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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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der Avmee und eine sehr wichtige Person werden, ohne daß er seine fran¬
zösischen Dienste dabei aufzugeben hat, wo er in acht bis zehn Jahren Bri¬
gadier sein muß. Er ist Liebling des Herzogs von Zweibrücken, bei den
Damen äußerst empfohlen und der Königin von Frankreich bekannt, welche
sich gewundert hat, daß er sich nicht schon in Paris gemeldet. Alles das
wundert mich nicht, aber es freut mich, daß er alles dies erreicht hat und
doch der wahre herzlich gute Mensch bleiben durfte, der er ist." ^
Wenn Kalbs Weimar verlassen sollten, ist er geneigt, mitzugehen, mitunter
rühmt er sich seiner Treue. "Die hiesigen Damen (29. August) sind ganz
erstaunlich empfindsam; da ist beinahe keine, die nicht eine Geschichte hätte
oder gehabt hätte; erobern möchten sie gern alle . . . Weil ich die hiesigen
Theeasscmbleen nie besuchte, so legte man es Charlotten als einen Despotis¬
mus über mich ans." -- 6. Oct.: "Meine Abende bringe ich entweder bei
Charlotte oder der Frau von Jmhof zu." Auch Corona, Schröter ist häusig
dabei: "sie ist doch eigentlich eine von unsern behaglichsten Bekanntschaften
und uns sehr attachirt." (14. Oct.)

Die Annäherung des Mannes bleibt doch nicht ohne Einfluß. "Außer
Wieland und Charlotte (19. Nov.) sehe ich jetzt selten jemand ... Ich
glaube wirklich, Wieland kennt mich noch wenig genug, um mir seine zweite
Tochter nicht abzuschlagen. Das Mädchen kenne ich gar nicht, aber siehst
du, ich würde sie ihm heut abfordern, wenn ich glaubte, daß ich sie ver¬
diente. Es ist sonderbar, ich verehre, ich liebe die herzlich empfindende Ra-
tt", und eine Kokette, jede Kokette kann mich fesseln. Jede hat eine unfehl¬
bare Macht auf mich, durch meine Eitelkeit und Sinnlichkeit; entzünden kann
mich keine, aber beunruhigen ganz. Ich habe hohe Begriffe von häuslicher
Freude, und doch nicht einmal so viel Sinn dasür, sie mir zu wünschen.
Ich werde von allen Glückseligkeiten naschen, ohne sie zu genießen ... Bei
einer ewigen Verbindung, die ich eingehn soll, darf Leidenschaft nicht sein
. . . Sage mir, ob deine Erfahrungen sich mit der Idee reimen, daß ich
eine Frau habe, und ein mir entgegengesetztes Wesen, eine unschuldige Frau.
Wenn diese Materie erst unter uns ins Reine gebracht ist, dann und nicht
eher will ich mich bemühen, das Mädchen kennen zu lernen . . . Charlotte
weiß von diesem Monolog meiner Vernunft nichts. -- Herr von Kalb ist vor
drei Tagen in Kalbsricth (ihrem Gut) angekommen, und dahin ist Charlotte
jetzt gereist."

Diese Abwesenheit Charlottens benutzt Schiller zu einem Besuch bei sei¬
ner alten Gönnerin Frau von Wolzogen; bei dieser Gelegenheit lernt er M
Rudolstadt Frau von Lengefeld kennen und ihre beiden Töchter, Caroline
Frau von Beulwitz und Lottchen. -- 8. Dec.: "Hier in Weimar habe ich
Charlotten und ihren Mann wiedergefunden. Er ist ganz der alte, wie ich


der Avmee und eine sehr wichtige Person werden, ohne daß er seine fran¬
zösischen Dienste dabei aufzugeben hat, wo er in acht bis zehn Jahren Bri¬
gadier sein muß. Er ist Liebling des Herzogs von Zweibrücken, bei den
Damen äußerst empfohlen und der Königin von Frankreich bekannt, welche
sich gewundert hat, daß er sich nicht schon in Paris gemeldet. Alles das
wundert mich nicht, aber es freut mich, daß er alles dies erreicht hat und
doch der wahre herzlich gute Mensch bleiben durfte, der er ist." ^
Wenn Kalbs Weimar verlassen sollten, ist er geneigt, mitzugehen, mitunter
rühmt er sich seiner Treue. „Die hiesigen Damen (29. August) sind ganz
erstaunlich empfindsam; da ist beinahe keine, die nicht eine Geschichte hätte
oder gehabt hätte; erobern möchten sie gern alle . . . Weil ich die hiesigen
Theeasscmbleen nie besuchte, so legte man es Charlotten als einen Despotis¬
mus über mich ans." — 6. Oct.: „Meine Abende bringe ich entweder bei
Charlotte oder der Frau von Jmhof zu." Auch Corona, Schröter ist häusig
dabei: „sie ist doch eigentlich eine von unsern behaglichsten Bekanntschaften
und uns sehr attachirt." (14. Oct.)

