Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.digsten Form, mit ihm konnte der Konig über alles Mögliche plaudern und Guizot als der hoch^ahrendste von den Conservativen, erregte am meisten Nach längerem Sträuben gab Guizot am 18. August zu, daß La san¬ digsten Form, mit ihm konnte der Konig über alles Mögliche plaudern und Guizot als der hoch^ahrendste von den Conservativen, erregte am meisten Nach längerem Sträuben gab Guizot am 18. August zu, daß La san¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0033" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107080"/> <p xml:id="ID_77" prev="#ID_76"> digsten Form, mit ihm konnte der Konig über alles Mögliche plaudern und<lb/> hin und her disputiren und beides war ihm Bedürfniß. Guizot theilt einige<lb/> königliche Handbillets mit. die wohlgeeignet waren, einen energischen und<lb/> rücksichtslosen Minister toll zu machen. Der König war durch seine wechselnden<lb/> Schicksale in seinen Ueberzeugungen unsicher gemacht, er hatte in seiner Ju¬<lb/> gend sowol den Glanz als die Schrecken der Revolution mehr als ein anderer<lb/> empfunden, in dem Pathos und der Logik der Revolution war er aufgewach¬<lb/> sen, und wenn er auch ein Grauen vor ihr empfand, so konnte er doch nicht<lb/> anders denken als sie; er mißtraute seinen liberalen Rathgebern, weil er<lb/> fürchtete, sie würden sich mit der Demokratie zu tief einlassen, er mißtraute<lb/> aber noch mehr den Conservativen, weil er besorgte, sie würden seine Po¬<lb/> pularität compromittiren, an der ihm damals alles gelegen war. Seinem<lb/> gemischten Ministerium gegenüber verhielt er sich so, daß er Laffitte auf das<lb/> vertraulichste, ja selbst aus das zärtlichste behandelte, die Conservativen da¬<lb/> gegen ernst, ja selbst steif: es war das durchaus keine Heuchelei, sondern ganz<lb/> natürlich, denn jene verlangten einen guten Bürger, diese einen König.</p><lb/> <p xml:id="ID_78"> Guizot als der hoch^ahrendste von den Conservativen, erregte am meisten<lb/> die Mißgunst des Volkes; hauptsächlich tadelte man ihn, daß er nicht in der<lb/> Neubesetzung der Stellen eifriger zu Werke ging; und doch hat er alles Mög¬<lb/> liche darin geleistet, denn er hat von 80 Präfecten 76, von 277 Unterprü-<lb/> fccten 196 abgesetzt und so bis in die kleineren Stellen herunter. Aber das<lb/> ist vielleicht die widrigste Seite der Revolution: jeder untergeordnete Agent<lb/> will versorgt sein und die Canaille drängt sich am meisten vor; auch Guizot<lb/> begegnete es ein paar Mal, daß einer seiner neuen Prüfenden betrunken ins<lb/> Kollegium kam. oder von der Wache wegen Unfug verhaftet werden mußte.<lb/> Seine Grundsätze sprach er am 14. September in einem Schreiben an einen<lb/> seiner Präfecten aus: er solle nicht zögern, die unpopulären Maires abzusetzen,<lb/> weil diese die Regierung nur in Verlegenheit setzten, anstatt sie zu stärken; er<lb/> solle Männer suchen, die für sich denken und handeln, denn das erste Be¬<lb/> dürfniß des Landes sei, daß sich überall unabhängige Meinungen und Ein¬<lb/> flüsse bilden, die Centralisation der Geister sei schlimmer als die der Geschäfte.</p><lb/> <p xml:id="ID_79" next="#ID_80"> Nach längerem Sträuben gab Guizot am 18. August zu, daß La san¬<lb/> dte das Generalcommando der gesammten Nationalgarde vorläufig gelassen<lb/> wurde. Damals wie vierzig Jahre früher hatte der General eine ungeheure<lb/> Macht in Händen, deren er sich nur nicht bediente, weil ihm die Popularität<lb/> höher stand als der wirkliche Cinsluß. In dieses gefährlichen Zeit, wo es<lb/> darauf ankam, den Kriegsschrei der französischen Jugend zu dämpfen, konnte<lb/> man die Stütze populärer Namen nicht entbehren. In der Aufzählung der<lb/> auswärtigen Mächte, mit denen Frankreich zu thun hatte, gibt Guizot unter<lb/> andern vom Kaiser Nikolaus eine vortreffliche Charakteristik. — Für diese</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0033]
