Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.zu gefallen, die sich ihm näherten, und gut für alle, die ihm gefielen, war Die Bosheit dieser Charakteristik erklärt sich leicht, da eine Natur wie Für Louis Philipp war es der bequemste Minister, den er je gefunden zu gefallen, die sich ihm näherten, und gut für alle, die ihm gefielen, war Die Bosheit dieser Charakteristik erklärt sich leicht, da eine Natur wie Für Louis Philipp war es der bequemste Minister, den er je gefunden <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0032" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107079"/> <p xml:id="ID_74" prev="#ID_73"> zu gefallen, die sich ihm näherten, und gut für alle, die ihm gefielen, war<lb/> er stets bereit, alle Welt zu verstehen und zu verpflichten. Obgleich thatsäch¬<lb/> lich den revolutionären Einflüssen, die ihn umgaben, sehr gefügig, hatte er<lb/> für sich selbst keine absoluten Ideen; er war weder Aristokrat, noch Demokrat,<lb/> weder monarchisch, noch republikanisch, er liebte die Bewegung mehr aus<lb/> Jnstinct und zu seinem Vergnügen, als aus irgend einer tiefen Absicht, er<lb/> suchte eine einflußreiche Stellung Mehr aus Eitelkeit als aus Ehrgeiz; hoch¬<lb/> fahrendes Wesen wechselte bei ihm mit wahrer Herzensgüte, Dünkel mit<lb/> Nachlässigkeit; ein wahrer Finanzmann wie ihn das Lustspiel darstellt, in die<lb/> Politik vertieft, wie seines Gleichen unter der alten Negierung in die Cou¬<lb/> lissen und die Literatur, wollte er vor allen Dingen mit einem großen Gefolge<lb/> umgeben, geschmeichelt und gefeiert sein; er vertraute auf seinen Erfolg wie<lb/> auf sein Verdienst beim König wie beim Volk, in den Revolutionen wie in<lb/> den Speculationen, und behandelte alles, Staatsgeschäfte wie Geldgeschäfte,<lb/> mit jener Leichtfertigkeit, die sich im Stande glaubt alles zu vermitteln, weil<lb/> sie die wahren Schwierigkeiten nicht sieht. Weil er bei feiner oberflächlichen<lb/> Empfänglichkeit fast bei jeder Gelegenheit wie diejenigen dächte, mit denen<lb/> er nöthig hatte sich zu verständigen, glaubte er leicht, daß sie auch dächten<lb/> wie er. Er war 1830 auf dem Gipfel seines Glücks, im höchsten Grade stolz<lb/> darauf, daß in seinem Hause und wie er glaubte durch ihn eine Revolution<lb/> gemacht war, die dem Lande gefiel, und ein König, der ihm gefiel, und ver¬<lb/> sprach sich einflußreich, populär und reich zu bleiben, ohne sich mit der Regie¬<lb/> rung viel Mühe zu geben. Zwar verkehrte er hauptsächlich mit den Progres¬<lb/> siven, aber wenn er es mit einem Konservativen zu thun hatte, so versicherte<lb/> er ihm mit voller Aufrichtigkeit, er werde seine tollköpfiger Freunde schon zur<lb/> Raison bringen, im Grunde dächten ja doch alle dasselbe. In dem Verkehr<lb/> mit seinen Untergebenen war er ganz der reiche Bankier, mitunter empfing<lb/> er einen Gesandten, der von ihm Jnstructionen forderte, mitten in einem Gast¬<lb/> mahl, plauderte mit ihm auf das unbefangenste, war bereit, alles gelten<lb/> zu lassen, selbst Don Miguel und den Herzog von Wellington, so daß die<lb/> Gäste vor Verwunderung ganz sprachlos zuhörten, und schloß gewöhnlich mit<lb/> der Phrase, es wird sich schon alles machen.</p><lb/> <p xml:id="ID_75"> Die Bosheit dieser Charakteristik erklärt sich leicht, da eine Natur wie<lb/> die geschilderte niemand so zuwider sein wird, als einem hartnäckigen Doc-<lb/> trinär in der Weise Guizots.</p><lb/> <p xml:id="ID_76" next="#ID_77"> Für Louis Philipp war es der bequemste Minister, den er je gefunden<lb/> hat, er war auch sein entschiedener Liebling. Lassitte sträubte sich nie, wenn<lb/> der König im Ministerrath seine eigenen Ansichten durchzusetzen suchte, er re-<lb/> präsentirte die Maske, mit der sich Ludwig Philipp um der Popularität wil¬<lb/> len bekleidete, die Maske eines wohlgesinnten Bourgeois, in der liebenswür-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0032]