Die Annäherung des Mannes bleibt doch nicht ohne Einfluß. „Außer
Wieland und Charlotte (19. Nov.) sehe ich jetzt selten jemand ... Ich
glaube wirklich, Wieland kennt mich noch wenig genug, um mir seine zweite
Tochter nicht abzuschlagen. Das Mädchen kenne ich gar nicht, aber siehst
du, ich würde sie ihm heut abfordern, wenn ich glaubte, daß ich sie ver¬
diente. Es ist sonderbar, ich verehre, ich liebe die herzlich empfindende Ra-
tt», und eine Kokette, jede Kokette kann mich fesseln. Jede hat eine unfehl¬
bare Macht auf mich, durch meine Eitelkeit und Sinnlichkeit; entzünden kann
mich keine, aber beunruhigen ganz. Ich habe hohe Begriffe von häuslicher
Freude, und doch nicht einmal so viel Sinn dasür, sie mir zu wünschen.
Ich werde von allen Glückseligkeiten naschen, ohne sie zu genießen ... Bei
einer ewigen Verbindung, die ich eingehn soll, darf Leidenschaft nicht sein
. . . Sage mir, ob deine Erfahrungen sich mit der Idee reimen, daß ich
eine Frau habe, und ein mir entgegengesetztes Wesen, eine unschuldige Frau.
Wenn diese Materie erst unter uns ins Reine gebracht ist, dann und nicht
eher will ich mich bemühen, das Mädchen kennen zu lernen . . . Charlotte
weiß von diesem Monolog meiner Vernunft nichts. — Herr von Kalb ist vor
drei Tagen in Kalbsricth (ihrem Gut) angekommen, und dahin ist Charlotte
jetzt gereist."

Diese Abwesenheit Charlottens benutzt Schiller zu einem Besuch bei sei¬
ner alten Gönnerin Frau von Wolzogen; bei dieser Gelegenheit lernt er M
Rudolstadt Frau von Lengefeld kennen und ihre beiden Töchter, Caroline
Frau von Beulwitz und Lottchen. — 8. Dec.: „Hier in Weimar habe ich
Charlotten und ihren Mann wiedergefunden. Er ist ganz der alte, wie ich


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[0336] der Avmee und eine sehr wichtige Person werden, ohne daß er seine fran¬ zösischen Dienste dabei aufzugeben hat, wo er in acht bis zehn Jahren Bri¬ gadier sein muß. Er ist Liebling des Herzogs von Zweibrücken, bei den Damen äußerst empfohlen und der Königin von Frankreich bekannt, welche sich gewundert hat, daß er sich nicht schon in Paris gemeldet. Alles das wundert mich nicht, aber es freut mich, daß er alles dies erreicht hat und doch der wahre herzlich gute Mensch bleiben durfte, der er ist." ^ Wenn Kalbs Weimar verlassen sollten, ist er geneigt, mitzugehen, mitunter rühmt er sich seiner Treue. „Die hiesigen Damen (29. August) sind ganz erstaunlich empfindsam; da ist beinahe keine, die nicht eine Geschichte hätte oder gehabt hätte; erobern möchten sie gern alle . . . Weil ich die hiesigen Theeasscmbleen nie besuchte, so legte man es Charlotten als einen Despotis¬ mus über mich ans." — 6. Oct.: „Meine Abende bringe ich entweder bei Charlotte oder der Frau von Jmhof zu." Auch Corona, Schröter ist häusig dabei: „sie ist doch eigentlich eine von unsern behaglichsten Bekanntschaften und uns sehr attachirt." (14. Oct.) Die Annäherung des Mannes bleibt doch nicht ohne Einfluß. „Außer Wieland und Charlotte (19. Nov.) sehe ich jetzt selten jemand ... Ich glaube wirklich, Wieland kennt mich noch wenig genug, um mir seine zweite Tochter nicht abzuschlagen. Das Mädchen kenne ich gar nicht, aber siehst du, ich würde sie ihm heut abfordern, wenn ich glaubte, daß ich sie ver¬ diente. Es ist sonderbar, ich verehre, ich liebe die herzlich empfindende Ra- tt», und eine Kokette, jede Kokette kann mich fesseln. Jede hat eine unfehl¬ bare Macht auf mich, durch meine Eitelkeit und Sinnlichkeit; entzünden kann mich keine, aber beunruhigen ganz. Ich habe hohe Begriffe von häuslicher Freude, und doch nicht einmal so viel Sinn dasür, sie mir zu wünschen. Ich werde von allen Glückseligkeiten naschen, ohne sie zu genießen ... Bei einer ewigen Verbindung, die ich eingehn soll, darf Leidenschaft nicht sein . . . Sage mir, ob deine Erfahrungen sich mit der Idee reimen, daß ich eine Frau habe, und ein mir entgegengesetztes Wesen, eine unschuldige Frau. Wenn diese Materie erst unter uns ins Reine gebracht ist, dann und nicht eher will ich mich bemühen, das Mädchen kennen zu lernen . . . Charlotte weiß von diesem Monolog meiner Vernunft nichts. — Herr von Kalb ist vor drei Tagen in Kalbsricth (ihrem Gut) angekommen, und dahin ist Charlotte jetzt gereist." Diese Abwesenheit Charlottens benutzt Schiller zu einem Besuch bei sei¬ ner alten Gönnerin Frau von Wolzogen; bei dieser Gelegenheit lernt er M Rudolstadt Frau von Lengefeld kennen und ihre beiden Töchter, Caroline Frau von Beulwitz und Lottchen. — 8. Dec.: „Hier in Weimar habe ich Charlotten und ihren Mann wiedergefunden. Er ist ganz der alte, wie ich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/336>, abgerufen am 22.12.2024.