Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.ließ, liefen auf Revision der Separcitverträge hinaus, durch welche Oestreich Es ist demnach nicht ganz genau, wenn man den Kaiser von Frankreich Es war ein tapfrer Entschluß, wenn derjenige tapfer genannt werden ließ, liefen auf Revision der Separcitverträge hinaus, durch welche Oestreich Es ist demnach nicht ganz genau, wenn man den Kaiser von Frankreich Es war ein tapfrer Entschluß, wenn derjenige tapfer genannt werden <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0378" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107425"/> <p xml:id="ID_1121" prev="#ID_1120"> ließ, liefen auf Revision der Separcitverträge hinaus, durch welche Oestreich<lb/> die indirecte Herrschaft über Italien stillschweigend erworben hat, und auf Be¬<lb/> rathungen über die Mittel, durch welche Italiens politische Lage gebessert<lb/> werden könne; der Beistimmung Rußlands sicher, hatte er in den Vorverhand¬<lb/> lungen darüber ebenso die vorläufige Beistimmung Englands und Preußens<lb/> gewonnen. So zog er das Netz über Oestreich zusammen. Für ihn war der<lb/> Erfolg-, eine interessante politische Action für die Franzosen, er selbst Beschirmer<lb/> der Italiener, gerächt an Oestreich, wenn das wiener Cabinet sich der Ma¬<lb/> jorität des Congresses fügte, und mit der Aussicht auf einen vortheilhaften<lb/> Kampf, wenn Oestreich gegen die feierlichen Erklärungen und Beschlüsse Euro¬<lb/> pas seine Politik in Italien behaupten wollte. So günstig stand für ihn<lb/> das Spiel, als das schnelle Vorgehen Oestreichs die diplomatischen Gefahren,<lb/> von denen dieser Staat umringt war, auf einige Zeit beseitigte und die nicht<lb/> weniger drohenden des Waffenkampfes heraufbeschwor. Die Sommation<lb/> Oestreichs überraschte den Kaiser; sein Heer war keineswegs schlagfertig, die<lb/> Rüstungen waren bis in die letzten Wochen laut von seinen Journalisten aus¬<lb/> gerufen worden, ein Zeichen, daß es ihm dabei vorzugsweise darauf ange¬<lb/> kommen war, durch den Ernst seiner Forderung einen Druck auf das übrige<lb/> Europa auszuüben und den Congreß zu Stande zu bringen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1122"> Es ist demnach nicht ganz genau, wenn man den Kaiser von Frankreich<lb/> beschuldigt, den Krieg gewollt zu haben. Er wollte eine Demüthigung Oest¬<lb/> reichs, nöthigenfalls nach einer diplomatischen eine Niederlage dieses Staates auf<lb/> dem Schlachtfeld, aber dann in seiner Lieblingsrolle als Feldherr einer europäi¬<lb/> schen Koalition; den Kampf so, wie er jetzt entbrannt ist, hat er sicher nicht<lb/> gewünscht; ihn hat allerdings der schnelle Schritt des Kaisers von Oestreich<lb/> entzündet, dessen fürstliches Selbstgefühl sich gegen all das langweilige Ver¬<lb/> handeln, die guten Rathschlüge und das Drängen eines abenteuerlichen Em¬<lb/> porkömmlings ritterlich empörte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1123" next="#ID_1124"> Es war ein tapfrer Entschluß, wenn derjenige tapfer genannt werden<lb/> darf, der, eine große Gefahr zu vermeiden, die größere auf sein Haupt be¬<lb/> schwört, aber ob es weise gehandelt war, darf sehr bezweifelt werden. Denn<lb/> es ist ein Irrthum, zu glauben, daß der Kampf auf dem Schlachtfeld die<lb/> höchste und letzte Instanz sei. um in Europa internationale Fragen zu entscheiden.<lb/> Bei politischen Fragen von europäischem Interesse entscheidet in letzter Instanz die<lb/> Intelligenz, das Gefühl für Billigkeit und die Erkenntniß des Zweckmäßiger,<lb/> d. h. die allgemeine Einsicht, welche durch die Nationen producirt, durch die<lb/> Cabinete der gesammten Culturstaaten geltend gemacht wird. Wie sehr die<lb/> Interessen der einzelnen Staaten sich kreuzen und auf Zeiten das Urtheil der<lb/> Cabinete von dem Verständigen ableiten mögen, der logische Zwang der<lb/> Verhältnisse macht sich immer wieder geltend, um so stärker, je weiter Bil-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0378]
