickelung Italiens garantirt, die maßgebende Formel zu finden, ist
nicht leicht, aber es ist nicht unmöglich. Es ist unnütz, jetzt darüber Muth¬
maßungen anzustellen. Deutschland hat, so scheint uns, keine Ursache, eine
Vergrößerung Piemonts durch irgend welche der kleinen italienischen Staaten
zu scheuen, es hat keinen Grund, einen Bundesstaat, der die oberitalienischen
Souveränetäten unter Piemonts Führung vereinigt, mit mißgünstigem Auge
zu betrachten. Unsere Verhandlungen und unsere Waffen würden allerdings
zunächst dahin zu zielen haben, Oestreich seinen Besitzstand zu erhalten, wenn
dasselbe nicht die Kraft hat, ihn durch Waffengewalt zu behaupten.

Und sollten die ernsthaften Bemühungen Preußens scheitern, als Führer
Deutschlands einen guten Frieden zu erreichen; sollte das Siegesgefühl des
Kaisers zu lebhaft, seine Ansprüche zu groß sein, dann, aber dann erst Krieg
mit Frankreich. In Preußen tauscht man sich darüber nicht, daß ein solcher
Krieg sür Preußen und Deutschland unendlich folgenschwerer sein könne, als
der italienische Krieg für Oestreich. Man weiß, daß Frankreich unter dem
gegenwärtigen Herrscher ein starker und gefährlicher Gegner ist. Aber wie
groß auch die Verluste und Opfer Preußens bei einem solchen Kampfe seien,
und wie schwer das Lehrgeld wiege, welches Preußens Heer, das länger als
vierzig Jahre keinen großen Krieg geführt hat, zahlen müßte, die stille Ueber¬
zeugung ist in Preußen verbreitet, wenn die gegenwärtige Dynastie Frank¬
reichs durch äußere Feinde fällt, so fällt sie durch preußische Waffen und wenn
ein fremdes Heer noch einmal in Paris einziehen sollte, so werden es preu¬
ßische Truppen sein, hart geprüft, zerrissen durch einen furchtbaren Kampf,
aber Sieger. Das ist keine Prahlerei und Ueberschätzung der eignen Kraft,
denn nirgend vielleicht wird das französische Heer so gut gewürdigt als in
Preußen, und sehr gut kennt man in Berlin die zähe Energie des Kaisers
und seine gewaltigen Hilfsmittel, man ist frei von jeder Verblendung, welche
blinder Haß erzeugt. Aber Preußen hat einen Vorzug, der strategische Uebel¬
stände und die verhältnißmäßig geringere Einwohnerzahl mehr als ausgleicht,
es ist bereit, bis zum letzten Mann mit seinem Kriegsherrn zu schlagen, und
der Herrscher Preußens hat keine andere Politik als die Ehre seines Volkes.
Nirgend, außer in England, ist der Patriotismus so loyal, und die Loyalität
so patriotisch. Und diese innere Einigkeit und Opferfähigkeit ,se Preußens
Stärke.

Doch wie uneigennützig und sicher auch die Regierung von Berlin in die
Action hereintritt, eines ist zu erwarten, Verdächtigungen, Mißgunst und


den Einfluß auf die leitenden Personen zu gewinnen, welcher in irgend einer
spätern Metamorphose des Kampfes den Frieden möglich macht.

Für einen solchen Frieden, der Oestreichs Interessen in Italien nicht auf¬
opfert, und andererseits Frankreich und Italien einen Fortschritt der natio¬
nalen Entwickelung Italiens garantirt, die maßgebende Formel zu finden, ist
nicht leicht, aber es ist nicht unmöglich. Es ist unnütz, jetzt darüber Muth¬
maßungen anzustellen. Deutschland hat, so scheint uns, keine Ursache, eine
Vergrößerung Piemonts durch irgend welche der kleinen italienischen Staaten
zu scheuen, es hat keinen Grund, einen Bundesstaat, der die oberitalienischen
Souveränetäten unter Piemonts Führung vereinigt, mit mißgünstigem Auge
zu betrachten. Unsere Verhandlungen und unsere Waffen würden allerdings
zunächst dahin zu zielen haben, Oestreich seinen Besitzstand zu erhalten, wenn
dasselbe nicht die Kraft hat, ihn durch Waffengewalt zu behaupten.

