Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.Uns hat dies Argument nicht einleuchten wollen; ob mit Recht oder Unrecht, Sollte nun, trotz dieser Demonstration, die preußische Regierung so unent¬ Wann man sich denkt, daß dieser Zeitpunkt eintreten soll, läßt sich aus den Wie dem auch sei: der Zeitpunkt kann vernünftigerweise von Preußen jetzt nur Hier ist nun unser Verhältniß zu Oestreich und zu Deutschland ins Auge zu Uns hat dies Argument nicht einleuchten wollen; ob mit Recht oder Unrecht, Sollte nun, trotz dieser Demonstration, die preußische Regierung so unent¬ Wann man sich denkt, daß dieser Zeitpunkt eintreten soll, läßt sich aus den Wie dem auch sei: der Zeitpunkt kann vernünftigerweise von Preußen jetzt nur Hier ist nun unser Verhältniß zu Oestreich und zu Deutschland ins Auge zu <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0326" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107373"/> <p xml:id="ID_969"> Uns hat dies Argument nicht einleuchten wollen; ob mit Recht oder Unrecht,<lb/> ist jetzt gleichviel, denn heute steht die Seiche so: die preußische Regierung, mit Bil¬<lb/> ligung aller Parteien im Hause, hat so unumwunden als es in diplomatischer<lb/> Sprache nur irgend geschehn kann, erklärt, daß sie gegen Frankreich rüste; daß sie<lb/> zwar vor der Hand noch nicht gewillt sei, den Krieg zu erklären, daß sie es aber<lb/> bei einer günstigen Gelegenheit (bei welcher? wird natürlich uicht gesagt) thun wolle.<lb/> Das ist mit dürren Worten das Ergebniß der neulichen Verhandlung. Denn von<lb/> einer gegenwärtigen Bedrohung der Buudcsgrcnze ist nicht die Rede, die Fran¬<lb/> zosen müßten sinnlos sah:, jetzt daran zu denken; daß die Rüstungen Preußens in<lb/> keinem Fall gegen Oestreich gerichtet sein können, ist so laut und allseitig aus¬<lb/> gesprochen, daß man eine völlige Ehrlosigkeit der preußischen Staatsmänner an¬<lb/> nehmen müßte, wenn man daran zweifeln wollte; also können sie nur gegen Frank¬<lb/> reich gerichtet sein; sie gehn aber bereits jetzt durch die Kriegsbereitschaft sämmtlicher<lb/> Armeecorps über die Defensive hinaus, und es sind noch viel weitergehende Ma߬<lb/> regeln in Aussicht gestellt.</p><lb/> <p xml:id="ID_970"> Sollte nun, trotz dieser Demonstration, die preußische Regierung so unent¬<lb/> schlossen sein, dennoch den Krieg nicht zu unternehmen, so wird Kaiser Napoleon<lb/> dem jetzt, wie wir glauben, eine solche Diversion sehr unbequem wäre — jedes<lb/> Mittel anwenden, sie darin zu bestärken; er würde, womöglich unter preußischer<lb/> Vermittelung, sobald er irgend einen erheblichen militärischen Erfolg errungen, der<lb/> dem Nationalgefühl schmeichelt, mit Oestreich Frieden schließen, um dann an Preußen<lb/> Rache zu üben. Denn so wenig wir seine Staatsklugheit in Zweifel stellen, seine<lb/> Motive sind doch immer sehr persönlicher Art. Die Drohungen vom 12. und 13-<lb/> Mai werden Preußen nicht vergessen werden, darauf kann es mit Sicherheit rechnen.<lb/> Der Kriegslärm in München und Wiesbaden war gleichgiltig; die preußische Rüstung<lb/> macht den Krieg unvermeidlich, und es kommt jetzt nur darauf an, den Zeitpunkt<lb/> so zu wählen, daß er zur Ehre und zum Heil Preußens und Deutschlands aus¬<lb/> schlägt.</p><lb/> <p xml:id="ID_971"> Wann man sich denkt, daß dieser Zeitpunkt eintreten soll, läßt sich aus den<lb/> Verhandlungen nicht vernehmen; hoffentlich weiß man es. Daß man es noch<lb/> nicht sagt, hat vielleicht in uus unbekannten Beziehungen zu England und Rußland<lb/> seinen Grund. Daß man den Entschluß der letzteren Macht für noch nicht so fest¬<lb/> stehend betrachtet, darauf scheint die Entlassung des Grasen Buol hinzudeuten, die<lb/> möglicherweise eine Concession an Rußland ist, da man diesen Staatsmann als den<lb/> Träger der östreichischen Politik im orientalischen Kriege betrachtete. Doch sind in<lb/> absolutistischen Staaten die maßgebenden Entschlüsse so schwer zu berechnen, daß<lb/> der Grund auch nach einer andern Seite liegen kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_972"> Wie dem auch sei: der Zeitpunkt kann vernünftigerweise von Preußen jetzt nur<lb/> nach militärischen Chancen bestimmt werden. Der günstigste Zeitpunkt ist der, wo<lb/> Oestreich noch an keinen Separatfrieden denken kann, und wo es noch Kräfte genug<lb/> besitzt, uns wirksame Hilfe zu leisten. Da nun noch hinzukommt, daß jeder Monat<lb/> in Waffen uns entsetzliche Kosten macht, so ist es wol nicht voreilig, wenn wir an¬<lb/> nehmen, daß der Zeitpunkt sehr bald eintreten wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_973" next="#ID_974"> Hier ist nun unser Verhältniß zu Oestreich und zu Deutschland ins Auge zu<lb/> fassen. Wir gehn von dem Grundsatz aus, daß bevor man einen Entschluß faß,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0326]
Uns hat dies Argument nicht einleuchten wollen; ob mit Recht oder Unrecht,
ist jetzt gleichviel, denn heute steht die Seiche so: die preußische Regierung, mit Bil¬
ligung aller Parteien im Hause, hat so unumwunden als es in diplomatischer
Sprache nur irgend geschehn kann, erklärt, daß sie gegen Frankreich rüste; daß sie
zwar vor der Hand noch nicht gewillt sei, den Krieg zu erklären, daß sie es aber
bei einer günstigen Gelegenheit (bei welcher? wird natürlich uicht gesagt) thun wolle.
