Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.den Bund aufzunehmen, und die Wahrheit selbst, die man unreinen Augen Es versteht sich von selbst, daß bei Lykurg und Solon gleichfalls alles den Bund aufzunehmen, und die Wahrheit selbst, die man unreinen Augen Es versteht sich von selbst, daß bei Lykurg und Solon gleichfalls alles <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0474" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107521"/> <p xml:id="ID_1430" prev="#ID_1429"> den Bund aufzunehmen, und die Wahrheit selbst, die man unreinen Augen<lb/> entziehn wollte, mit einem geheimnißvollen Gewand zu umkleiden." Kurz wir<lb/> haben das vollständige Bild des Freimaurerordens, wie es damals von den<lb/> ersten Geistern unserer Nation als die nächste Stufe für die allgemeine Befrei¬<lb/> ung der Menschheit gefeiert wurde. Hier ging nun Moses mehre Jahre in<lb/> die Schule und lernte einmal den Begriff des wahren Gottes, sodann die<lb/> Mittel, seinen wahren Gott auf eine fabelhafte Art zu verkündigen. „Jetzt<lb/> prüft er seine Vernunftreligion und untersucht, was er ihr geben und nehmen<lb/> muh, um ihr eine günstige Aufnahme bei seinen Hebräern zu versichern. Er<lb/> steigt in ihre Lage, in ihre Beschränkung, in ihre Seele hinunter und späht<lb/> da die verborgenen Fäden aus, an die er seine Wahrheit anknüpfen könnte.<lb/> Er legt also seinem Gott diejenigen Eigenschaften bei, welche die Fassungskraft<lb/> der Hebräer und ihr jetziges Bedürfniß von ihm fordern." — „Wir wissen<lb/> jetzt z. B., daß es dem Schöpfer der Welt, wenn er sich je entschließen sollte,<lb/> einem Menschen im Feuer oder im Wind zu erscheinen, gleichgUtig sein könnte,<lb/> ob man barfuß oder nicht barfuß vor ihm erschiene. Moses legt aber seinem<lb/> Jehova in den Mund, daß er die Schuhe von den Füßen ziehn solle. Denn<lb/> er wußte sehr gut, daß er dem Begriff der göttlichen Heiligkeit bei seinen He¬<lb/> bräern durch ein sinnliches Zeichen zu Hilfe kommen müsse und ein solches Zei¬<lb/> chen hatte er aus den Einweihungscercmonien noch behalten." — Um ein euch'<lb/> tiger Prophet zu sein, mußte man seinen Plan recht sorgfältig ausdenken und<lb/> zu diesem Zweck war eine tüchtige Schule sehr wichtig. Bekanntlich machte<lb/> man damals auch Christus zu einem Schüler der Essä'er, einem Freimaurer¬<lb/> orden aus der Augusteischen Periode. Bei Marquis Posa, dem Vorgänger<lb/> von Moses, war Schiller dies Hilfsmittel noch nicht eingefallen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1431" next="#ID_1432"> Es versteht sich von selbst, daß bei Lykurg und Solon gleichfalls alles<lb/> aus genauer Berechnung hervorgeht; in dieser Beziehung hatten schon die<lb/> Griechen und Römer der spätern Construction der Geschichte vorgearbeitet.<lb/> Schiller verfehlt auch nicht vom Standpunkt der Moralität die beiden Gesetz¬<lb/> geber zu beurtheilen; Lykurg natürlich sehr streng: „die ganze Moralität wurde<lb/> Preis gegeben, um etwas zu erhalten, das doch nur als ein Mittel zu dieser<lb/> Moralität einen Werth haben kann." „Es war ein schülerhafter, unvollkom¬<lb/> mener Versuch, das erste Exercitium des jugendlichen Weltalters, dem es noch<lb/> an Erfahrung und hellen Einsichten fehlte, die wahren Verhältnisse der Dinge<lb/> zu erkennen. So fehlerhaft dieser erste Versuch ausgefallen ist, so wird und<lb/> muß er einem philosophischen Forscher der Menschengeschichte immer sehr<lb/> merkwürdig bleiben. Immer war es ein Riesenschritt des menschlichen Geistes,<lb/> dasjenige als ein Kunstwerk zu behandeln, was bis jetzt dem Zufall und der<lb/> Leidenschaft überlassen gewesen war." Aber auch an Solon findet er manches<lb/> zu tadeln, namentlich, daß er die Moralität gesetzlich zu reguliren suchte, da hier</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0474]