Und sollten die ernsthaften Bemühungen Preußens scheitern, als Führer
Deutschlands einen guten Frieden zu erreichen; sollte das Siegesgefühl des
Kaisers zu lebhaft, seine Ansprüche zu groß sein, dann, aber dann erst Krieg
mit Frankreich. In Preußen tauscht man sich darüber nicht, daß ein solcher
Krieg sür Preußen und Deutschland unendlich folgenschwerer sein könne, als
der italienische Krieg für Oestreich. Man weiß, daß Frankreich unter dem
gegenwärtigen Herrscher ein starker und gefährlicher Gegner ist. Aber wie
groß auch die Verluste und Opfer Preußens bei einem solchen Kampfe seien,
und wie schwer das Lehrgeld wiege, welches Preußens Heer, das länger als
vierzig Jahre keinen großen Krieg geführt hat, zahlen müßte, die stille Ueber¬
zeugung ist in Preußen verbreitet, wenn die gegenwärtige Dynastie Frank¬
reichs durch äußere Feinde fällt, so fällt sie durch preußische Waffen und wenn
ein fremdes Heer noch einmal in Paris einziehen sollte, so werden es preu¬
ßische Truppen sein, hart geprüft, zerrissen durch einen furchtbaren Kampf,
aber Sieger. Das ist keine Prahlerei und Ueberschätzung der eignen Kraft,
denn nirgend vielleicht wird das französische Heer so gut gewürdigt als in
Preußen, und sehr gut kennt man in Berlin die zähe Energie des Kaisers
und seine gewaltigen Hilfsmittel, man ist frei von jeder Verblendung, welche
blinder Haß erzeugt. Aber Preußen hat einen Vorzug, der strategische Uebel¬
stände und die verhältnißmäßig geringere Einwohnerzahl mehr als ausgleicht,
es ist bereit, bis zum letzten Mann mit seinem Kriegsherrn zu schlagen, und
der Herrscher Preußens hat keine andere Politik als die Ehre seines Volkes.
Nirgend, außer in England, ist der Patriotismus so loyal, und die Loyalität
so patriotisch. Und diese innere Einigkeit und Opferfähigkeit ,se Preußens
Stärke.

Doch wie uneigennützig und sicher auch die Regierung von Berlin in die
Action hereintritt, eines ist zu erwarten, Verdächtigungen, Mißgunst und


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[0478] den Einfluß auf die leitenden Personen zu gewinnen, welcher in irgend einer spätern Metamorphose des Kampfes den Frieden möglich macht. Für einen solchen Frieden, der Oestreichs Interessen in Italien nicht auf¬ opfert, und andererseits Frankreich und Italien einen Fortschritt der natio¬ nalen Entwickelung Italiens garantirt, die maßgebende Formel zu finden, ist nicht leicht, aber es ist nicht unmöglich. Es ist unnütz, jetzt darüber Muth¬ maßungen anzustellen. Deutschland hat, so scheint uns, keine Ursache, eine Vergrößerung Piemonts durch irgend welche der kleinen italienischen Staaten zu scheuen, es hat keinen Grund, einen Bundesstaat, der die oberitalienischen Souveränetäten unter Piemonts Führung vereinigt, mit mißgünstigem Auge zu betrachten. Unsere Verhandlungen und unsere Waffen würden allerdings zunächst dahin zu zielen haben, Oestreich seinen Besitzstand zu erhalten, wenn dasselbe nicht die Kraft hat, ihn durch Waffengewalt zu behaupten. Und sollten die ernsthaften Bemühungen Preußens scheitern, als Führer Deutschlands einen guten Frieden zu erreichen; sollte das Siegesgefühl des Kaisers zu lebhaft, seine Ansprüche zu groß sein, dann, aber dann erst Krieg mit Frankreich. In Preußen tauscht man sich darüber nicht, daß ein solcher Krieg sür Preußen und Deutschland unendlich folgenschwerer sein könne, als der italienische Krieg für Oestreich. Man weiß, daß Frankreich unter dem gegenwärtigen Herrscher ein starker und gefährlicher Gegner ist. Aber wie groß auch die Verluste und Opfer Preußens bei einem solchen Kampfe seien, und wie schwer das Lehrgeld wiege, welches Preußens Heer, das länger als vierzig Jahre keinen großen Krieg geführt hat, zahlen müßte, die stille Ueber¬ zeugung ist in Preußen verbreitet, wenn die gegenwärtige Dynastie Frank¬ reichs durch äußere Feinde fällt, so fällt sie durch preußische Waffen und wenn ein fremdes Heer noch einmal in Paris einziehen sollte, so werden es preu¬ ßische Truppen sein, hart geprüft, zerrissen durch einen furchtbaren Kampf, aber Sieger. Das ist keine Prahlerei und Ueberschätzung der eignen Kraft, denn nirgend vielleicht wird das französische Heer so gut gewürdigt als in Preußen, und sehr gut kennt man in Berlin die zähe Energie des Kaisers und seine gewaltigen Hilfsmittel, man ist frei von jeder Verblendung, welche blinder Haß erzeugt. Aber Preußen hat einen Vorzug, der strategische Uebel¬ stände und die verhältnißmäßig geringere Einwohnerzahl mehr als ausgleicht, es ist bereit, bis zum letzten Mann mit seinem Kriegsherrn zu schlagen, und der Herrscher Preußens hat keine andere Politik als die Ehre seines Volkes. Nirgend, außer in England, ist der Patriotismus so loyal, und die Loyalität so patriotisch. Und diese innere Einigkeit und Opferfähigkeit ,se Preußens Stärke. Doch wie uneigennützig und sicher auch die Regierung von Berlin in die Action hereintritt, eines ist zu erwarten, Verdächtigungen, Mißgunst und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/478>, abgerufen am 22.12.2024.