ließ, liefen auf Revision der Separcitverträge hinaus, durch welche Oestreich
die indirecte Herrschaft über Italien stillschweigend erworben hat, und auf Be¬
rathungen über die Mittel, durch welche Italiens politische Lage gebessert
werden könne; der Beistimmung Rußlands sicher, hatte er in den Vorverhand¬
lungen darüber ebenso die vorläufige Beistimmung Englands und Preußens
gewonnen. So zog er das Netz über Oestreich zusammen. Für ihn war der
Erfolg-, eine interessante politische Action für die Franzosen, er selbst Beschirmer
der Italiener, gerächt an Oestreich, wenn das wiener Cabinet sich der Ma¬
jorität des Congresses fügte, und mit der Aussicht auf einen vortheilhaften
Kampf, wenn Oestreich gegen die feierlichen Erklärungen und Beschlüsse Euro¬
pas seine Politik in Italien behaupten wollte. So günstig stand für ihn
das Spiel, als das schnelle Vorgehen Oestreichs die diplomatischen Gefahren,
von denen dieser Staat umringt war, auf einige Zeit beseitigte und die nicht
weniger drohenden des Waffenkampfes heraufbeschwor. Die Sommation
Oestreichs überraschte den Kaiser; sein Heer war keineswegs schlagfertig, die
Rüstungen waren bis in die letzten Wochen laut von seinen Journalisten aus¬
gerufen worden, ein Zeichen, daß es ihm dabei vorzugsweise darauf ange¬
kommen war, durch den Ernst seiner Forderung einen Druck auf das übrige
Europa auszuüben und den Congreß zu Stande zu bringen.
Es ist demnach nicht ganz genau, wenn man den Kaiser von Frankreich
beschuldigt, den Krieg gewollt zu haben. Er wollte eine Demüthigung Oest¬
reichs, nöthigenfalls nach einer diplomatischen eine Niederlage dieses Staates auf
dem Schlachtfeld, aber dann in seiner Lieblingsrolle als Feldherr einer europäi¬
schen Koalition; den Kampf so, wie er jetzt entbrannt ist, hat er sicher nicht
gewünscht; ihn hat allerdings der schnelle Schritt des Kaisers von Oestreich
entzündet, dessen fürstliches Selbstgefühl sich gegen all das langweilige Ver¬
handeln, die guten Rathschlüge und das Drängen eines abenteuerlichen Em¬
porkömmlings ritterlich empörte.
Es war ein tapfrer Entschluß, wenn derjenige tapfer genannt werden
darf, der, eine große Gefahr zu vermeiden, die größere auf sein Haupt be¬
schwört, aber ob es weise gehandelt war, darf sehr bezweifelt werden. Denn
es ist ein Irrthum, zu glauben, daß der Kampf auf dem Schlachtfeld die
höchste und letzte Instanz sei. um in Europa internationale Fragen zu entscheiden.
Bei politischen Fragen von europäischem Interesse entscheidet in letzter Instanz die
Intelligenz, das Gefühl für Billigkeit und die Erkenntniß des Zweckmäßiger,
d. h. die allgemeine Einsicht, welche durch die Nationen producirt, durch die
Cabinete der gesammten Culturstaaten geltend gemacht wird. Wie sehr die
Interessen der einzelnen Staaten sich kreuzen und auf Zeiten das Urtheil der
Cabinete von dem Verständigen ableiten mögen, der logische Zwang der
Verhältnisse macht sich immer wieder geltend, um so stärker, je weiter Bil-
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