Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

kommt dabei freilich viel auf locale Verhältnisse, auf die Bedürfnisse des Pu-
blicums an, mit dem man zu thun hat, und eine vorsichtige und geschickte
Leitung, die nur bei gesichertem Erfolg sich auf neue Verkehrszweige aus¬
dehnt, mag wol, wenn die allgemeinen Conjuncturen nicht ausnahmsweise
ungünstig sich gestalten, gute Resultate erzielen. Ohne daher hier im voraus
absprechen zu wollen, besonders da die leitenden Personen in Erfurt ihre Tüch¬
tigkeit bisher so glänzend bewährt haben, können wir doch nicht umhin, vor
Einem entschieden zu warnen: der Verbindung einer Vorschußbank mit einer
solchen Association. Die Vermischung eines Geld- und Bankgeschäfts mit
Waarenhandel und Fabrikation wird nämlich nach den erprobten Grundsätzen
der Handelswissenschast für durchaus unzuträglich gehalten, weil die Voraus¬
setzungen hinsichtlich der soliden Begründung wie des zu übernehmenden Ri¬
siko bei beiden zu verschieden sind. Besonders erachtet man ein Bankinstitut
für gefährdet, sobald es mit in das Risiko ganz fremdartiger Geschäfte, wie
Mehl- und Getreidehandel, Bierbrauerei, Ziegelbrennerei:c. verwickelt wird.
Und dies mit Recht, da die Chancen für ein reines Vorschuß- oder Disconto-
gcschäft, welches sich nicht auf Börsenspiel und Effectenhandel einläßt, son¬
dern nur gegen die gehörige Sicherheit Gelder herleiht und Wechsel discon-
tirt, weit günstiger als für jeden andern Productions- und Handelszweig liegen>
dessen Waaren und Fabrikate bei der umsichtigsten Leitung großen 'Werths¬
schwankungen ausgesetzt sind, wie dies beim Geld niemals der Fall ist.
Mehre der in den letzten Jahren gegründeten großen Creditinstitute sehen wir
daher neuerlich bemüht, ihre Geschäfte so viel als möglich auf eigentlichen
Bankverkehr zurückzuführen, welcher sie in den Tagen der großen Krise allein
aufrecht erhielt, wogegen ihre übrigen Engagements sie ernstlich gefährdeten.

Fehlt es hiernach bei der erfurter Association selbst noch an den nöthi¬
gen Erfahrungen als Grundlage zu einem definitiven Urtheil, so wird es
von Interesse sein, die Einrichtungen und Resultate ähnlicher Institute ander¬
wärts damit zu vergleichen. Indessen können in Deutschland von bedeuten¬
deren Versuchen dieser Art nur erst die beiden großen Consumvereitte in Ham¬
burg angeführt werden, von denen jeder im letzten Jahre für mehr als
100.000 Mark Banko an Waaren unter seinen Mitgliedern abgesetzt hat, wobei
sich indessen das Geschäft auf Artikel allgemeinen Verbrauchs, wie Colonial- und
Fleischwaaren. Mehl. Brot, Hülsenfrüchte, Butter und Heizmaterial beschränkte,
ohne bei diesen Branchen zur Production' überzugehn. Einen mehr Mes¬
senden Vergleichungspunkt mit Erfurt bieten uns dagegen die großartigen
Cooperative-Stores in England, wo wir den Vorgang des bedeutendsten von
allen, des zu Rochdale besonders bezeichnend finden. Von vierzig unbemit¬
telten Fabrikarbeitern im Jahre 1843 gegründet, mit etwa fünfzig Pfd. Ser.
cillmälig und kümmerlich aufgesammelten Capitals begonnen, zählte es Ende


kommt dabei freilich viel auf locale Verhältnisse, auf die Bedürfnisse des Pu-
blicums an, mit dem man zu thun hat, und eine vorsichtige und geschickte
Leitung, die nur bei gesichertem Erfolg sich auf neue Verkehrszweige aus¬
dehnt, mag wol, wenn die allgemeinen Conjuncturen nicht ausnahmsweise
ungünstig sich gestalten, gute Resultate erzielen. Ohne daher hier im voraus
absprechen zu wollen, besonders da die leitenden Personen in Erfurt ihre Tüch¬
tigkeit bisher so glänzend bewährt haben, können wir doch nicht umhin, vor
Einem entschieden zu warnen: der Verbindung einer Vorschußbank mit einer
solchen Association. Die Vermischung eines Geld- und Bankgeschäfts mit
Waarenhandel und Fabrikation wird nämlich nach den erprobten Grundsätzen
der Handelswissenschast für durchaus unzuträglich gehalten, weil die Voraus¬
setzungen hinsichtlich der soliden Begründung wie des zu übernehmenden Ri¬
siko bei beiden zu verschieden sind. Besonders erachtet man ein Bankinstitut
für gefährdet, sobald es mit in das Risiko ganz fremdartiger Geschäfte, wie
Mehl- und Getreidehandel, Bierbrauerei, Ziegelbrennerei:c. verwickelt wird.
Und dies mit Recht, da die Chancen für ein reines Vorschuß- oder Disconto-
gcschäft, welches sich nicht auf Börsenspiel und Effectenhandel einläßt, son¬
dern nur gegen die gehörige Sicherheit Gelder herleiht und Wechsel discon-
tirt, weit günstiger als für jeden andern Productions- und Handelszweig liegen>
dessen Waaren und Fabrikate bei der umsichtigsten Leitung großen 'Werths¬
schwankungen ausgesetzt sind, wie dies beim Geld niemals der Fall ist.
Mehre der in den letzten Jahren gegründeten großen Creditinstitute sehen wir
daher neuerlich bemüht, ihre Geschäfte so viel als möglich auf eigentlichen
Bankverkehr zurückzuführen, welcher sie in den Tagen der großen Krise allein
aufrecht erhielt, wogegen ihre übrigen Engagements sie ernstlich gefährdeten.

