Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.auf Veränderung seines Wohnplatzes denken: er bedürfte eines regelmäßigen Wenn die Politik Huber vorzugsweise beschäftigte, so strebte er doch auch auf Veränderung seines Wohnplatzes denken: er bedürfte eines regelmäßigen Wenn die Politik Huber vorzugsweise beschäftigte, so strebte er doch auch <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0273" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107320"/> <p xml:id="ID_785" prev="#ID_784"> auf Veränderung seines Wohnplatzes denken: er bedürfte eines regelmäßigen<lb/> Verkehrs mit deutschen Buchhändlern; der Unterhalt seiner Familie beruhte<lb/> auf immer neuen Unternehmungen, immer erneuten Verabredungen mit ihnen,<lb/> die durch den Ausbruch des Krieges unmöglich wurden. Unter diesen Umständen<lb/> Aas ihn ein Antrag Cottas, mit Posselt. der den Geschäften nicht mehr<lb/> ganz gewachsen war, vereint die Allgemeine Zeitung (damals „Weltkunde"<lb/> genannt) zu redigiren. Im Februar 1798 ging er nach Tübingen ab; die<lb/> Familie folgte ihm nach kurzer Zeit. Seine neue Beschäftigung gewann er<lb/> bald sehr lieb, indem er, um sich in den Zeitverhültnissen zu orientiren, ernsthafte<lb/> historische Studien damit verband. Die Schnelligkeit, mit der er arbeitete,<lb/> gewann ihm Zeit, neben dieser Lectüre noch manche andere Beschäftigung<lb/> zu unternehmen. Hauptsächlich strebte er nach Objektivität: jeder Partei gleich¬<lb/> mäßig gerecht zu sein und das Wichtige und Charakteristische scharf hervor¬<lb/> zuheben. Freilich wurde diese Unparteilichkeit nicht selten durch die Censur ge¬<lb/> stört; wenigstens aber schwieg er. wo er nicht nach seiner Ueberzeugung reden<lb/> konnte. — Ende August 1798 wurde die Zeitung durch die Negierung veran¬<lb/> laßt, die Redaction nach Stuttgart zu verlegen; sür die Familie wieder ein harter<lb/> Schlag, um so mehr, da Huber zu Anfang 1799 in eine schwere Krankheit verfiel;<lb/> in dieser Perote übernahm Therese die Redaction. Bald hatten sie sich in Land<lb/> und Volk eingelebt, und betrachteten Schwaben als eine neue Heimath. Auch<lb/> der dreirlndsiebzigjährige Vater (die Mutter war 1798 gestorben) erfreute sie in<lb/> diesem Jahr mit seinem Besuch.</p><lb/> <p xml:id="ID_786" next="#ID_787"> Wenn die Politik Huber vorzugsweise beschäftigte, so strebte er doch auch<lb/> ernstlich danach, die Lücken seiner literarischen Kenntnisse zu ergänzen. Erst<lb/> w den letzten Jahren in der Schweiz hatte er durch französische Versetzungen,<lb/> die er zu seinem Broderwerb durchsah, einen Begriff von der griechischen<lb/> Poesie erhalten, grade wie Schiller. Bei seiner Rückkehr nach Deutschland<lb/> war Vossens Homer seine erste Lectüre. sodann die drei Tragiker, von Stoll-<lb/> bng und Bothe übersetzt. „Die Wirkung, die diese Werke auf ihn machten,<lb/> war unbeschreiblich; sie versetzten ihn erst in das Gebiet der Poesie." Der alte<lb/> Heyne hatte einen ziemlich ungelehrten Schwiegersohn. — Die Allgemeine<lb/> Zeitung enthielt vielfache Auszüge aus literarischen Kritiken der Franzosen.<lb/> Nebenbei arbeitete Huber eifrig am „Freimüthigen" und es wirft aus leinen<lb/> Charakter kein günstiges Licht, daß er seinen Ton viesem Blatt, dem Organ<lb/> ^r Feinde Goethes und der Romantik, gar zu sehr anpaßt. So hatte er in<lb/> ^r L. Z. Goethes Mahomet und Tancred sehr eingehend und verständig<lb/> besprochen, gelobt und getadelt, was zu loben und zu tadeln war; im Frei¬<lb/> wüthigen klingt es ganz anders. Zuerst analysirt er Schillers bekanntes Ge¬<lb/> dicht: „Goethe wollte nicht, undankbar gegen die Schule Lessings. ohne welche<lb/> ^ selbst seinen hohen Schwung nicht genommen haben würde, die todte</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0273]