den Bund aufzunehmen, und die Wahrheit selbst, die man unreinen Augen
entziehn wollte, mit einem geheimnißvollen Gewand zu umkleiden." Kurz wir
haben das vollständige Bild des Freimaurerordens, wie es damals von den
ersten Geistern unserer Nation als die nächste Stufe für die allgemeine Befrei¬
ung der Menschheit gefeiert wurde. Hier ging nun Moses mehre Jahre in
die Schule und lernte einmal den Begriff des wahren Gottes, sodann die
Mittel, seinen wahren Gott auf eine fabelhafte Art zu verkündigen. „Jetzt
prüft er seine Vernunftreligion und untersucht, was er ihr geben und nehmen
muh, um ihr eine günstige Aufnahme bei seinen Hebräern zu versichern. Er
steigt in ihre Lage, in ihre Beschränkung, in ihre Seele hinunter und späht
da die verborgenen Fäden aus, an die er seine Wahrheit anknüpfen könnte.
Er legt also seinem Gott diejenigen Eigenschaften bei, welche die Fassungskraft
der Hebräer und ihr jetziges Bedürfniß von ihm fordern." — „Wir wissen
jetzt z. B., daß es dem Schöpfer der Welt, wenn er sich je entschließen sollte,
einem Menschen im Feuer oder im Wind zu erscheinen, gleichgUtig sein könnte,
ob man barfuß oder nicht barfuß vor ihm erschiene. Moses legt aber seinem
Jehova in den Mund, daß er die Schuhe von den Füßen ziehn solle. Denn
er wußte sehr gut, daß er dem Begriff der göttlichen Heiligkeit bei seinen He¬
bräern durch ein sinnliches Zeichen zu Hilfe kommen müsse und ein solches Zei¬
chen hatte er aus den Einweihungscercmonien noch behalten." — Um ein euch'
tiger Prophet zu sein, mußte man seinen Plan recht sorgfältig ausdenken und
zu diesem Zweck war eine tüchtige Schule sehr wichtig. Bekanntlich machte
man damals auch Christus zu einem Schüler der Essä'er, einem Freimaurer¬
orden aus der Augusteischen Periode. Bei Marquis Posa, dem Vorgänger
von Moses, war Schiller dies Hilfsmittel noch nicht eingefallen.
Es versteht sich von selbst, daß bei Lykurg und Solon gleichfalls alles
aus genauer Berechnung hervorgeht; in dieser Beziehung hatten schon die
Griechen und Römer der spätern Construction der Geschichte vorgearbeitet.
Schiller verfehlt auch nicht vom Standpunkt der Moralität die beiden Gesetz¬
geber zu beurtheilen; Lykurg natürlich sehr streng: „die ganze Moralität wurde
Preis gegeben, um etwas zu erhalten, das doch nur als ein Mittel zu dieser
Moralität einen Werth haben kann." „Es war ein schülerhafter, unvollkom¬
mener Versuch, das erste Exercitium des jugendlichen Weltalters, dem es noch
an Erfahrung und hellen Einsichten fehlte, die wahren Verhältnisse der Dinge
zu erkennen. So fehlerhaft dieser erste Versuch ausgefallen ist, so wird und
muß er einem philosophischen Forscher der Menschengeschichte immer sehr
merkwürdig bleiben. Immer war es ein Riesenschritt des menschlichen Geistes,
dasjenige als ein Kunstwerk zu behandeln, was bis jetzt dem Zufall und der
Leidenschaft überlassen gewesen war." Aber auch an Solon findet er manches
zu tadeln, namentlich, daß er die Moralität gesetzlich zu reguliren suchte, da hier
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