Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.welcher Verhandlungen und eine Verständigung möglich waren. Die italie¬ Auf solcher Linie schritt Preußen vor. So weit die Verhandlungen der welcher Verhandlungen und eine Verständigung möglich waren. Die italie¬ Auf solcher Linie schritt Preußen vor. So weit die Verhandlungen der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0412" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107459"/> <p xml:id="ID_1223" prev="#ID_1222"> welcher Verhandlungen und eine Verständigung möglich waren. Die italie¬<lb/> nischen Besitzungen Oestreichs dursten nicht in Frage gestellt werden und die<lb/> vermittelnden Machte hatten sich gegen das Bestreben des Kaisers zu verwahren,<lb/> jedes ihm mißfällige Verhältniß eines europäischen Staates zum andern sofort<lb/> vor das hohe Gericht der Großmächte zu tragen, und eine Kriegsfrage dar¬<lb/> aus zu machen. Während so die eine Aufgabe war, Frankreich zurückzuhalten,<lb/> war andrerseits die italienische Frage allerdings von so dringender und be¬<lb/> drohlicher Art, daß sich die europäischen Großmächte, wenn sie einmal angeregt<lb/> war, ihrer Behandlung nicht verschließen konnten. Durch die Verträge, welche<lb/> Oestreich nach 1815 mit dem Papst und den Souveränen Mittelitaliens ab¬<lb/> geschlossen hatte, theils zu eventueller Hilfe, theils zu fortdauernder Besetzung<lb/> ihres Territoriums, hatte dasselbe allmülig eine Herrschaft in Italien erlangt,<lb/> welche ein Motiv zu fortwährender Mißregierung in den italienischen Staaten,<lb/> eine nie versiegende Quelle nationaler Unzufriedenheit und demokratischer Auf¬<lb/> stände geworden war, und welche allerdings das Machtverhältniß der euro¬<lb/> päischen Staaten zu verändern drohte. In Preußen mußte dabei die Betrach¬<lb/> tung maßgebend sein, daß bei den Bundesverpflichtungen Deutschlands gegen<lb/> Oestreich der Friedenszustand Deutschlands durch das Umsichgreifen der Oest¬<lb/> reicher in Italien ernstlich bedroht wird, zumal da man eine gänzliche Unter¬<lb/> werfung Italiens unter Oestreichs Scepter für unmöglich und im letzten Grund<lb/> weder für Deutschland noch für Preußen vortheilhaft hielt. Nun hatten die<lb/> europäischen Großmächte seit einer Reihe von Jahren stillschweigend die Zu¬<lb/> stände Italiens angesehen, gelegentliche Protestationen Englands bis zu dem<lb/> letzten Abbruch der diplomatischen Beziehungen in Neapel waren erfolglos ge¬<lb/> blieben. Es durfte den Großmächten aber wol das Recht zustehen, aus Rück¬<lb/> sicht auf die europäische Ruhe und das Gleichgewicht der Mächte über die<lb/> Zustände Italiens zu berathen, namentlich über Beschaffenheit und Dauer der<lb/> östreichischen Verträge mit diesem Staat in Verhandlung zu treten. Deshalb<lb/> war es Oestreich gegenüber die Aufgabe der vermittelnden Mächte, zunächst<lb/> Preußens, zu erinnern, daß Oestreich weise handeln werde, sich einer Reguli-<lb/> rung der innern italienischen Verhältnisse unter billigen Bedingungen, auf<lb/> Grundlage des wiener und pariser Friedens nicht zu widersetzen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1224" next="#ID_1225"> Auf solcher Linie schritt Preußen vor. So weit die Verhandlungen der<lb/> Vermittlenden Mächte bekannt geworden sind, hat das berliner Cabinet mit<lb/> Haltung und Würde in dieser Richtung seine Pflicht gethan. Und wer in<lb/> diesem Stadium der Verwicklung etwas Anderes von ihm erwartete, erfreut<lb/> sich einer anspruchsvollen Unkenntnis) der Pflichten und Rechte, durch welche<lb/> die europäische Staatenfamilie untereinander verbunden ist, und der Formen,<lb/> in welchen sich Forderungen der Regierungen geltend machen. In den klei¬<lb/> neren Staaten, namentlich in Süddeutschland, schwoll der Kriegseifer sehr schnell</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0412]