Fehlt es hiernach bei der erfurter Association selbst noch an den nöthi¬
gen Erfahrungen als Grundlage zu einem definitiven Urtheil, so wird es
von Interesse sein, die Einrichtungen und Resultate ähnlicher Institute ander¬
wärts damit zu vergleichen. Indessen können in Deutschland von bedeuten¬
deren Versuchen dieser Art nur erst die beiden großen Consumvereitte in Ham¬
burg angeführt werden, von denen jeder im letzten Jahre für mehr als
100.000 Mark Banko an Waaren unter seinen Mitgliedern abgesetzt hat, wobei
sich indessen das Geschäft auf Artikel allgemeinen Verbrauchs, wie Colonial- und
Fleischwaaren. Mehl. Brot, Hülsenfrüchte, Butter und Heizmaterial beschränkte,
ohne bei diesen Branchen zur Production' überzugehn. Einen mehr Mes¬
senden Vergleichungspunkt mit Erfurt bieten uns dagegen die großartigen
Cooperative-Stores in England, wo wir den Vorgang des bedeutendsten von
allen, des zu Rochdale besonders bezeichnend finden. Von vierzig unbemit¬
telten Fabrikarbeitern im Jahre 1843 gegründet, mit etwa fünfzig Pfd. Ser.
cillmälig und kümmerlich aufgesammelten Capitals begonnen, zählte es Ende


