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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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Höhe; den Thalgrund deckt üppiges feuchtes Grün, das sich theils in kurzem
Eichengestrüpp, theils in Rasen fast bis zum Kamm der Berge fortsetzt; nur
die letzten Berge auf dem rechten Ufer tragen oben Felsen mit mächtigen
Spalten und Höhlen, deren Wände sich vertical erheben, oft auch gegen den
Fluß hin überhängen. Selbst auf einen Nero hat eine solche Natur Eindruck
gemacht: an der linken Thalseite, etwa in der Mitte von deren Höhe wählte
er sich einen Bergvorsprung zur Anlage von Bädern; sie stehen gegenwärtig
noch in ihren von Epheu fast bedeckten Mauertrümmern als eine der Haupt¬
sache nach angeblich noch unausgebeutetc Quelle römischer Alterthümer. Ihnen
gegenüber auf der andern Thalseite, hoch zwischen den Felsen, wählte der Stifter
des abendländischen Mönchthums, Benedict von Nursia ungefähr ein halbes
Jahrtausend nach der Neronischen Kaiserzeit seinen einsiedlerischen Aufenthalt.
In Rom vom Treiben der Welt angewidert, zog er sich hierher zurück und lebte
drei Jahre lang, nur von einem andern Eremit der Umgegend, Namens
Romano gekannt, in einer Grotte, zu welcher das Tageslicht von oben durch
eine Felsspalte fiel. Einst entdeckten ihn Viehhirten lind diese verbreiteten die
Kunde von seiner Gottesfurcht in der Umgegend; bald suchten viele Rath und
Trost bei ihm, bis eine Anzahl benachbarter Mönche ihn zu ihrem Abt wählte.
Die Strenge, mit der er verfuhr, ließ die Wähler bald ihre Wahl bereuen;
sie reichten ihm die Giftschale, diese aber zersprang durch eine Wunderthat
Gottes in seiner Hand und er kehrte in seine Einsamkeit zurück. Hier scharten
sich mehr und mehr Gleichgesinnte um ihn und vereinten sich unter seiner
Leitung zu zwölf Bethäusern; sechs davon lagen nach der nördlichen, sechs
nach der südlichen Seite des Berges hin. Der wachsende Ruhm Benedicts
erregte den Neid eines benachbarten Presbyters Florentius; dieser sandte einst
dem Eremiten ein vergiftetes Brod zum Geschenk; aber Benedict erkannte das
Gift und gebot dem Raben, welcher täglich zu ihm aus dem Gebirge kam,
um sein Futter zu holen, das Brod an einen Ort hinwegzutragen, wo nie¬
mand es finden könnte. So wurde zwar Benedicts Tödtung vereitelt, es ge¬
lang aber seine Vertreibung. Florentius ließ vor den Fenstern der Mönche
im Klostergarten einen Tanz von sieben nackten Mädchen aufführen und dies
brachte Benedict zu dem Entschluß, mit dem ihm liebsten Theil der Seinen
den Ort der Verlockung zu fliehen. Er zog nach Montecassino, nachdem er
die Brüder, welche er zurückließ, in jene zwölf Bethüuser gleichmäßig vertheilt,
und jedem derselben einen Obern vorgesetzt hatte (vergl. Nadillon, anrmles
oräiiüs LAneti Leneäieti, 1703 wen. I. x^Z. 4. 54.).

Gegenwärtig existirt keines der Bethäuser noch in seiner ursprünglichen
Gestalt, doch leitet das jetzige nach Benedicts Schwester benannte Kloster
Santa Scolastica bei Subjaco von Benedict noch seinen Ursprung her.
Es liegt in einer etwa halbstündigen Entfernung von der Stadt am Ausgang


Höhe; den Thalgrund deckt üppiges feuchtes Grün, das sich theils in kurzem
Eichengestrüpp, theils in Rasen fast bis zum Kamm der Berge fortsetzt; nur
die letzten Berge auf dem rechten Ufer tragen oben Felsen mit mächtigen
Spalten und Höhlen, deren Wände sich vertical erheben, oft auch gegen den
Fluß hin überhängen. Selbst auf einen Nero hat eine solche Natur Eindruck
gemacht: an der linken Thalseite, etwa in der Mitte von deren Höhe wählte
er sich einen Bergvorsprung zur Anlage von Bädern; sie stehen gegenwärtig
noch in ihren von Epheu fast bedeckten Mauertrümmern als eine der Haupt¬
sache nach angeblich noch unausgebeutetc Quelle römischer Alterthümer. Ihnen
gegenüber auf der andern Thalseite, hoch zwischen den Felsen, wählte der Stifter
des abendländischen Mönchthums, Benedict von Nursia ungefähr ein halbes
Jahrtausend nach der Neronischen Kaiserzeit seinen einsiedlerischen Aufenthalt.
In Rom vom Treiben der Welt angewidert, zog er sich hierher zurück und lebte
drei Jahre lang, nur von einem andern Eremit der Umgegend, Namens
Romano gekannt, in einer Grotte, zu welcher das Tageslicht von oben durch
eine Felsspalte fiel. Einst entdeckten ihn Viehhirten lind diese verbreiteten die
Kunde von seiner Gottesfurcht in der Umgegend; bald suchten viele Rath und
Trost bei ihm, bis eine Anzahl benachbarter Mönche ihn zu ihrem Abt wählte.
Die Strenge, mit der er verfuhr, ließ die Wähler bald ihre Wahl bereuen;
sie reichten ihm die Giftschale, diese aber zersprang durch eine Wunderthat
Gottes in seiner Hand und er kehrte in seine Einsamkeit zurück. Hier scharten
sich mehr und mehr Gleichgesinnte um ihn und vereinten sich unter seiner
Leitung zu zwölf Bethäusern; sechs davon lagen nach der nördlichen, sechs
nach der südlichen Seite des Berges hin. Der wachsende Ruhm Benedicts
erregte den Neid eines benachbarten Presbyters Florentius; dieser sandte einst
dem Eremiten ein vergiftetes Brod zum Geschenk; aber Benedict erkannte das
Gift und gebot dem Raben, welcher täglich zu ihm aus dem Gebirge kam,
um sein Futter zu holen, das Brod an einen Ort hinwegzutragen, wo nie¬
mand es finden könnte. So wurde zwar Benedicts Tödtung vereitelt, es ge¬
lang aber seine Vertreibung. Florentius ließ vor den Fenstern der Mönche
im Klostergarten einen Tanz von sieben nackten Mädchen aufführen und dies
brachte Benedict zu dem Entschluß, mit dem ihm liebsten Theil der Seinen
den Ort der Verlockung zu fliehen. Er zog nach Montecassino, nachdem er
die Brüder, welche er zurückließ, in jene zwölf Bethüuser gleichmäßig vertheilt,
und jedem derselben einen Obern vorgesetzt hatte (vergl. Nadillon, anrmles
oräiiüs LAneti Leneäieti, 1703 wen. I. x^Z. 4. 54.).

