Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

das Gold im Werth verloren hat. Allein man betrachte unbefangen nun
auch die Kehrseite, daß nach dem Vorschlag des Herrn Chevalier das Gold
demonetisirt und die Silbnivährung als die allein gesetzliche beliebt werde;
man nehme die Hypothese eines Sinkens der Werthrelation des Goldes zum
Silber von 1: 15,50 auf 1: 7.75, wie stellt sich dann die Sache für die
Zahlungspflichtigen? Der in Rede stehenden Werthvcrringeruug des Goldes
entspricht ganz genau die Werthstcigerung des Silbers, und dem Vortheil des
Gläubigers, der Nachtheil des Schuldners. Würde die Demonetisation des
Goldes vor sich gehen und die angenommene eventuelle Revolution im Werth¬
verhältniß der Edelmetalle zueinander wirklich eintreten, so wäre die Folge,
daß z. B. jemand, welcher im Jahre 1851 ein Darlehen von 31,000 Franken
aufgenommen und dasselbe in 1550 Zwanzigfrankstücken oder, was dasselbe,
mit einem Kilogramm Gold ("/-,<, fein) ausbezahlt erhalten hat, gezwungen
würde, dasselbe nun mit zwei Kilogramm Gold, oder mit dem Werthe dieses
Goldbetrages in Silber, also grade mit dem Doppelten zurückzuzahlen. Die
Unbilligkeit, ja die Ungerechtigkeit einer solchen Maßregel liegt klar vor Augen.
Seit 1803 mußte jeder in Frankreich, der über eine gewisse Summe, in
Franken angegeben, contrahirte, sich sagen, er thue dies unter der Bedin¬
gung, daß die bedungene Zahlung nach Wahl des Schuldners entweder in
Fünffrankstücken ^ 25 Gramm Münzsilber, oder in Zwanzigfrankstücken g. 0.645
Gramm Münzgold zurückerstattet werde. Nun soll plötzlich ein Gesetz mit
rückwirkender Kraft zum Nachtheil des Schuldners dazwischentreten, und
diesem die ihm bei der Contrahirung stillschweigend zugestandene Facultät?
seine Zahlungsvcrbindlichkeit durch eine damals bestimmte Menge Gold zu
erfüllen, plötzlich und willkürlich entziehen! Herr Chevalier selbst kann nicht
umhin einzugestehen, daß es ein gewaltsamer Eingriff in bestehende einfache
Rechtsverhältnisse sein würde, wenn in England die Silberwährung an die
Stelle der Goldwährung gesetzt würde, indem jede auf Pfund Sterling lautende
Zahlungsverbitldlichkeit nichts mehr und nichts weniger verspreche, als ein
genau bestimmtes Quantum Gold von einer bestimmten Feinheit. Wie nun
im Fall einer noch so beträchtlichen Werthsteigerung des Goldes, die ohne
die Entdeckung der Goldlager in Sibirien, Kalifornien und Australien wol
unausbleiblich gewesen wäre, das Gesetz ohne offenbare Rechtsverletzung nicht
hätte einschreiten dürfen, um mit rückwirkender Kraft den Zahlungspflichtigen
zu gestatten, mittelst einer geringeren Quantität Gold, als vereinbart war,
ihrer Verbindlichkeit sich zu entledigen, ebenso wenig kann ein Eingriff von
der andern. Seite, her als stattnehmig erscheinen, wenn durch natürliche Vor¬
gänge eine Werthverringerung des Goldes eintritt, und sei dieselbe noch so
beträchtlich. Was aber für England gilt, findet augenscheinlich seine volle
Anwendung auch auf Frankreich, ganz besonders in Betreff aller seit der zur


das Gold im Werth verloren hat. Allein man betrachte unbefangen nun
auch die Kehrseite, daß nach dem Vorschlag des Herrn Chevalier das Gold
demonetisirt und die Silbnivährung als die allein gesetzliche beliebt werde;
man nehme die Hypothese eines Sinkens der Werthrelation des Goldes zum
Silber von 1: 15,50 auf 1: 7.75, wie stellt sich dann die Sache für die
Zahlungspflichtigen? Der in Rede stehenden Werthvcrringeruug des Goldes
entspricht ganz genau die Werthstcigerung des Silbers, und dem Vortheil des
Gläubigers, der Nachtheil des Schuldners. Würde die Demonetisation des
Goldes vor sich gehen und die angenommene eventuelle Revolution im Werth¬
verhältniß der Edelmetalle zueinander wirklich eintreten, so wäre die Folge,
daß z. B. jemand, welcher im Jahre 1851 ein Darlehen von 31,000 Franken
aufgenommen und dasselbe in 1550 Zwanzigfrankstücken oder, was dasselbe,
mit einem Kilogramm Gold ("/-,<, fein) ausbezahlt erhalten hat, gezwungen
würde, dasselbe nun mit zwei Kilogramm Gold, oder mit dem Werthe dieses
Goldbetrages in Silber, also grade mit dem Doppelten zurückzuzahlen. Die
Unbilligkeit, ja die Ungerechtigkeit einer solchen Maßregel liegt klar vor Augen.
