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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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Vollendung der Emancipation der Leibeigenen zurückgestellt werden, deren Vor¬
berathung durch die Gouvernementscomit6s bekanntermaßen noch bis heute
nicht abgeschlossen ist.

Darut soll durchaus nicht etwa gesagt sein, daß die Verbesserungen und
Umgestaltungen in der taktischen Zusammensetzung der einzelnen Armeethcile,
in der Aufstellung der Reserve- und Ersatzformationen, in der Uniformirung
und Bewaffnung u. s. w., welche der orientalische Krieg als so dringend noth¬
wendig herausgestellt hatte, auch heute noch wie unter früheren Regierungen
so oft. wenn ähnliche Veränderungen als durchgeführt verkündet wurden, etwa
blos auf dem Papier ständen oder höchstens in Aussicht genommen seien. Im
Gegentheil, es ist in allen diesen Beziehungen bereits sehr viel wirklich
geschehen. Aber es konnte bis jetzt, der Natur der Sache nach, blos noch in
einzelnen Partien und Abtheilungen des Heerkörpers zur Durchführung gelangen,
während in andern der Uebergang in die neuen Verhältnisse soeben erst stattfin¬
det, in noch anderen die früheren Zustände unangetastet fortbestehen. Ohne
daß man daraus etwa die zu weit gehende Folgerung ziehen dürste, das rus¬
sische Heer befinde sich gegenwärtig in einem Zustande neugestaltender Lockerung,
kann doch auf der anderen Seite nicht außer Acht gelassen werden, daß eben
diese unvollendeten Reorganisationen in dessen einzelnen Abtheilungen eine
Ungleichartigkeit hervorgebracht haben, welche für seine Handhabung zu opera¬
tiven Zwecken keineswegs als Vortheil betrachtet werden kann. Die reorgani-
süten Abtheilungen sind in die Neugestaltungen der Verhältnisse noch nicht
eingewöhnt, die in der Umgestaltung begriffenen sind für den Kriegszweck nicht
sofort verwendbar, diejenigen, bei welchen die Reserven noch nicht begonnen,
werden bei ihrer Verwendung mit den reorganisirten nicht so eingreifend wir¬
ken können, als es bei der früheren, wenn auch in vielen Einzelheiten mangel¬
haften Gleichartigkeit der Verhältnisse, Zustünde und Formationen thunlich war.
Dagegen brachte sogleich die Ueberführung der Armee aus der Kriegsforma¬
tion in die des Friedens in die Zusammensetzung der größeren und kleineren
Truppenkörper manche sehr wesentliche Veränderungen und Verbesserungen.
Daß der Staat -- dem Gnadenmanifest zufolge -- für mehrere Jahre (bis
Mit 1859) die regelmäßigen Rekrutirungen suspendirte, gewährte in Bezug aus
die Veränderungen in den einzelnen Truppenkörpern den großen Vortheil, daß
Man dieselben mit lauter gedienten Leuten durchführte und sich darin nicht
jährlich von neuem durch Einübung vollkommen roher Mannschaften im
Waffendienste unterbrechen mußte. Denn auch die durch Verabschiedung u. s. w.
entstehenden Lücken wurden nicht durch ganz ungeübte Leute, sondern durch die
Einberufung der nach dem Frieden entlassenen Urlauber ausgefüllt. Dies
^scheint um so wichtiger, als die Reformen sich nicht blos auf neue Einthci-
Mngen und Zusammenstellungen der Truppenkörper beziehen, sondern vornäm-


Vollendung der Emancipation der Leibeigenen zurückgestellt werden, deren Vor¬
berathung durch die Gouvernementscomit6s bekanntermaßen noch bis heute
nicht abgeschlossen ist.