zu gefallen, die sich ihm näherten, und gut für alle, die ihm gefielen, war
er stets bereit, alle Welt zu verstehen und zu verpflichten. Obgleich thatsäch¬
lich den revolutionären Einflüssen, die ihn umgaben, sehr gefügig, hatte er
für sich selbst keine absoluten Ideen; er war weder Aristokrat, noch Demokrat,
weder monarchisch, noch republikanisch, er liebte die Bewegung mehr aus
Jnstinct und zu seinem Vergnügen, als aus irgend einer tiefen Absicht, er
suchte eine einflußreiche Stellung Mehr aus Eitelkeit als aus Ehrgeiz; hoch¬
fahrendes Wesen wechselte bei ihm mit wahrer Herzensgüte, Dünkel mit
Nachlässigkeit; ein wahrer Finanzmann wie ihn das Lustspiel darstellt, in die
Politik vertieft, wie seines Gleichen unter der alten Negierung in die Cou¬
lissen und die Literatur, wollte er vor allen Dingen mit einem großen Gefolge
umgeben, geschmeichelt und gefeiert sein; er vertraute auf seinen Erfolg wie
auf sein Verdienst beim König wie beim Volk, in den Revolutionen wie in
den Speculationen, und behandelte alles, Staatsgeschäfte wie Geldgeschäfte,
mit jener Leichtfertigkeit, die sich im Stande glaubt alles zu vermitteln, weil
sie die wahren Schwierigkeiten nicht sieht. Weil er bei feiner oberflächlichen
Empfänglichkeit fast bei jeder Gelegenheit wie diejenigen dächte, mit denen
er nöthig hatte sich zu verständigen, glaubte er leicht, daß sie auch dächten
wie er. Er war 1830 auf dem Gipfel seines Glücks, im höchsten Grade stolz
darauf, daß in seinem Hause und wie er glaubte durch ihn eine Revolution
gemacht war, die dem Lande gefiel, und ein König, der ihm gefiel, und ver¬
sprach sich einflußreich, populär und reich zu bleiben, ohne sich mit der Regie¬
rung viel Mühe zu geben. Zwar verkehrte er hauptsächlich mit den Progres¬
siven, aber wenn er es mit einem Konservativen zu thun hatte, so versicherte
er ihm mit voller Aufrichtigkeit, er werde seine tollköpfiger Freunde schon zur
Raison bringen, im Grunde dächten ja doch alle dasselbe. In dem Verkehr
mit seinen Untergebenen war er ganz der reiche Bankier, mitunter empfing
er einen Gesandten, der von ihm Jnstructionen forderte, mitten in einem Gast¬
mahl, plauderte mit ihm auf das unbefangenste, war bereit, alles gelten
zu lassen, selbst Don Miguel und den Herzog von Wellington, so daß die
Gäste vor Verwunderung ganz sprachlos zuhörten, und schloß gewöhnlich mit
der Phrase, es wird sich schon alles machen.
Die Bosheit dieser Charakteristik erklärt sich leicht, da eine Natur wie
die geschilderte niemand so zuwider sein wird, als einem hartnäckigen Doc-
trinär in der Weise Guizots.
Für Louis Philipp war es der bequemste Minister, den er je gefunden
hat, er war auch sein entschiedener Liebling. Lassitte sträubte sich nie, wenn
der König im Ministerrath seine eigenen Ansichten durchzusetzen suchte, er re-
präsentirte die Maske, mit der sich Ludwig Philipp um der Popularität wil¬
len bekleidete, die Maske eines wohlgesinnten Bourgeois, in der liebenswür-
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