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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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der Abb6 betheiligte, bis wir, eine Stunde etwa von der Karthause, durch
Weinberge kamen. Hier stahlen unsere Führer einige Trauben und hielten
die eine Handvoll uus, die andere den vermuthlich ebenfalls noch nüchternen
Thieren zum Dejeuner hin, was von beiden Seiten bereitwilligst angenom¬
men wurde. --

Unser Reiseplan war, über die Wasserscheide zwischen dem Garigliano
und dem Tiber nach, dem Thal des Teverone hinzusteuern, hier in Trevi
Mittag zu machen, und dem Laufe des Flusses folgend Abends in Subjaco
einzutreffen; doch kannte niemand von uns Weg oder Steg, vielmehr mußten
wir uns vollständig auf unsere Führer verlassen, die der Gegend kundig sein
wollten.

Bald hinter Trisulti stiegen wir in das tiefe und enge Thal der Cosa
hinab, dessen steile Wände steh unten fast in spitzem Winkel vereinen; im
Grunde tobte das Bergwasser; Eichen- und > Kastaniengesträuch bildeten den
Halt und die Stütze der zwischenliegenden großen grauen Felsbrocken; der
Weg war schmal, steinicht und glatt, dabei oft so steil und unsicher, daß ich
unsere Thiere bewundern mußte, wie sie ohne Gefährde ihre ungeübten Reiter
fortschafften. Der Rector ließ mich, der ich eigentlich noch nie zu Pferd ge¬
sessen hatte, zwar alsbald zum Capitano avanciren und fragte, ob ich meine
geladenen Pistolen in der Tasche oder im Felleisen trüge, um den Führern
und durch deren geeignete Mittheilung meiner kriegerischen Eigenschaften auch
etwaigen Räubern zu imponiren, aber mein Lächeln auf jene Frage und meine
Geschicklichkeit in Handhabung meines Rosses hatte gewiß augenblicklich ver¬
rathen, daß ich noch wenig im Leben der Anführer einer Cavalcade gewesen
war. Nachdem wir das Städtchen Alatri zur Linken in der Tiefe gesehen
hatten, ging es über eine Hochebene herzwischen weindurchpflanzten Stoppel¬
feldern; unfern des Weges zeigten unsere Führer auf eine tiefe natürliche Grube
in felsigem Gestein, worin ein Adlerpaar Hausen soll, das in der Nähe hor¬
stet. Bald erschienen auf drei Berghöhen die Städtchen Vico, Fumone und
Roviglio. Unterhalb des erster", dicht an der grauen zinnentragenden Stadt¬
mauer zogen wir vorbei; dann senkte sich der Weg so jäh, daß wir abzu¬
steigen genöthigt waren. Gegenüber lag an einem Gipfel hinauf Guercino;
hier -- es mochte neun ein halb Uhr vorüber sein -- hatten wir die erste
Gelegenheit, Kaffee zu nehmen. Der Kaffetier saß vor seiner Bottegha und
brannte seine Bohnen aus offener Straße, wie es allgemein selbst in Rom
Sitte oder Gebot ist, weil man die Kaffeedämpfe für schädlich hält und des¬
halb verlangt, daß sie in die freie Luft ausströmen. In der Bottegha spielte
eine Gesellschaft junger Leute Karten; sie schienen zu den Honoratioren des
Orts zu gehören, und glaubten sich deshalb wahrscheinlich zu Müßiggang
schon am frühen Morgen legitimirt. Ueber dem Schenktisch des Wirthes --


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der Abb6 betheiligte, bis wir, eine Stunde etwa von der Karthause, durch
Weinberge kamen. Hier stahlen unsere Führer einige Trauben und hielten
die eine Handvoll uus, die andere den vermuthlich ebenfalls noch nüchternen
Thieren zum Dejeuner hin, was von beiden Seiten bereitwilligst angenom¬
men wurde. —

Unser Reiseplan war, über die Wasserscheide zwischen dem Garigliano
und dem Tiber nach, dem Thal des Teverone hinzusteuern, hier in Trevi
Mittag zu machen, und dem Laufe des Flusses folgend Abends in Subjaco
einzutreffen; doch kannte niemand von uns Weg oder Steg, vielmehr mußten
wir uns vollständig auf unsere Führer verlassen, die der Gegend kundig sein
wollten.

Bald hinter Trisulti stiegen wir in das tiefe und enge Thal der Cosa
hinab, dessen steile Wände steh unten fast in spitzem Winkel vereinen; im
Grunde tobte das Bergwasser; Eichen- und > Kastaniengesträuch bildeten den
Halt und die Stütze der zwischenliegenden großen grauen Felsbrocken; der
Weg war schmal, steinicht und glatt, dabei oft so steil und unsicher, daß ich
unsere Thiere bewundern mußte, wie sie ohne Gefährde ihre ungeübten Reiter
fortschafften. Der Rector ließ mich, der ich eigentlich noch nie zu Pferd ge¬
sessen hatte, zwar alsbald zum Capitano avanciren und fragte, ob ich meine
geladenen Pistolen in der Tasche oder im Felleisen trüge, um den Führern
und durch deren geeignete Mittheilung meiner kriegerischen Eigenschaften auch
etwaigen Räubern zu imponiren, aber mein Lächeln auf jene Frage und meine
Geschicklichkeit in Handhabung meines Rosses hatte gewiß augenblicklich ver¬
rathen, daß ich noch wenig im Leben der Anführer einer Cavalcade gewesen
war. Nachdem wir das Städtchen Alatri zur Linken in der Tiefe gesehen
hatten, ging es über eine Hochebene herzwischen weindurchpflanzten Stoppel¬
feldern; unfern des Weges zeigten unsere Führer auf eine tiefe natürliche Grube
in felsigem Gestein, worin ein Adlerpaar Hausen soll, das in der Nähe hor¬
stet. Bald erschienen auf drei Berghöhen die Städtchen Vico, Fumone und
Roviglio. Unterhalb des erster», dicht an der grauen zinnentragenden Stadt¬
mauer zogen wir vorbei; dann senkte sich der Weg so jäh, daß wir abzu¬
steigen genöthigt waren. Gegenüber lag an einem Gipfel hinauf Guercino;
hier — es mochte neun ein halb Uhr vorüber sein — hatten wir die erste
Gelegenheit, Kaffee zu nehmen. Der Kaffetier saß vor seiner Bottegha und
brannte seine Bohnen aus offener Straße, wie es allgemein selbst in Rom
Sitte oder Gebot ist, weil man die Kaffeedämpfe für schädlich hält und des¬
halb verlangt, daß sie in die freie Luft ausströmen. In der Bottegha spielte
eine Gesellschaft junger Leute Karten; sie schienen zu den Honoratioren des
Orts zu gehören, und glaubten sich deshalb wahrscheinlich zu Müßiggang
schon am frühen Morgen legitimirt. Ueber dem Schenktisch des Wirthes —


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/293>, abgerufen am 22.12.2024.