Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

allgemeinen Geltung gekommenen Goldwährung eingegangenen Geldgeschäfte.
Welche Schwierigkeit und welche Verwirrung würde es aber anrichten, wenn
bei einer Demonetisation des Goldes unterschieden werden sollte zwischen den
Zahlungsverbindlichkeiten, die noch unter der entschiedenen Herrschaft der vor¬
wiegenden Silbcrvaluta, und derjenigen, die während der Uebergangsperiode
oder die erst zur Zeit der vorherrschenden Goldwährung contrahirt worden sind!

In den Jahren 1850 und 1851 hätte allerdings ohne auffällige Beein¬
trächtigung bestehender rechtlicher Interessen eine Beseitigung der Goldwährung
neben der Principalen Silberwährung vorgenommen werden können, denn bis
dahin war bei dem höheren Werth des Goldes aus dem Weltmarkt die durch
das Münzgesctz gestattete Befugnis; zur Zahlung mit Goldmünzen zu ihrem
Nominalwerth in der Praxis so gut wie gar nicht zur Ausführung gekom¬
men. Alle bis dahin in Frankreich contrahirten Zahlungsverbindlichkeiten
hatten unter factischer Zugrundelegung der Silbervaluta stattgefunden, und
das Recht der Leistung solcher Zahlungen mittelst Gold nach der Werthrelation
von 1:15.5 bestand eigentlich nur in der Theorie, da in Geldsachen niemand
gewiß freiwillig einen größern Werth zahlt, als womit er seiner Verbindlich¬
keit rechtlich genügen kann. Wie unendlich viele Zahlungsverbindlichkeiten
sind nun aber grade in den letztverflossenen neun Jahren bei dem ungeheuren
Aufschwung des Verkehrs in allen seinen Beziehungen, bei den vielen neuen
Actienunternehmungen und Anleihen aller Art zu Stande gekommen, und
sollte der Gesammtbetrag derselben nicht vielleicht sich schon höher belaufen,
mis die von 1851 contrahirten und seitdem noch unverändert fortdauernden
Zahlungsverbindlichkeiten?

Herr Chevalier hat zum Zweck einer möglichst einleuchtenden Argumen¬
tation, wie schon erwähnt, die Hypothese aufgestellt, daß im Verlauf der
nächsten zehn Jahr der Werth des Goldes um die Hälfte sinken werde. Es
soll dies offenbar nur der Ausdruck der Vermuthung sein, daß die Werth-
Verringerung in nächster Zeit eine ganz außerordentliche, alle bisherigen Er¬
fahrungen weit zurücklassende sein werde. Wie sehr wir nun aber puch der
Ansicht sind, daß, sobald der Silbermünzvorräth Frankreichs nicht mehr im
Stande ist, zu der jetzigen Werthrelation gegen Substituirung von Gold für
die bedeutende Nachfrage nach Silber zur Ausfuhr nach Asien eine bequeme
und ausreichende Aushilfe zu gewähren, und unter Voraussetzung von im
Wesentlichen gleichbleibenden Productionsverhältnissen die Werthverringerung
des Goldes von jetzt an progressiv vor sich gehen wird, so bezweifeln wir
doch sehr, daß dieselbe eine jener Hypothese irgend nahe kommende Erschei¬
nung in Wirklichkeit ausweisen dürste. Ein Moment freilich könnte vielleicht
geeignet sein, eine plötzliche erschütternde Werthrevolution dieser Art zu be¬
wirken, und das ist grade diejenige Maßregel, welche Herr Chevalier als


29^

allgemeinen Geltung gekommenen Goldwährung eingegangenen Geldgeschäfte.
Welche Schwierigkeit und welche Verwirrung würde es aber anrichten, wenn
bei einer Demonetisation des Goldes unterschieden werden sollte zwischen den
Zahlungsverbindlichkeiten, die noch unter der entschiedenen Herrschaft der vor¬
wiegenden Silbcrvaluta, und derjenigen, die während der Uebergangsperiode
oder die erst zur Zeit der vorherrschenden Goldwährung contrahirt worden sind!

In den Jahren 1850 und 1851 hätte allerdings ohne auffällige Beein¬
trächtigung bestehender rechtlicher Interessen eine Beseitigung der Goldwährung
neben der Principalen Silberwährung vorgenommen werden können, denn bis
dahin war bei dem höheren Werth des Goldes aus dem Weltmarkt die durch
das Münzgesctz gestattete Befugnis; zur Zahlung mit Goldmünzen zu ihrem
Nominalwerth in der Praxis so gut wie gar nicht zur Ausführung gekom¬
men. Alle bis dahin in Frankreich contrahirten Zahlungsverbindlichkeiten
hatten unter factischer Zugrundelegung der Silbervaluta stattgefunden, und
das Recht der Leistung solcher Zahlungen mittelst Gold nach der Werthrelation
von 1:15.5 bestand eigentlich nur in der Theorie, da in Geldsachen niemand
gewiß freiwillig einen größern Werth zahlt, als womit er seiner Verbindlich¬
keit rechtlich genügen kann. Wie unendlich viele Zahlungsverbindlichkeiten
sind nun aber grade in den letztverflossenen neun Jahren bei dem ungeheuren
Aufschwung des Verkehrs in allen seinen Beziehungen, bei den vielen neuen
Actienunternehmungen und Anleihen aller Art zu Stande gekommen, und
sollte der Gesammtbetrag derselben nicht vielleicht sich schon höher belaufen,
mis die von 1851 contrahirten und seitdem noch unverändert fortdauernden
Zahlungsverbindlichkeiten?