auf Veränderung seines Wohnplatzes denken: er bedürfte eines regelmäßigen
Verkehrs mit deutschen Buchhändlern; der Unterhalt seiner Familie beruhte
auf immer neuen Unternehmungen, immer erneuten Verabredungen mit ihnen,
die durch den Ausbruch des Krieges unmöglich wurden. Unter diesen Umständen
Aas ihn ein Antrag Cottas, mit Posselt. der den Geschäften nicht mehr
ganz gewachsen war, vereint die Allgemeine Zeitung (damals „Weltkunde"
genannt) zu redigiren. Im Februar 1798 ging er nach Tübingen ab; die
Familie folgte ihm nach kurzer Zeit. Seine neue Beschäftigung gewann er
bald sehr lieb, indem er, um sich in den Zeitverhültnissen zu orientiren, ernsthafte
historische Studien damit verband. Die Schnelligkeit, mit der er arbeitete,
gewann ihm Zeit, neben dieser Lectüre noch manche andere Beschäftigung
zu unternehmen. Hauptsächlich strebte er nach Objektivität: jeder Partei gleich¬
mäßig gerecht zu sein und das Wichtige und Charakteristische scharf hervor¬
zuheben. Freilich wurde diese Unparteilichkeit nicht selten durch die Censur ge¬
stört; wenigstens aber schwieg er. wo er nicht nach seiner Ueberzeugung reden
konnte. — Ende August 1798 wurde die Zeitung durch die Negierung veran¬
laßt, die Redaction nach Stuttgart zu verlegen; sür die Familie wieder ein harter
Schlag, um so mehr, da Huber zu Anfang 1799 in eine schwere Krankheit verfiel;
in dieser Perote übernahm Therese die Redaction. Bald hatten sie sich in Land
und Volk eingelebt, und betrachteten Schwaben als eine neue Heimath. Auch
der dreirlndsiebzigjährige Vater (die Mutter war 1798 gestorben) erfreute sie in
diesem Jahr mit seinem Besuch.
Wenn die Politik Huber vorzugsweise beschäftigte, so strebte er doch auch
ernstlich danach, die Lücken seiner literarischen Kenntnisse zu ergänzen. Erst
w den letzten Jahren in der Schweiz hatte er durch französische Versetzungen,
die er zu seinem Broderwerb durchsah, einen Begriff von der griechischen
Poesie erhalten, grade wie Schiller. Bei seiner Rückkehr nach Deutschland
war Vossens Homer seine erste Lectüre. sodann die drei Tragiker, von Stoll-
bng und Bothe übersetzt. „Die Wirkung, die diese Werke auf ihn machten,
war unbeschreiblich; sie versetzten ihn erst in das Gebiet der Poesie." Der alte
Heyne hatte einen ziemlich ungelehrten Schwiegersohn. — Die Allgemeine
Zeitung enthielt vielfache Auszüge aus literarischen Kritiken der Franzosen.
Nebenbei arbeitete Huber eifrig am „Freimüthigen" und es wirft aus leinen
Charakter kein günstiges Licht, daß er seinen Ton viesem Blatt, dem Organ
^r Feinde Goethes und der Romantik, gar zu sehr anpaßt. So hatte er in
^r L. Z. Goethes Mahomet und Tancred sehr eingehend und verständig
besprochen, gelobt und getadelt, was zu loben und zu tadeln war; im Frei¬
wüthigen klingt es ganz anders. Zuerst analysirt er Schillers bekanntes Ge¬
dicht: „Goethe wollte nicht, undankbar gegen die Schule Lessings. ohne welche
^ selbst seinen hohen Schwung nicht genommen haben würde, die todte
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