Darut soll durchaus nicht etwa gesagt sein, daß die Verbesserungen und
Umgestaltungen in der taktischen Zusammensetzung der einzelnen Armeethcile,
in der Aufstellung der Reserve- und Ersatzformationen, in der Uniformirung
und Bewaffnung u. s. w., welche der orientalische Krieg als so dringend noth¬
wendig herausgestellt hatte, auch heute noch wie unter früheren Regierungen
so oft. wenn ähnliche Veränderungen als durchgeführt verkündet wurden, etwa
blos auf dem Papier ständen oder höchstens in Aussicht genommen seien. Im
Gegentheil, es ist in allen diesen Beziehungen bereits sehr viel wirklich
geschehen. Aber es konnte bis jetzt, der Natur der Sache nach, blos noch in
einzelnen Partien und Abtheilungen des Heerkörpers zur Durchführung gelangen,
während in andern der Uebergang in die neuen Verhältnisse soeben erst stattfin¬
det, in noch anderen die früheren Zustände unangetastet fortbestehen. Ohne
daß man daraus etwa die zu weit gehende Folgerung ziehen dürste, das rus¬
sische Heer befinde sich gegenwärtig in einem Zustande neugestaltender Lockerung,
kann doch auf der anderen Seite nicht außer Acht gelassen werden, daß eben
diese unvollendeten Reorganisationen in dessen einzelnen Abtheilungen eine
Ungleichartigkeit hervorgebracht haben, welche für seine Handhabung zu opera¬
tiven Zwecken keineswegs als Vortheil betrachtet werden kann. Die reorgani-
süten Abtheilungen sind in die Neugestaltungen der Verhältnisse noch nicht
eingewöhnt, die in der Umgestaltung begriffenen sind für den Kriegszweck nicht
sofort verwendbar, diejenigen, bei welchen die Reserven noch nicht begonnen,
werden bei ihrer Verwendung mit den reorganisirten nicht so eingreifend wir¬
ken können, als es bei der früheren, wenn auch in vielen Einzelheiten mangel¬
haften Gleichartigkeit der Verhältnisse, Zustünde und Formationen thunlich war.
Dagegen brachte sogleich die Ueberführung der Armee aus der Kriegsforma¬
tion in die des Friedens in die Zusammensetzung der größeren und kleineren
Truppenkörper manche sehr wesentliche Veränderungen und Verbesserungen.
Daß der Staat — dem Gnadenmanifest zufolge — für mehrere Jahre (bis
Mit 1859) die regelmäßigen Rekrutirungen suspendirte, gewährte in Bezug aus
die Veränderungen in den einzelnen Truppenkörpern den großen Vortheil, daß
Man dieselben mit lauter gedienten Leuten durchführte und sich darin nicht
jährlich von neuem durch Einübung vollkommen roher Mannschaften im
Waffendienste unterbrechen mußte. Denn auch die durch Verabschiedung u. s. w.
entstehenden Lücken wurden nicht durch ganz ungeübte Leute, sondern durch die
Einberufung der nach dem Frieden entlassenen Urlauber ausgefüllt. Dies
^scheint um so wichtiger, als die Reformen sich nicht blos auf neue Einthci-
Mngen und Zusammenstellungen der Truppenkörper beziehen, sondern vornäm-


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[0351] Vollendung der Emancipation der Leibeigenen zurückgestellt werden, deren Vor¬ berathung durch die Gouvernementscomit6s bekanntermaßen noch bis heute nicht abgeschlossen ist. Darut soll durchaus nicht etwa gesagt sein, daß die Verbesserungen und Umgestaltungen in der taktischen Zusammensetzung der einzelnen Armeethcile, in der Aufstellung der Reserve- und Ersatzformationen, in der Uniformirung und Bewaffnung u. s. w., welche der orientalische Krieg als so dringend noth¬ wendig herausgestellt hatte, auch heute noch wie unter früheren Regierungen so oft. wenn ähnliche Veränderungen als durchgeführt verkündet wurden, etwa blos auf dem Papier ständen oder höchstens in Aussicht genommen seien. Im Gegentheil, es ist in allen diesen Beziehungen bereits sehr viel wirklich geschehen. Aber es konnte bis jetzt, der Natur der Sache nach, blos noch in einzelnen Partien und Abtheilungen des Heerkörpers zur Durchführung gelangen, während in andern der Uebergang in die neuen Verhältnisse soeben erst stattfin¬ det, in noch anderen die früheren Zustände unangetastet fortbestehen. Ohne daß man daraus etwa die zu weit gehende Folgerung ziehen dürste, das rus¬ sische Heer befinde sich gegenwärtig in einem Zustande neugestaltender Lockerung, kann doch auf der anderen Seite nicht außer Acht gelassen werden, daß eben diese unvollendeten Reorganisationen in dessen einzelnen Abtheilungen eine Ungleichartigkeit hervorgebracht haben, welche für seine Handhabung zu opera¬ tiven Zwecken keineswegs als Vortheil betrachtet werden kann. Die reorgani- süten Abtheilungen sind in die Neugestaltungen der Verhältnisse noch nicht eingewöhnt, die in der Umgestaltung begriffenen sind für den Kriegszweck nicht sofort verwendbar, diejenigen, bei welchen die Reserven noch nicht begonnen, werden bei ihrer Verwendung mit den reorganisirten nicht so eingreifend wir¬ ken können, als es bei der früheren, wenn auch in vielen Einzelheiten mangel¬ haften Gleichartigkeit der Verhältnisse, Zustünde und Formationen thunlich war. Dagegen brachte sogleich die Ueberführung der Armee aus der Kriegsforma¬ tion in die des Friedens in die Zusammensetzung der größeren und kleineren Truppenkörper manche sehr wesentliche Veränderungen und Verbesserungen. Daß der Staat — dem Gnadenmanifest zufolge — für mehrere Jahre (bis Mit 1859) die regelmäßigen Rekrutirungen suspendirte, gewährte in Bezug aus die Veränderungen in den einzelnen Truppenkörpern den großen Vortheil, daß Man dieselben mit lauter gedienten Leuten durchführte und sich darin nicht jährlich von neuem durch Einübung vollkommen roher Mannschaften im Waffendienste unterbrechen mußte. Denn auch die durch Verabschiedung u. s. w. entstehenden Lücken wurden nicht durch ganz ungeübte Leute, sondern durch die Einberufung der nach dem Frieden entlassenen Urlauber ausgefüllt. Dies ^scheint um so wichtiger, als die Reformen sich nicht blos auf neue Einthci- Mngen und Zusammenstellungen der Truppenkörper beziehen, sondern vornäm-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/351>, abgerufen am 22.12.2024.