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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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ihrer eignen Seele, und so gelingt es ihnen um so weniger, ein anschauliches
und feststehendes Bild zu entwerfen, da sie nicht auf die ersten Quellen zurück-
gehn, sondern von den früheren Bearbeitern abhängig sind, so tief die¬
selben auch an Bildung unter ihnen stehen. Möser weiß sehr genau, was
Eigenthum und Verkehr, was Handel und Abhängigkeit heißt, er weiß es,
weil er eine detaillirte Anschauung davon hat. Bei Schiller sind nur zwei
Positive Interessen vorhanden: das moralische und das psychologische. Das
erste begeistert ihn für Freiheit und für Treue, für schlichte Redlichkeit und
für entschlossenen Jesuitismus der Tugend, je nach der augenblicklichen Stim¬
mung; das andere eröffnet dem gebornen Dramatiker zuweilen sehr tiefe und
überraschend wahre Blicke, verführt ihn aber in den meisten Fällen, Plan und
Berechnung zu suchen, wo dem aufmerksamem Beobachter die zwingende Macht
der positiven Zustände entgegengetreten wäre. Aeußerst wunderlich ist gleich
die "Darstellung der ersten Menschengesellschaft nach dem Leitfaden der Mosai¬
schen Munde." Es klingen zwar einzelne Worte der Bibel heraus, aber
im Uebrigen überläßt sich der Dichter ganz frei seiner Phantasie. Hier ist
Herder unendlich im Vortheil, weil er der Naturwissenschaft näher stand; auch
seine Sprache ist wohlthuender, er schreibt aus der Fülle eines harmonisch
gebildeten Gemüths heraus, während man bei Schiller wahrnimmt, daß er
sich in jedem Augenblick neu anregen und erhitzen muß.

Bedeutender, wenn auch im Wesen verfehlt, sind die Aufsätze über Mo¬
ses, Lykurg und Solon. Weil Schiller nie einen praktischen Begriff von
Rechtsbeziehungen, von kirchlichem Leben und was damit zusammenhängt ge¬
habt hat, geht er überall von dem Grundgedanken aus, daß der große Mann
seine Zeit mit Plan und Absicht hervorbringt und er selber als Vertreter der
neuesten und höchsten Bildung stellt ihm ein.Zeugniß aus, wie weit der Plan
Philosophisch zu billigen war. Im Ganzen war das freilich die Stimmung
der Zelt, die sich ja bemühte, durch Gesetzgebung nach philosophischen Grün¬
den die Menschheit neu zu constituiren; aber vergleicht man z. B. die betref¬
fenden Abschnitte bei I. v. Müller, so leuchtet doch der außerordentliche Ge¬
winn ein, der aus dem unmittelbaren Studium der Quellen entspringt. --
Bei Moses folgt Schiller einer frühern Schrift über die ältesten hebräischen
Mysterien von Decius. Er kritisirt die schlechte Politik der Aegypter und
rnvralisirt über die Gewaltthätigkeit der Negierung gegen die verachteten He¬
bräer; dann aber rühmt er die religiöse Cultur in dem Geheimdienst der ägyp¬
tischen Priester : sie Hütten bereits den Begriff des einzigen höchsten Verstandes
entdeckt, sich aber noch gescheut, denselben der Menge Preis zu geben. "Man
fand für besser, die neue gefährliche Wahrheit zum ausschließenden Eigenthum
nner kleinen geschlossenen Gesellschaft zu machen, diejenigen, welche das
gehörige Maß von Fassungskraft zeigten, aus der Menge hervorzuziehn und in


ihrer eignen Seele, und so gelingt es ihnen um so weniger, ein anschauliches
und feststehendes Bild zu entwerfen, da sie nicht auf die ersten Quellen zurück-
gehn, sondern von den früheren Bearbeitern abhängig sind, so tief die¬
selben auch an Bildung unter ihnen stehen. Möser weiß sehr genau, was
Eigenthum und Verkehr, was Handel und Abhängigkeit heißt, er weiß es,
weil er eine detaillirte Anschauung davon hat. Bei Schiller sind nur zwei
Positive Interessen vorhanden: das moralische und das psychologische. Das
erste begeistert ihn für Freiheit und für Treue, für schlichte Redlichkeit und
für entschlossenen Jesuitismus der Tugend, je nach der augenblicklichen Stim¬
mung; das andere eröffnet dem gebornen Dramatiker zuweilen sehr tiefe und
überraschend wahre Blicke, verführt ihn aber in den meisten Fällen, Plan und
Berechnung zu suchen, wo dem aufmerksamem Beobachter die zwingende Macht
der positiven Zustände entgegengetreten wäre. Aeußerst wunderlich ist gleich
die „Darstellung der ersten Menschengesellschaft nach dem Leitfaden der Mosai¬
schen Munde." Es klingen zwar einzelne Worte der Bibel heraus, aber
im Uebrigen überläßt sich der Dichter ganz frei seiner Phantasie. Hier ist
Herder unendlich im Vortheil, weil er der Naturwissenschaft näher stand; auch
seine Sprache ist wohlthuender, er schreibt aus der Fülle eines harmonisch
gebildeten Gemüths heraus, während man bei Schiller wahrnimmt, daß er
sich in jedem Augenblick neu anregen und erhitzen muß.

Bedeutender, wenn auch im Wesen verfehlt, sind die Aufsätze über Mo¬
ses, Lykurg und Solon. Weil Schiller nie einen praktischen Begriff von
Rechtsbeziehungen, von kirchlichem Leben und was damit zusammenhängt ge¬
habt hat, geht er überall von dem Grundgedanken aus, daß der große Mann
seine Zeit mit Plan und Absicht hervorbringt und er selber als Vertreter der
neuesten und höchsten Bildung stellt ihm ein.Zeugniß aus, wie weit der Plan
Philosophisch zu billigen war. Im Ganzen war das freilich die Stimmung
der Zelt, die sich ja bemühte, durch Gesetzgebung nach philosophischen Grün¬
den die Menschheit neu zu constituiren; aber vergleicht man z. B. die betref¬
fenden Abschnitte bei I. v. Müller, so leuchtet doch der außerordentliche Ge¬
winn ein, der aus dem unmittelbaren Studium der Quellen entspringt. —
Bei Moses folgt Schiller einer frühern Schrift über die ältesten hebräischen
Mysterien von Decius. Er kritisirt die schlechte Politik der Aegypter und
rnvralisirt über die Gewaltthätigkeit der Negierung gegen die verachteten He¬
bräer; dann aber rühmt er die religiöse Cultur in dem Geheimdienst der ägyp¬
tischen Priester : sie Hütten bereits den Begriff des einzigen höchsten Verstandes
entdeckt, sich aber noch gescheut, denselben der Menge Preis zu geben. „Man
fand für besser, die neue gefährliche Wahrheit zum ausschließenden Eigenthum
nner kleinen geschlossenen Gesellschaft zu machen, diejenigen, welche das
gehörige Maß von Fassungskraft zeigten, aus der Menge hervorzuziehn und in


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/473>, abgerufen am 22.12.2024.