Seit 1803 mußte jeder in Frankreich, der über eine gewisse Summe, in
Franken angegeben, contrahirte, sich sagen, er thue dies unter der Bedin¬
gung, daß die bedungene Zahlung nach Wahl des Schuldners entweder in
Fünffrankstücken ^ 25 Gramm Münzsilber, oder in Zwanzigfrankstücken g. 0.645
Gramm Münzgold zurückerstattet werde. Nun soll plötzlich ein Gesetz mit
rückwirkender Kraft zum Nachtheil des Schuldners dazwischentreten, und
diesem die ihm bei der Contrahirung stillschweigend zugestandene Facultät?
seine Zahlungsvcrbindlichkeit durch eine damals bestimmte Menge Gold zu
erfüllen, plötzlich und willkürlich entziehen! Herr Chevalier selbst kann nicht
umhin einzugestehen, daß es ein gewaltsamer Eingriff in bestehende einfache
Rechtsverhältnisse sein würde, wenn in England die Silberwährung an die
Stelle der Goldwährung gesetzt würde, indem jede auf Pfund Sterling lautende
Zahlungsverbitldlichkeit nichts mehr und nichts weniger verspreche, als ein
genau bestimmtes Quantum Gold von einer bestimmten Feinheit. Wie nun
im Fall einer noch so beträchtlichen Werthsteigerung des Goldes, die ohne
die Entdeckung der Goldlager in Sibirien, Kalifornien und Australien wol
unausbleiblich gewesen wäre, das Gesetz ohne offenbare Rechtsverletzung nicht
hätte einschreiten dürfen, um mit rückwirkender Kraft den Zahlungspflichtigen
zu gestatten, mittelst einer geringeren Quantität Gold, als vereinbart war,
ihrer Verbindlichkeit sich zu entledigen, ebenso wenig kann ein Eingriff von
der andern. Seite, her als stattnehmig erscheinen, wenn durch natürliche Vor¬
gänge eine Werthverringerung des Goldes eintritt, und sei dieselbe noch so
beträchtlich. Was aber für England gilt, findet augenscheinlich seine volle
Anwendung auch auf Frankreich, ganz besonders in Betreff aller seit der zur


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0236" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107283"/>
            <p xml:id="ID_669" prev="#ID_668" next="#ID_670"> das Gold im Werth verloren hat. Allein man betrachte unbefangen nun<lb/>
auch die Kehrseite, daß nach dem Vorschlag des Herrn Chevalier das Gold<lb/>
demonetisirt und die Silbnivährung als die allein gesetzliche beliebt werde;<lb/>
man nehme die Hypothese eines Sinkens der Werthrelation des Goldes zum<lb/>
Silber von 1: 15,50 auf 1: 7.75, wie stellt sich dann die Sache für die<lb/>
Zahlungspflichtigen? Der in Rede stehenden Werthvcrringeruug des Goldes<lb/>
entspricht ganz genau die Werthstcigerung des Silbers, und dem Vortheil des<lb/>
Gläubigers, der Nachtheil des Schuldners. Würde die Demonetisation des<lb/>
Goldes vor sich gehen und die angenommene eventuelle Revolution im Werth¬<lb/>
verhältniß der Edelmetalle zueinander wirklich eintreten, so wäre die Folge,<lb/>
daß z. B. jemand, welcher im Jahre 1851 ein Darlehen von 31,000 Franken<lb/>
aufgenommen und dasselbe in 1550 Zwanzigfrankstücken oder, was dasselbe,<lb/>
mit einem Kilogramm Gold ("/-,&lt;, fein) ausbezahlt erhalten hat, gezwungen<lb/>
würde, dasselbe nun mit zwei Kilogramm Gold, oder mit dem Werthe dieses<lb/>
Goldbetrages in Silber, also grade mit dem Doppelten zurückzuzahlen. Die<lb/>
Unbilligkeit, ja die Ungerechtigkeit einer solchen Maßregel liegt klar vor Augen.<lb/>
Seit 1803 mußte jeder in Frankreich, der über eine gewisse Summe, in<lb/>
Franken angegeben, contrahirte, sich sagen, er thue dies unter der Bedin¬<lb/>
gung, daß die bedungene Zahlung nach Wahl des Schuldners entweder in<lb/>
Fünffrankstücken ^ 25 Gramm Münzsilber, oder in Zwanzigfrankstücken g. 0.645<lb/>
Gramm Münzgold zurückerstattet werde. Nun soll plötzlich ein Gesetz mit<lb/>
rückwirkender Kraft zum Nachtheil des Schuldners dazwischentreten, und<lb/>
diesem die ihm bei der Contrahirung stillschweigend zugestandene Facultät?<lb/>
seine Zahlungsvcrbindlichkeit durch eine damals bestimmte Menge Gold zu<lb/>
erfüllen, plötzlich und willkürlich entziehen! Herr Chevalier selbst kann nicht<lb/>
umhin einzugestehen, daß es ein gewaltsamer Eingriff in bestehende einfache<lb/>
Rechtsverhältnisse sein würde, wenn in England die Silberwährung an die<lb/>
Stelle der Goldwährung gesetzt würde, indem jede auf Pfund Sterling lautende<lb/>