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0020" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107067"/>
          <p xml:id="ID_30" prev="#ID_29"> kommt dabei freilich viel auf locale Verhältnisse, auf die Bedürfnisse des Pu-<lb/>
blicums an, mit dem man zu thun hat, und eine vorsichtige und geschickte<lb/>
Leitung, die nur bei gesichertem Erfolg sich auf neue Verkehrszweige aus¬<lb/>
dehnt, mag wol, wenn die allgemeinen Conjuncturen nicht ausnahmsweise<lb/>
ungünstig sich gestalten, gute Resultate erzielen. Ohne daher hier im voraus<lb/>
absprechen zu wollen, besonders da die leitenden Personen in Erfurt ihre Tüch¬<lb/>
tigkeit bisher so glänzend bewährt haben, können wir doch nicht umhin, vor<lb/>
Einem entschieden zu warnen: der Verbindung einer Vorschußbank mit einer<lb/>
solchen Association. Die Vermischung eines Geld- und Bankgeschäfts mit<lb/>
Waarenhandel und Fabrikation wird nämlich nach den erprobten Grundsätzen<lb/>
der Handelswissenschast für durchaus unzuträglich gehalten, weil die Voraus¬<lb/>
setzungen hinsichtlich der soliden Begründung wie des zu übernehmenden Ri¬<lb/>
siko bei beiden zu verschieden sind. Besonders erachtet man ein Bankinstitut<lb/>
für gefährdet, sobald es mit in das Risiko ganz fremdartiger Geschäfte, wie<lb/>
Mehl- und Getreidehandel, Bierbrauerei, Ziegelbrennerei:c. verwickelt wird.<lb/>
Und dies mit Recht, da die Chancen für ein reines Vorschuß- oder Disconto-<lb/>
gcschäft, welches sich nicht auf Börsenspiel und Effectenhandel einläßt, son¬<lb/>
dern nur gegen die gehörige Sicherheit Gelder herleiht und Wechsel discon-<lb/>
tirt, weit günstiger als für jeden andern Productions- und Handelszweig liegen&gt;<lb/>
dessen Waaren und Fabrikate bei der umsichtigsten Leitung großen 'Werths¬<lb/>
schwankungen ausgesetzt sind, wie dies beim Geld niemals der Fall ist.<lb/>
Mehre der in den letzten Jahren gegründeten großen Creditinstitute sehen wir<lb/>
daher neuerlich bemüht, ihre Geschäfte so viel als möglich auf eigentlichen<lb/>
Bankverkehr zurückzuführen, welcher sie in den Tagen der großen Krise allein<lb/>
aufrecht erhielt, wogegen ihre übrigen Engagements sie ernstlich gefährdeten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_31" next="#ID_32"> Fehlt es hiernach bei der erfurter Association selbst noch an den nöthi¬<lb/>
gen Erfahrungen als Grundlage zu einem definitiven Urtheil, so wird es<lb/>
von Interesse sein, die Einrichtungen und Resultate ähnlicher Institute ander¬<lb/>
wärts damit zu vergleichen. Indessen können in Deutschland von bedeuten¬<lb/>
deren Versuchen dieser Art nur erst die beiden großen Consumvereitte in Ham¬<lb/>
burg angeführt werden, von denen jeder im letzten Jahre für mehr als<lb/>
100.000 Mark Banko an Waaren unter seinen Mitgliedern abgesetzt hat, wobei<lb/>
sich indessen das Geschäft auf Artikel allgemeinen Verbrauchs, wie Colonial- und<lb/>
Fleischwaaren. Mehl. Brot, Hülsenfrüchte, Butter und Heizmaterial beschränkte,<lb/>
ohne bei diesen Branchen zur Production' überzugehn. Einen mehr Mes¬<lb/>
senden Vergleichungspunkt mit Erfurt bieten uns dagegen die großartigen<lb/>
Cooperative-Stores in England, wo wir den Vorgang des bedeutendsten von<lb/>
allen, des zu Rochdale besonders bezeichnend finden. Von vierzig unbemit¬<lb/>
telten Fabrikarbeitern im Jahre 1843 gegründet, mit etwa fünfzig Pfd. Ser.<lb/>
cillmälig und kümmerlich aufgesammelten Capitals begonnen, zählte es Ende</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0020] kommt dabei freilich viel auf locale Verhältnisse, auf die Bedürfnisse des Pu- blicums an, mit dem man zu thun hat, und eine vorsichtige und geschickte Leitung, die nur bei gesichertem Erfolg sich auf neue Verkehrszweige aus¬ dehnt, mag wol, wenn die allgemeinen Conjuncturen nicht ausnahmsweise ungünstig sich gestalten, gute Resultate erzielen. Ohne daher hier im voraus absprechen zu wollen, besonders da die leitenden Personen in Erfurt ihre Tüch¬ tigkeit bisher so glänzend bewährt haben, können wir doch nicht umhin, vor Einem entschieden zu warnen: der Verbindung einer Vorschußbank mit einer solchen Association. Die Vermischung eines Geld- und Bankgeschäfts mit Waarenhandel und Fabrikation wird nämlich nach den erprobten Grundsätzen der Handelswissenschast für durchaus unzuträglich gehalten, weil die Voraus¬ setzungen hinsichtlich der soliden Begründung wie des zu übernehmenden Ri¬ siko bei beiden zu verschieden sind. Besonders erachtet man ein Bankinstitut für gefährdet, sobald es mit in das Risiko ganz fremdartiger Geschäfte, wie Mehl- und Getreidehandel, Bierbrauerei, Ziegelbrennerei:c. verwickelt wird. Und dies mit Recht, da die Chancen für ein reines Vorschuß- oder Disconto- gcschäft, welches sich nicht auf Börsenspiel und Effectenhandel einläßt, son¬ dern nur gegen die gehörige Sicherheit Gelder herleiht und Wechsel discon- tirt, weit günstiger als für jeden andern Productions- und Handelszweig liegen> dessen Waaren und Fabrikate bei der umsichtigsten Leitung großen 'Werths¬ schwankungen ausgesetzt sind, wie dies beim Geld niemals der Fall ist. Mehre der in den letzten Jahren gegründeten großen Creditinstitute sehen wir daher neuerlich bemüht, ihre Geschäfte so viel als möglich auf eigentlichen Bankverkehr zurückzuführen, welcher sie in den Tagen der großen Krise allein aufrecht erhielt, wogegen ihre übrigen Engagements sie ernstlich gefährdeten. Fehlt es hiernach bei der erfurter Association selbst noch an den nöthi¬ gen Erfahrungen als Grundlage zu einem definitiven Urtheil, so wird es von Interesse sein, die Einrichtungen und Resultate ähnlicher Institute ander¬ wärts damit zu vergleichen. Indessen können in Deutschland von bedeuten¬ deren Versuchen dieser Art nur erst die beiden großen Consumvereitte in Ham¬ burg angeführt werden, von denen jeder im letzten Jahre für mehr als 100.000 Mark Banko an Waaren unter seinen Mitgliedern abgesetzt hat, wobei sich indessen das Geschäft auf Artikel allgemeinen Verbrauchs, wie Colonial- und Fleischwaaren. Mehl. Brot, Hülsenfrüchte, Butter und Heizmaterial beschränkte, ohne bei diesen Branchen zur Production' überzugehn. Einen mehr Mes¬ senden Vergleichungspunkt mit Erfurt bieten uns dagegen die großartigen Cooperative-Stores in England, wo wir den Vorgang des bedeutendsten von allen, des zu Rochdale besonders bezeichnend finden. Von vierzig unbemit¬ telten Fabrikarbeitern im Jahre 1843 gegründet, mit etwa fünfzig Pfd. Ser. cillmälig und kümmerlich aufgesammelten Capitals begonnen, zählte es Ende

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/20
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/20>, abgerufen am 22.12.2024.