Herr Chevalier hat zum Zweck einer möglichst einleuchtenden Argumen¬
tation, wie schon erwähnt, die Hypothese aufgestellt, daß im Verlauf der
nächsten zehn Jahr der Werth des Goldes um die Hälfte sinken werde. Es
soll dies offenbar nur der Ausdruck der Vermuthung sein, daß die Werth-
Verringerung in nächster Zeit eine ganz außerordentliche, alle bisherigen Er¬
fahrungen weit zurücklassende sein werde. Wie sehr wir nun aber puch der
Ansicht sind, daß, sobald der Silbermünzvorräth Frankreichs nicht mehr im
Stande ist, zu der jetzigen Werthrelation gegen Substituirung von Gold für
die bedeutende Nachfrage nach Silber zur Ausfuhr nach Asien eine bequeme
und ausreichende Aushilfe zu gewähren, und unter Voraussetzung von im
Wesentlichen gleichbleibenden Productionsverhältnissen die Werthverringerung
des Goldes von jetzt an progressiv vor sich gehen wird, so bezweifeln wir
doch sehr, daß dieselbe eine jener Hypothese irgend nahe kommende Erschei¬
nung in Wirklichkeit ausweisen dürste. Ein Moment freilich könnte vielleicht
geeignet sein, eine plötzliche erschütternde Werthrevolution dieser Art zu be¬
wirken, und das ist grade diejenige Maßregel, welche Herr Chevalier als