Das ist mit dürren Worten das Ergebniß der neulichen Verhandlung. Denn von
einer gegenwärtigen Bedrohung der Buudcsgrcnze ist nicht die Rede, die Fran¬
zosen müßten sinnlos sah:, jetzt daran zu denken; daß die Rüstungen Preußens in
keinem Fall gegen Oestreich gerichtet sein können, ist so laut und allseitig aus¬
gesprochen, daß man eine völlige Ehrlosigkeit der preußischen Staatsmänner an¬
nehmen müßte, wenn man daran zweifeln wollte; also können sie nur gegen Frank¬
reich gerichtet sein; sie gehn aber bereits jetzt durch die Kriegsbereitschaft sämmtlicher
Armeecorps über die Defensive hinaus, und es sind noch viel weitergehende Ma߬
regeln in Aussicht gestellt.
Sollte nun, trotz dieser Demonstration, die preußische Regierung so unent¬
schlossen sein, dennoch den Krieg nicht zu unternehmen, so wird Kaiser Napoleon
dem jetzt, wie wir glauben, eine solche Diversion sehr unbequem wäre — jedes
Mittel anwenden, sie darin zu bestärken; er würde, womöglich unter preußischer
Vermittelung, sobald er irgend einen erheblichen militärischen Erfolg errungen, der
dem Nationalgefühl schmeichelt, mit Oestreich Frieden schließen, um dann an Preußen
Rache zu üben. Denn so wenig wir seine Staatsklugheit in Zweifel stellen, seine
Motive sind doch immer sehr persönlicher Art. Die Drohungen vom 12. und 13-
Mai werden Preußen nicht vergessen werden, darauf kann es mit Sicherheit rechnen.
Der Kriegslärm in München und Wiesbaden war gleichgiltig; die preußische Rüstung
macht den Krieg unvermeidlich, und es kommt jetzt nur darauf an, den Zeitpunkt
so zu wählen, daß er zur Ehre und zum Heil Preußens und Deutschlands aus¬
schlägt.
Wann man sich denkt, daß dieser Zeitpunkt eintreten soll, läßt sich aus den
Verhandlungen nicht vernehmen; hoffentlich weiß man es. Daß man es noch
nicht sagt, hat vielleicht in uus unbekannten Beziehungen zu England und Rußland
seinen Grund. Daß man den Entschluß der letzteren Macht für noch nicht so fest¬
stehend betrachtet, darauf scheint die Entlassung des Grasen Buol hinzudeuten, die
möglicherweise eine Concession an Rußland ist, da man diesen Staatsmann als den
Träger der östreichischen Politik im orientalischen Kriege betrachtete. Doch sind in
absolutistischen Staaten die maßgebenden Entschlüsse so schwer zu berechnen, daß
der Grund auch nach einer andern Seite liegen kann.
Wie dem auch sei: der Zeitpunkt kann vernünftigerweise von Preußen jetzt nur
nach militärischen Chancen bestimmt werden. Der günstigste Zeitpunkt ist der, wo
Oestreich noch an keinen Separatfrieden denken kann, und wo es noch Kräfte genug
besitzt, uns wirksame Hilfe zu leisten. Da nun noch hinzukommt, daß jeder Monat
in Waffen uns entsetzliche Kosten macht, so ist es wol nicht voreilig, wenn wir an¬
nehmen, daß der Zeitpunkt sehr bald eintreten wird.
Hier ist nun unser Verhältniß zu Oestreich und zu Deutschland ins Auge zu
fassen. Wir gehn von dem Grundsatz aus, daß bevor man einen Entschluß faß,
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