digsten Form, mit ihm konnte der Konig über alles Mögliche plaudern und
hin und her disputiren und beides war ihm Bedürfniß. Guizot theilt einige
königliche Handbillets mit. die wohlgeeignet waren, einen energischen und
rücksichtslosen Minister toll zu machen. Der König war durch seine wechselnden
Schicksale in seinen Ueberzeugungen unsicher gemacht, er hatte in seiner Ju¬
gend sowol den Glanz als die Schrecken der Revolution mehr als ein anderer
empfunden, in dem Pathos und der Logik der Revolution war er aufgewach¬
sen, und wenn er auch ein Grauen vor ihr empfand, so konnte er doch nicht
anders denken als sie; er mißtraute seinen liberalen Rathgebern, weil er
fürchtete, sie würden sich mit der Demokratie zu tief einlassen, er mißtraute
aber noch mehr den Conservativen, weil er besorgte, sie würden seine Po¬
pularität compromittiren, an der ihm damals alles gelegen war. Seinem
gemischten Ministerium gegenüber verhielt er sich so, daß er Laffitte auf das
vertraulichste, ja selbst aus das zärtlichste behandelte, die Conservativen da¬
gegen ernst, ja selbst steif: es war das durchaus keine Heuchelei, sondern ganz
natürlich, denn jene verlangten einen guten Bürger, diese einen König.
Guizot als der hoch^ahrendste von den Conservativen, erregte am meisten
die Mißgunst des Volkes; hauptsächlich tadelte man ihn, daß er nicht in der
Neubesetzung der Stellen eifriger zu Werke ging; und doch hat er alles Mög¬
liche darin geleistet, denn er hat von 80 Präfecten 76, von 277 Unterprü-
fccten 196 abgesetzt und so bis in die kleineren Stellen herunter. Aber das
ist vielleicht die widrigste Seite der Revolution: jeder untergeordnete Agent
will versorgt sein und die Canaille drängt sich am meisten vor; auch Guizot
begegnete es ein paar Mal, daß einer seiner neuen Prüfenden betrunken ins
Kollegium kam. oder von der Wache wegen Unfug verhaftet werden mußte.
Seine Grundsätze sprach er am 14. September in einem Schreiben an einen
seiner Präfecten aus: er solle nicht zögern, die unpopulären Maires abzusetzen,
weil diese die Regierung nur in Verlegenheit setzten, anstatt sie zu stärken; er
solle Männer suchen, die für sich denken und handeln, denn das erste Be¬
dürfniß des Landes sei, daß sich überall unabhängige Meinungen und Ein¬
flüsse bilden, die Centralisation der Geister sei schlimmer als die der Geschäfte.
Nach längerem Sträuben gab Guizot am 18. August zu, daß La san¬
dte das Generalcommando der gesammten Nationalgarde vorläufig gelassen
wurde. Damals wie vierzig Jahre früher hatte der General eine ungeheure
Macht in Händen, deren er sich nur nicht bediente, weil ihm die Popularität
höher stand als der wirkliche Cinsluß. In dieses gefährlichen Zeit, wo es
darauf ankam, den Kriegsschrei der französischen Jugend zu dämpfen, konnte
man die Stütze populärer Namen nicht entbehren. In der Aufzählung der
auswärtigen Mächte, mit denen Frankreich zu thun hatte, gibt Guizot unter
andern vom Kaiser Nikolaus eine vortreffliche Charakteristik. — Für diese
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |