Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.rakter ist eine sonderbare Erscheinung. Und nun vollends die durchgängig Indem er so in den geistigen Kern der Revolution einzudringen sucht, Endlich griff die Revolution auch in sein Schicksal ein. Als im Herbst rakter ist eine sonderbare Erscheinung. Und nun vollends die durchgängig Indem er so in den geistigen Kern der Revolution einzudringen sucht, Endlich griff die Revolution auch in sein Schicksal ein. Als im Herbst <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0272" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107319"/> <p xml:id="ID_782" prev="#ID_781"> rakter ist eine sonderbare Erscheinung. Und nun vollends die durchgängig<lb/> achtungsvolle, einfache, tief empfundene Anerkennung der edelsten, schönsten<lb/> Weiblichkeit, von welcher hier so feine, geheime, so tief aufgegriffene, wahre<lb/> und seltene Züge vorkommen, und in so großer Menge vorkommen, als in keinem<lb/> andern Schriftsteller. Der Mensch ist Dummkopf, Narr, Schurke, Vieh, eins<lb/> um das andere, und oft alles in Einem, und dennoch ist er gleichsam privi-<lb/> legirt, reinen, wahren Seelenadel in der menschlichen Natur anzuschauen, und<lb/> so anzuschauen, wie man es nur im Leben und durch das Leben-kann, keines¬<lb/> wegs durch poetische Geistesanlage, die ohnedem in diesem Menschen so ganz<lb/> Null oder noch viel schlimmer als Null ist."</p><lb/> <p xml:id="ID_783"> Indem er so in den geistigen Kern der Revolution einzudringen sucht,<lb/> bewahrt er sich das freie Urtheil in Bezug auf ihre äußere Erscheinung. Einem<lb/> Freund in der Schweiz, der über die herrschenden Jakobiner empört ist, schreibt<lb/> er 20. September 1797 : „Es sind, ich gebe es zu, ausgelernie Teufel; wenn<lb/> ich aber die Verwicklungen alle bedenke, so finde ich, die Menschen, welche<lb/> jetzt an der Spitze der republikanischen Regierung standen, hätten ausgelernte<lb/> Engel, hätten mehr als Menschen sein müssen, um auf der Bahn des Gesetzes<lb/> und des Rechts die Energie zu haben, welche die Republik erhalten mußte.<lb/> So menschlich gemischt, wie alles ist, ist der Grad revolutionärer Teufelei ein<lb/> Ingrediens, dessen das Schicksal bedarf, um den Gang des Zeitalters zu voll¬<lb/> enden." (9. Nov.) „Was alles für Gewalt, für Frevel sogar, in den Um¬<lb/> schwung sich mischen würde, der durch die französische Revolution den Menschen<lb/> bestimmt war, mußte immer mit einbegriffen sein, wenn du jenen Umschwung<lb/> segnetest. Theilen sollst du gewiß nichts, was Gewalt und Frevel sein wird,<lb/> ja du sollst ihm, wo es dein Beruf ist, aus aller Kraft widerstehn; aber ich<lb/> tadle so sehr, als ich es bedaure, daß du den hellen, heitern Blick auf das<lb/> Ganze verlierst. Die Geschichte der Vervollkommnung war auch bis jetzt in<lb/> den meisten ihrer Theile nichts weniger als tröstlich, und doch hattest du bis<lb/> jetzt den Gesichtspunkt der Vervollkommnung im Auge behalten." — „Theilt<lb/> ihr nicht den Fehler der Gironde. durch welchen sie versäumte, halb aufgeklärte<lb/> schwärmerische aber wohlmeinende Menschen unter ihren Gegnern schonend<lb/> zurückzuführen? Tolle und boshafte Ignoranz schreit gern über Aristokratie der<lb/> Bessern, aber die Bessern üben zu leicht, aus Verachtung und Abscheu gegen<lb/> jene Ignoranz, wirklich eine gewisse Aristokratie, eine drückende Superiorität,<lb/> und besonders Unmittheilung gegen Menschen aus, die vielleicht aus Mangel<lb/> an Zuvvrkommung, Schonung, Mittheilung von Seiten der Bessern, zwischen<lb/> ihnen und jenen schwanken, jenen aber nie zufallen würden, wenn die Bessern<lb/> sie mit kluger Humanität behandelten."</p><lb/> <p xml:id="ID_784" next="#ID_785"> Endlich griff die Revolution auch in sein Schicksal ein. Als im Herbst<lb/> 1797 auch die Schweiz den revolutionären Wirren verfiel, mußte er ernstlich</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0272]
rakter ist eine sonderbare Erscheinung. Und nun vollends die durchgängig
achtungsvolle, einfache, tief empfundene Anerkennung der edelsten, schönsten
Weiblichkeit, von welcher hier so feine, geheime, so tief aufgegriffene, wahre
und seltene Züge vorkommen, und in so großer Menge vorkommen, als in keinem
andern Schriftsteller. Der Mensch ist Dummkopf, Narr, Schurke, Vieh, eins
um das andere, und oft alles in Einem, und dennoch ist er gleichsam privi-
legirt, reinen, wahren Seelenadel in der menschlichen Natur anzuschauen, und
so anzuschauen, wie man es nur im Leben und durch das Leben-kann, keines¬
wegs durch poetische Geistesanlage, die ohnedem in diesem Menschen so ganz
Null oder noch viel schlimmer als Null ist."
Indem er so in den geistigen Kern der Revolution einzudringen sucht,
bewahrt er sich das freie Urtheil in Bezug auf ihre äußere Erscheinung. Einem
Freund in der Schweiz, der über die herrschenden Jakobiner empört ist, schreibt
er 20. September 1797 : „Es sind, ich gebe es zu, ausgelernie Teufel; wenn
ich aber die Verwicklungen alle bedenke, so finde ich, die Menschen, welche
jetzt an der Spitze der republikanischen Regierung standen, hätten ausgelernte
Engel, hätten mehr als Menschen sein müssen, um auf der Bahn des Gesetzes
und des Rechts die Energie zu haben, welche die Republik erhalten mußte.
So menschlich gemischt, wie alles ist, ist der Grad revolutionärer Teufelei ein
Ingrediens, dessen das Schicksal bedarf, um den Gang des Zeitalters zu voll¬
enden." (9. Nov.) „Was alles für Gewalt, für Frevel sogar, in den Um¬
schwung sich mischen würde, der durch die französische Revolution den Menschen
bestimmt war, mußte immer mit einbegriffen sein, wenn du jenen Umschwung
segnetest. Theilen sollst du gewiß nichts, was Gewalt und Frevel sein wird,
ja du sollst ihm, wo es dein Beruf ist, aus aller Kraft widerstehn; aber ich
tadle so sehr, als ich es bedaure, daß du den hellen, heitern Blick auf das
Ganze verlierst. Die Geschichte der Vervollkommnung war auch bis jetzt in
den meisten ihrer Theile nichts weniger als tröstlich, und doch hattest du bis
jetzt den Gesichtspunkt der Vervollkommnung im Auge behalten." — „Theilt
ihr nicht den Fehler der Gironde. durch welchen sie versäumte, halb aufgeklärte
schwärmerische aber wohlmeinende Menschen unter ihren Gegnern schonend
zurückzuführen? Tolle und boshafte Ignoranz schreit gern über Aristokratie der
Bessern, aber die Bessern üben zu leicht, aus Verachtung und Abscheu gegen
jene Ignoranz, wirklich eine gewisse Aristokratie, eine drückende Superiorität,
und besonders Unmittheilung gegen Menschen aus, die vielleicht aus Mangel
an Zuvvrkommung, Schonung, Mittheilung von Seiten der Bessern, zwischen
ihnen und jenen schwanken, jenen aber nie zufallen würden, wenn die Bessern
sie mit kluger Humanität behandelten."
Endlich griff die Revolution auch in sein Schicksal ein. Als im Herbst
1797 auch die Schweiz den revolutionären Wirren verfiel, mußte er ernstlich
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