Gegenwärtig existirt keines der Bethäuser noch in seiner ursprünglichen
Gestalt, doch leitet das jetzige nach Benedicts Schwester benannte Kloster
Santa Scolastica bei Subjaco von Benedict noch seinen Ursprung her.
Es liegt in einer etwa halbstündigen Entfernung von der Stadt am Ausgang


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[0296] Höhe; den Thalgrund deckt üppiges feuchtes Grün, das sich theils in kurzem Eichengestrüpp, theils in Rasen fast bis zum Kamm der Berge fortsetzt; nur die letzten Berge auf dem rechten Ufer tragen oben Felsen mit mächtigen Spalten und Höhlen, deren Wände sich vertical erheben, oft auch gegen den Fluß hin überhängen. Selbst auf einen Nero hat eine solche Natur Eindruck gemacht: an der linken Thalseite, etwa in der Mitte von deren Höhe wählte er sich einen Bergvorsprung zur Anlage von Bädern; sie stehen gegenwärtig noch in ihren von Epheu fast bedeckten Mauertrümmern als eine der Haupt¬ sache nach angeblich noch unausgebeutetc Quelle römischer Alterthümer. Ihnen gegenüber auf der andern Thalseite, hoch zwischen den Felsen, wählte der Stifter des abendländischen Mönchthums, Benedict von Nursia ungefähr ein halbes Jahrtausend nach der Neronischen Kaiserzeit seinen einsiedlerischen Aufenthalt. In Rom vom Treiben der Welt angewidert, zog er sich hierher zurück und lebte drei Jahre lang, nur von einem andern Eremit der Umgegend, Namens Romano gekannt, in einer Grotte, zu welcher das Tageslicht von oben durch eine Felsspalte fiel. Einst entdeckten ihn Viehhirten lind diese verbreiteten die Kunde von seiner Gottesfurcht in der Umgegend; bald suchten viele Rath und Trost bei ihm, bis eine Anzahl benachbarter Mönche ihn zu ihrem Abt wählte. Die Strenge, mit der er verfuhr, ließ die Wähler bald ihre Wahl bereuen; sie reichten ihm die Giftschale, diese aber zersprang durch eine Wunderthat Gottes in seiner Hand und er kehrte in seine Einsamkeit zurück. Hier scharten sich mehr und mehr Gleichgesinnte um ihn und vereinten sich unter seiner Leitung zu zwölf Bethäusern; sechs davon lagen nach der nördlichen, sechs nach der südlichen Seite des Berges hin. Der wachsende Ruhm Benedicts erregte den Neid eines benachbarten Presbyters Florentius; dieser sandte einst dem Eremiten ein vergiftetes Brod zum Geschenk; aber Benedict erkannte das Gift und gebot dem Raben, welcher täglich zu ihm aus dem Gebirge kam, um sein Futter zu holen, das Brod an einen Ort hinwegzutragen, wo nie¬ mand es finden könnte. So wurde zwar Benedicts Tödtung vereitelt, es ge¬ lang aber seine Vertreibung. Florentius ließ vor den Fenstern der Mönche im Klostergarten einen Tanz von sieben nackten Mädchen aufführen und dies brachte Benedict zu dem Entschluß, mit dem ihm liebsten Theil der Seinen den Ort der Verlockung zu fliehen. Er zog nach Montecassino, nachdem er die Brüder, welche er zurückließ, in jene zwölf Bethüuser gleichmäßig vertheilt, und jedem derselben einen Obern vorgesetzt hatte (vergl. Nadillon, anrmles oräiiüs LAneti Leneäieti, 1703 wen. I. x^Z. 4. 54.). Gegenwärtig existirt keines der Bethäuser noch in seiner ursprünglichen Gestalt, doch leitet das jetzige nach Benedicts Schwester benannte Kloster Santa Scolastica bei Subjaco von Benedict noch seinen Ursprung her. Es liegt in einer etwa halbstündigen Entfernung von der Stadt am Ausgang

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/296>, abgerufen am 22.12.2024.