Zahlungsverbitldlichkeit nichts mehr und nichts weniger verspreche, als ein<lb/>
genau bestimmtes Quantum Gold von einer bestimmten Feinheit. Wie nun<lb/>
im Fall einer noch so beträchtlichen Werthsteigerung des Goldes, die ohne<lb/>
die Entdeckung der Goldlager in Sibirien, Kalifornien und Australien wol<lb/>
unausbleiblich gewesen wäre, das Gesetz ohne offenbare Rechtsverletzung nicht<lb/>
hätte einschreiten dürfen, um mit rückwirkender Kraft den Zahlungspflichtigen<lb/>
zu gestatten, mittelst einer geringeren Quantität Gold, als vereinbart war,<lb/>
ihrer Verbindlichkeit sich zu entledigen, ebenso wenig kann ein Eingriff von<lb/>
der andern. Seite, her als stattnehmig erscheinen, wenn durch natürliche Vor¬<lb/>
gänge eine Werthverringerung des Goldes eintritt, und sei dieselbe noch so<lb/>
beträchtlich. Was aber für England gilt, findet augenscheinlich seine volle<lb/>
Anwendung auch auf Frankreich, ganz besonders in Betreff aller seit der zur</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0236] das Gold im Werth verloren hat. Allein man betrachte unbefangen nun auch die Kehrseite, daß nach dem Vorschlag des Herrn Chevalier das Gold demonetisirt und die Silbnivährung als die allein gesetzliche beliebt werde; man nehme die Hypothese eines Sinkens der Werthrelation des Goldes zum Silber von 1: 15,50 auf 1: 7.75, wie stellt sich dann die Sache für die Zahlungspflichtigen? Der in Rede stehenden Werthvcrringeruug des Goldes entspricht ganz genau die Werthstcigerung des Silbers, und dem Vortheil des Gläubigers, der Nachtheil des Schuldners. Würde die Demonetisation des Goldes vor sich gehen und die angenommene eventuelle Revolution im Werth¬ verhältniß der Edelmetalle zueinander wirklich eintreten, so wäre die Folge, daß z. B. jemand, welcher im Jahre 1851 ein Darlehen von 31,000 Franken aufgenommen und dasselbe in 1550 Zwanzigfrankstücken oder, was dasselbe, mit einem Kilogramm Gold ("/-,<, fein) ausbezahlt erhalten hat, gezwungen würde, dasselbe nun mit zwei Kilogramm Gold, oder mit dem Werthe dieses Goldbetrages in Silber, also grade mit dem Doppelten zurückzuzahlen. Die Unbilligkeit, ja die Ungerechtigkeit einer solchen Maßregel liegt klar vor Augen. Seit 1803 mußte jeder in Frankreich, der über eine gewisse Summe, in Franken angegeben, contrahirte, sich sagen, er thue dies unter der Bedin¬ gung, daß die bedungene Zahlung nach Wahl des Schuldners entweder in Fünffrankstücken ^ 25 Gramm Münzsilber, oder in Zwanzigfrankstücken g. 0.645 Gramm Münzgold zurückerstattet werde. Nun soll plötzlich ein Gesetz mit rückwirkender Kraft zum Nachtheil des Schuldners dazwischentreten, und diesem die ihm bei der Contrahirung stillschweigend zugestandene Facultät? seine Zahlungsvcrbindlichkeit durch eine damals bestimmte Menge Gold zu erfüllen, plötzlich und willkürlich entziehen! Herr Chevalier selbst kann nicht umhin einzugestehen, daß es ein gewaltsamer Eingriff in bestehende einfache Rechtsverhältnisse sein würde, wenn in England die Silberwährung an die Stelle der Goldwährung gesetzt würde, indem jede auf Pfund Sterling lautende Zahlungsverbitldlichkeit nichts mehr und nichts weniger verspreche, als ein genau bestimmtes Quantum Gold von einer bestimmten Feinheit. Wie nun im Fall einer noch so beträchtlichen Werthsteigerung des Goldes, die ohne die Entdeckung der Goldlager in Sibirien, Kalifornien und Australien wol unausbleiblich gewesen wäre, das Gesetz ohne offenbare Rechtsverletzung nicht hätte einschreiten dürfen, um mit rückwirkender Kraft den Zahlungspflichtigen zu gestatten, mittelst einer geringeren Quantität Gold, als vereinbart war, ihrer Verbindlichkeit sich zu entledigen, ebenso wenig kann ein Eingriff von der andern. Seite, her als stattnehmig erscheinen, wenn durch natürliche Vor¬ gänge eine Werthverringerung des Goldes eintritt, und sei dieselbe noch so beträchtlich. Was aber für England gilt, findet augenscheinlich seine volle Anwendung auch auf Frankreich, ganz besonders in Betreff aller seit der zur

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/236
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/236>, abgerufen am 22.12.2024.