29^
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0237" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107284"/>
            <p xml:id="ID_670" prev="#ID_669"> allgemeinen Geltung gekommenen Goldwährung eingegangenen Geldgeschäfte.<lb/>
Welche Schwierigkeit und welche Verwirrung würde es aber anrichten, wenn<lb/>
bei einer Demonetisation des Goldes unterschieden werden sollte zwischen den<lb/>
Zahlungsverbindlichkeiten, die noch unter der entschiedenen Herrschaft der vor¬<lb/>
wiegenden Silbcrvaluta, und derjenigen, die während der Uebergangsperiode<lb/>
oder die erst zur Zeit der vorherrschenden Goldwährung contrahirt worden sind!</p><lb/>
            <p xml:id="ID_671"> In den Jahren 1850 und 1851 hätte allerdings ohne auffällige Beein¬<lb/>
trächtigung bestehender rechtlicher Interessen eine Beseitigung der Goldwährung<lb/>
neben der Principalen Silberwährung vorgenommen werden können, denn bis<lb/>
dahin war bei dem höheren Werth des Goldes aus dem Weltmarkt die durch<lb/>
das Münzgesctz gestattete Befugnis; zur Zahlung mit Goldmünzen zu ihrem<lb/>
Nominalwerth in der Praxis so gut wie gar nicht zur Ausführung gekom¬<lb/>
men. Alle bis dahin in Frankreich contrahirten Zahlungsverbindlichkeiten<lb/>
hatten unter factischer Zugrundelegung der Silbervaluta stattgefunden, und<lb/>
das Recht der Leistung solcher Zahlungen mittelst Gold nach der Werthrelation<lb/>
von 1:15.5 bestand eigentlich nur in der Theorie, da in Geldsachen niemand<lb/>
gewiß freiwillig einen größern Werth zahlt, als womit er seiner Verbindlich¬<lb/>
keit rechtlich genügen kann. Wie unendlich viele Zahlungsverbindlichkeiten<lb/>
sind nun aber grade in den letztverflossenen neun Jahren bei dem ungeheuren<lb/>
Aufschwung des Verkehrs in allen seinen Beziehungen, bei den vielen neuen<lb/>
Actienunternehmungen und Anleihen aller Art zu Stande gekommen, und<lb/>
sollte der Gesammtbetrag derselben nicht vielleicht sich schon höher belaufen,<lb/>
mis die von 1851 contrahirten und seitdem noch unverändert fortdauernden<lb/>
Zahlungsverbindlichkeiten?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_672" next="#ID_673"> Herr Chevalier hat zum Zweck einer möglichst einleuchtenden Argumen¬<lb/>
tation, wie schon erwähnt, die Hypothese aufgestellt, daß im Verlauf der<lb/>
nächsten zehn Jahr der Werth des Goldes um die Hälfte sinken werde. Es<lb/>
soll dies offenbar nur der Ausdruck der Vermuthung sein, daß die Werth-<lb/>
Verringerung in nächster Zeit eine ganz außerordentliche, alle bisherigen Er¬<lb/>
fahrungen weit zurücklassende sein werde. Wie sehr wir nun aber puch der<lb/>
Ansicht sind, daß, sobald der Silbermünzvorräth Frankreichs nicht mehr im<lb/>
Stande ist, zu der jetzigen Werthrelation gegen Substituirung von Gold für<lb/>
die bedeutende Nachfrage nach Silber zur Ausfuhr nach Asien eine bequeme<lb/>
und ausreichende Aushilfe zu gewähren, und unter Voraussetzung von im<lb/>
Wesentlichen gleichbleibenden Productionsverhältnissen die Werthverringerung<lb/>
des Goldes von jetzt an progressiv vor sich gehen wird, so bezweifeln wir<lb/>
doch sehr, daß dieselbe eine jener Hypothese irgend nahe kommende Erschei¬<lb/>
nung in Wirklichkeit ausweisen dürste. Ein Moment freilich könnte vielleicht<lb/>
geeignet sein, eine plötzliche erschütternde Werthrevolution dieser Art zu be¬<lb/>
wirken, und das ist grade diejenige Maßregel, welche Herr Chevalier als</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> 29^</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0237] allgemeinen Geltung gekommenen Goldwährung eingegangenen Geldgeschäfte. Welche Schwierigkeit und welche Verwirrung würde es aber anrichten, wenn bei einer Demonetisation des Goldes unterschieden werden sollte zwischen den Zahlungsverbindlichkeiten, die noch unter der entschiedenen Herrschaft der vor¬ wiegenden Silbcrvaluta, und derjenigen, die während der Uebergangsperiode oder die erst zur Zeit der vorherrschenden Goldwährung contrahirt worden sind! In den Jahren 1850 und 1851 hätte allerdings ohne auffällige Beein¬ trächtigung bestehender rechtlicher Interessen eine Beseitigung der Goldwährung neben der Principalen Silberwährung vorgenommen werden können, denn bis dahin war bei dem höheren Werth des Goldes aus dem Weltmarkt die durch das Münzgesctz gestattete Befugnis; zur Zahlung mit Goldmünzen zu ihrem Nominalwerth in der Praxis so gut wie gar nicht zur Ausführung gekom¬ men. Alle bis dahin in Frankreich contrahirten Zahlungsverbindlichkeiten hatten unter factischer Zugrundelegung der Silbervaluta stattgefunden, und das Recht der Leistung solcher Zahlungen mittelst Gold nach der Werthrelation von 1:15.5 bestand eigentlich nur in der Theorie, da in Geldsachen niemand gewiß freiwillig einen größern Werth zahlt, als womit er seiner Verbindlich¬ keit rechtlich genügen kann. Wie unendlich viele Zahlungsverbindlichkeiten sind nun aber grade in den letztverflossenen neun Jahren bei dem ungeheuren Aufschwung des Verkehrs in allen seinen Beziehungen, bei den vielen neuen Actienunternehmungen und Anleihen aller Art zu Stande gekommen, und sollte der Gesammtbetrag derselben nicht vielleicht sich schon höher belaufen, mis die von 1851 contrahirten und seitdem noch unverändert fortdauernden Zahlungsverbindlichkeiten? Herr Chevalier hat zum Zweck einer möglichst einleuchtenden Argumen¬ tation, wie schon erwähnt, die Hypothese aufgestellt, daß im Verlauf der nächsten zehn Jahr der Werth des Goldes um die Hälfte sinken werde. Es soll dies offenbar nur der Ausdruck der Vermuthung sein, daß die Werth- Verringerung in nächster Zeit eine ganz außerordentliche, alle bisherigen Er¬ fahrungen weit zurücklassende sein werde. Wie sehr wir nun aber puch der Ansicht sind, daß, sobald der Silbermünzvorräth Frankreichs nicht mehr im Stande ist, zu der jetzigen Werthrelation gegen Substituirung von Gold für die bedeutende Nachfrage nach Silber zur Ausfuhr nach Asien eine bequeme und ausreichende Aushilfe zu gewähren, und unter Voraussetzung von im Wesentlichen gleichbleibenden Productionsverhältnissen die Werthverringerung des Goldes von jetzt an progressiv vor sich gehen wird, so bezweifeln wir doch sehr, daß dieselbe eine jener Hypothese irgend nahe kommende Erschei¬ nung in Wirklichkeit ausweisen dürste. Ein Moment freilich könnte vielleicht geeignet sein, eine plötzliche erschütternde Werthrevolution dieser Art zu be¬ wirken, und das ist grade diejenige Maßregel, welche Herr Chevalier als 29^

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/237
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/237>, abgerufen am 22.12.2024.