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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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denken . . . nahe dem Ziel errungener Vollendung . . . und ihren Einsturz
überschauen, so wird es Ihnen natürlicher scheinen, daß er den Menschen zer¬
schmettern mußte, der treu bis zur letzten Minute am hohen schwankenden
Bau arbeitete. Ich bin der Mensch!"

"Wir haben uns auch ein Bischen getäuscht in der Karoline," schreibt
12. Aug. Frau Herder an Knebel; "ihren Stolz zu nähren, möchte sie lieber
das Band knüpfen und Richter und sich unglücklich machen. Es ist nichts
Fürchterlicheres als der Eigensinn der Weiber!" -- Herder lies; sich seinen Brief
wiederschicken und stellte der armen Karoline ihr Wachsbild zur Verfügung.
..Karoline," schreibt unmittelbar darauf Jean Paul an Frau Herder, "von der
ich mich zwar für die Welt geschieden, deren edle Seele aber mit mir in der
alten innern Verbindung der Briefe zusammenleben will, sagt und erlaubt
mir, ihr Wachsbild von Ihnen zu erbitten und es ewig zu behalten." ,.Da
ich einmal im Trauerzimmer bin, so will ich Ihnen auch gar den Schmerz
bekennen, der mir Weimar so verödet. O womit hab ich es verdient, daß
Ihr Herder sein großes Herz von mir abwenden will? Ich bin unschuldig;
aber meines wird ewig, ewig an ihm hängen."*)

Otto schreibt 18. Aug.: "Nehme ich dich, wie du dich genommen, und
wie du dich in die Rolle des Schicksals neben Karoline gestellt hast, so ist es
ein Gedanke, den dir Gott eingegeben hat, daß du frei bleiben und eben
deswegen allein leben und die Ansprüche des Geschlechts in jeder Rücksicht
unter dir unbefriedigt vorübergehen lassen mußt. Bleibe frei mit dem Vor¬
satz es nicht zu bleiben, und jenes wird dir immer leichter werden, je schwerer
es dir werden wird, dich auf länger als einige Wochen oder Monate zu be¬
friedigen." "Daß ihr nicht glücklich miteinander gewesen wäret, ist wahr;
aber daß die gute unglückliche Karoline es allein trägt, daß sie, die durch
einen ihrer werthen Mann ihres Standes hätte beglückt werden können, allein
bleiben wird, das ist beinahe zu schmerzlich für mich." "Ich sagte es dir
und dachte es vor mehrern Jahren, daß die Ehe nichts für dich ist, jetzt zeigt
es sich immer mehr; es gehört nichts für dich als ein ewiges junggcselliges
Jünglingsleben, das das Ziel der Ehe vor sich hat und, immer unerreicht,
es doch nicht ausgibt, sondern behält."

"Es gibt," antwortet Jean Paul 25. Aug., "einen tugendhaften Egoismus
(z. B. Karoline), und so einen Stolz, wogegen sich alle meine Fibern giftig
rüsten und wehren. Einen andern Egoismus und Eitelkeit ertrag ich viel
lieber." "Es ist freilich komisch, daß meine Treppe zur Ehe. nach dir, un-



"Herders Parteilichkeit gegen mich, schreibt er 21, Aug. an Otto, in diesem Fall ist
sehr groß und natürlich. Mein öffentliches Lobpreisen des durchaus gemißhandelten Jacobi
. . , verdeckt ihm seinen wärmsten Freund, den er und sie für zu stolz und nun bald kleiner
Maculaturangriffc würdig halten werden."

denken . . . nahe dem Ziel errungener Vollendung . . . und ihren Einsturz
überschauen, so wird es Ihnen natürlicher scheinen, daß er den Menschen zer¬
schmettern mußte, der treu bis zur letzten Minute am hohen schwankenden
Bau arbeitete. Ich bin der Mensch!"

„Wir haben uns auch ein Bischen getäuscht in der Karoline," schreibt
12. Aug. Frau Herder an Knebel; „ihren Stolz zu nähren, möchte sie lieber
das Band knüpfen und Richter und sich unglücklich machen. Es ist nichts
Fürchterlicheres als der Eigensinn der Weiber!" — Herder lies; sich seinen Brief
wiederschicken und stellte der armen Karoline ihr Wachsbild zur Verfügung.
..Karoline," schreibt unmittelbar darauf Jean Paul an Frau Herder, „von der
ich mich zwar für die Welt geschieden, deren edle Seele aber mit mir in der
alten innern Verbindung der Briefe zusammenleben will, sagt und erlaubt
mir, ihr Wachsbild von Ihnen zu erbitten und es ewig zu behalten." ,.Da
ich einmal im Trauerzimmer bin, so will ich Ihnen auch gar den Schmerz
bekennen, der mir Weimar so verödet. O womit hab ich es verdient, daß
Ihr Herder sein großes Herz von mir abwenden will? Ich bin unschuldig;
aber meines wird ewig, ewig an ihm hängen."*)

Otto schreibt 18. Aug.: „Nehme ich dich, wie du dich genommen, und
wie du dich in die Rolle des Schicksals neben Karoline gestellt hast, so ist es
ein Gedanke, den dir Gott eingegeben hat, daß du frei bleiben und eben
deswegen allein leben und die Ansprüche des Geschlechts in jeder Rücksicht
unter dir unbefriedigt vorübergehen lassen mußt. Bleibe frei mit dem Vor¬
satz es nicht zu bleiben, und jenes wird dir immer leichter werden, je schwerer
es dir werden wird, dich auf länger als einige Wochen oder Monate zu be¬
friedigen." „Daß ihr nicht glücklich miteinander gewesen wäret, ist wahr;
aber daß die gute unglückliche Karoline es allein trägt, daß sie, die durch
einen ihrer werthen Mann ihres Standes hätte beglückt werden können, allein
bleiben wird, das ist beinahe zu schmerzlich für mich." „Ich sagte es dir
und dachte es vor mehrern Jahren, daß die Ehe nichts für dich ist, jetzt zeigt
es sich immer mehr; es gehört nichts für dich als ein ewiges junggcselliges
Jünglingsleben, das das Ziel der Ehe vor sich hat und, immer unerreicht,
es doch nicht ausgibt, sondern behält."

„Es gibt," antwortet Jean Paul 25. Aug., „einen tugendhaften Egoismus
(z. B. Karoline), und so einen Stolz, wogegen sich alle meine Fibern giftig
rüsten und wehren. Einen andern Egoismus und Eitelkeit ertrag ich viel
lieber." „Es ist freilich komisch, daß meine Treppe zur Ehe. nach dir, un-



„Herders Parteilichkeit gegen mich, schreibt er 21, Aug. an Otto, in diesem Fall ist
sehr groß und natürlich. Mein öffentliches Lobpreisen des durchaus gemißhandelten Jacobi
. . , verdeckt ihm seinen wärmsten Freund, den er und sie für zu stolz und nun bald kleiner
Maculaturangriffc würdig halten werden."
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/388>, abgerufen am 22.12.2024.