welcher Verhandlungen und eine Verständigung möglich waren. Die italie¬
nischen Besitzungen Oestreichs dursten nicht in Frage gestellt werden und die
vermittelnden Machte hatten sich gegen das Bestreben des Kaisers zu verwahren,
jedes ihm mißfällige Verhältniß eines europäischen Staates zum andern sofort
vor das hohe Gericht der Großmächte zu tragen, und eine Kriegsfrage dar¬
aus zu machen. Während so die eine Aufgabe war, Frankreich zurückzuhalten,
war andrerseits die italienische Frage allerdings von so dringender und be¬
drohlicher Art, daß sich die europäischen Großmächte, wenn sie einmal angeregt
war, ihrer Behandlung nicht verschließen konnten. Durch die Verträge, welche
Oestreich nach 1815 mit dem Papst und den Souveränen Mittelitaliens ab¬
geschlossen hatte, theils zu eventueller Hilfe, theils zu fortdauernder Besetzung
ihres Territoriums, hatte dasselbe allmülig eine Herrschaft in Italien erlangt,
welche ein Motiv zu fortwährender Mißregierung in den italienischen Staaten,
eine nie versiegende Quelle nationaler Unzufriedenheit und demokratischer Auf¬
stände geworden war, und welche allerdings das Machtverhältniß der euro¬
päischen Staaten zu verändern drohte. In Preußen mußte dabei die Betrach¬
tung maßgebend sein, daß bei den Bundesverpflichtungen Deutschlands gegen
Oestreich der Friedenszustand Deutschlands durch das Umsichgreifen der Oest¬
reicher in Italien ernstlich bedroht wird, zumal da man eine gänzliche Unter¬
werfung Italiens unter Oestreichs Scepter für unmöglich und im letzten Grund
weder für Deutschland noch für Preußen vortheilhaft hielt. Nun hatten die
europäischen Großmächte seit einer Reihe von Jahren stillschweigend die Zu¬
stände Italiens angesehen, gelegentliche Protestationen Englands bis zu dem
letzten Abbruch der diplomatischen Beziehungen in Neapel waren erfolglos ge¬
blieben. Es durfte den Großmächten aber wol das Recht zustehen, aus Rück¬
sicht auf die europäische Ruhe und das Gleichgewicht der Mächte über die
Zustände Italiens zu berathen, namentlich über Beschaffenheit und Dauer der
östreichischen Verträge mit diesem Staat in Verhandlung zu treten. Deshalb
war es Oestreich gegenüber die Aufgabe der vermittelnden Mächte, zunächst
Preußens, zu erinnern, daß Oestreich weise handeln werde, sich einer Reguli-
rung der innern italienischen Verhältnisse unter billigen Bedingungen, auf
Grundlage des wiener und pariser Friedens nicht zu widersetzen.
Auf solcher Linie schritt Preußen vor. So weit die Verhandlungen der
Vermittlenden Mächte bekannt geworden sind, hat das berliner Cabinet mit
Haltung und Würde in dieser Richtung seine Pflicht gethan. Und wer in
diesem Stadium der Verwicklung etwas Anderes von ihm erwartete, erfreut
sich einer anspruchsvollen Unkenntnis) der Pflichten und Rechte, durch welche
die europäische Staatenfamilie untereinander verbunden ist, und der Formen,
in welchen sich Forderungen der Regierungen geltend machen. In den klei¬
neren Staaten, namentlich in Süddeutschland, schwoll der Kriegseifer sehr schnell
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