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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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die Inhaber der Eiscnbahnprioritäten und ähnlicher Obligationen. Diejenigen
Personen, welche sich mit einer festen Pension zurückgezogen, welche auf längere
Termine verpachtet oder auf Hypothek ausgeliehen haben, befinden sich in
gleicher Lage. Man kann ferner die Beamten hinzurechnen, welche, wenn sie
schließlich auch eine entsprechende Erhöhung ihrer Besoldungen erlangen, vor¬
her doch in der Zwischenzeit während der großen Schwankungen des Geld¬
werths vielen Verlegenheiten und Sorgen ausgesetzt sein müssen. Die Hono¬
rare der liberalen Professionen werden ebenfalls den Unzuträglichkeiten des
sinkenden Geldwerths unterworfen sein. Auch für die arbeitenden Classen
überhaupt wird die Uebergangszeit zu dem schließlichen geringeren Geldwerth
eine Periode der Unruhe und Bedrängniß sein, weil, wie die Erfahrung ge¬
zeigt hat. die Erhöhung des Arbeitslohns der Preissteigerung der Lebens¬
bedürfnisse meist nicht gleich auf dem Fuße nachfolgt, sondern erst ein wirklicher
Nothstand der Arbeiter vornnzugehn pflegt.

Auf der andern Seite fehlen freilich nicht gewisse Kategorien, welche
durch die Werthverringerung des Geldes gewinnen werden. Dahin gehören
vor allem die Grundeigenthümer, deren Güter mit Hypotheken belastet sind,
und alle Schuldner, welche eine im voraus bestimmte Geldsumme zu zahlen
haben. Sie werden nominell die angeliehenen Summen oder bedungenen
Zinsen zahlen, aber in Wirklichkeit wird ihnen durch den auf die Hälfte ge¬
sunkenen Geldwerth auch die Hälfte ihrer Verbindlichkeit abgenommen. Auch
diejenigen Staaten (mit Goldwährung), bei deren Ausgaben jetzt die Zinsen
der öffentlichen Schuld eine hervorragende Rolle spielen, werden durch die
Werthverringerung des Goldes in Wirklichkeit eine entsprechende Erleichterung
für ihre Finanzen erfahren.

Niemand kann behaupten, ob nicht auch für das Silber eines Tages eine
große Werthverringerung eintreten wird infolge einer Production, die sich durch
zweierlei Charakterzüge auszeichnen würde, einmal, daß sie zu beträchtlich
wäre für die Verwendungsweisen, welche das Silber bis dahin gefunden hätte,
und zweitens, einer wohlfeileren Gewinnung. Es liegt die Annahme nahe,
daß wenn die Vereinigten Staaten den Besitz von Mexiko erlangen und im
südlichen Amerika wenn vordringen, unter den Auspicien der so industriellen
und energischen angelsächsischen Race sich dies Phänomen vollziehen würde.
Aber selbst in solchem Fall muß man wegen der eigenthümlichen Verhältnisse
des Silberbergbaues und der mannigfachen Verwendung des Silbers zu Ge¬
rathen bezweifeln, ob das Sinken des Silberwerthes so rasch und in solchem
Grad vor sich gehen wird, wie man es aller Wahrscheinlichkeit nach beim
Gold erfahren wird.

Großbritannien und Frankreich sind diejenigen europäischen Länder, in
denen die in alle Eigenthumsverhältnisse so tief eingreifenden Folgen einer


die Inhaber der Eiscnbahnprioritäten und ähnlicher Obligationen. Diejenigen
Personen, welche sich mit einer festen Pension zurückgezogen, welche auf längere
Termine verpachtet oder auf Hypothek ausgeliehen haben, befinden sich in
gleicher Lage. Man kann ferner die Beamten hinzurechnen, welche, wenn sie
schließlich auch eine entsprechende Erhöhung ihrer Besoldungen erlangen, vor¬
her doch in der Zwischenzeit während der großen Schwankungen des Geld¬
werths vielen Verlegenheiten und Sorgen ausgesetzt sein müssen. Die Hono¬
rare der liberalen Professionen werden ebenfalls den Unzuträglichkeiten des
sinkenden Geldwerths unterworfen sein. Auch für die arbeitenden Classen
überhaupt wird die Uebergangszeit zu dem schließlichen geringeren Geldwerth
eine Periode der Unruhe und Bedrängniß sein, weil, wie die Erfahrung ge¬
zeigt hat. die Erhöhung des Arbeitslohns der Preissteigerung der Lebens¬
bedürfnisse meist nicht gleich auf dem Fuße nachfolgt, sondern erst ein wirklicher
Nothstand der Arbeiter vornnzugehn pflegt.

Auf der andern Seite fehlen freilich nicht gewisse Kategorien, welche
durch die Werthverringerung des Geldes gewinnen werden. Dahin gehören
vor allem die Grundeigenthümer, deren Güter mit Hypotheken belastet sind,
und alle Schuldner, welche eine im voraus bestimmte Geldsumme zu zahlen
haben. Sie werden nominell die angeliehenen Summen oder bedungenen
Zinsen zahlen, aber in Wirklichkeit wird ihnen durch den auf die Hälfte ge¬
sunkenen Geldwerth auch die Hälfte ihrer Verbindlichkeit abgenommen. Auch
diejenigen Staaten (mit Goldwährung), bei deren Ausgaben jetzt die Zinsen
der öffentlichen Schuld eine hervorragende Rolle spielen, werden durch die
Werthverringerung des Goldes in Wirklichkeit eine entsprechende Erleichterung
für ihre Finanzen erfahren.

Niemand kann behaupten, ob nicht auch für das Silber eines Tages eine
große Werthverringerung eintreten wird infolge einer Production, die sich durch
zweierlei Charakterzüge auszeichnen würde, einmal, daß sie zu beträchtlich
wäre für die Verwendungsweisen, welche das Silber bis dahin gefunden hätte,
und zweitens, einer wohlfeileren Gewinnung. Es liegt die Annahme nahe,
daß wenn die Vereinigten Staaten den Besitz von Mexiko erlangen und im
südlichen Amerika wenn vordringen, unter den Auspicien der so industriellen
und energischen angelsächsischen Race sich dies Phänomen vollziehen würde.
Aber selbst in solchem Fall muß man wegen der eigenthümlichen Verhältnisse
des Silberbergbaues und der mannigfachen Verwendung des Silbers zu Ge¬
rathen bezweifeln, ob das Sinken des Silberwerthes so rasch und in solchem
Grad vor sich gehen wird, wie man es aller Wahrscheinlichkeit nach beim
Gold erfahren wird.

Großbritannien und Frankreich sind diejenigen europäischen Länder, in
denen die in alle Eigenthumsverhältnisse so tief eingreifenden Folgen einer


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[0180] die Inhaber der Eiscnbahnprioritäten und ähnlicher Obligationen. Diejenigen Personen, welche sich mit einer festen Pension zurückgezogen, welche auf längere Termine verpachtet oder auf Hypothek ausgeliehen haben, befinden sich in gleicher Lage. Man kann ferner die Beamten hinzurechnen, welche, wenn sie schließlich auch eine entsprechende Erhöhung ihrer Besoldungen erlangen, vor¬ her doch in der Zwischenzeit während der großen Schwankungen des Geld¬ werths vielen Verlegenheiten und Sorgen ausgesetzt sein müssen. Die Hono¬ rare der liberalen Professionen werden ebenfalls den Unzuträglichkeiten des sinkenden Geldwerths unterworfen sein. Auch für die arbeitenden Classen überhaupt wird die Uebergangszeit zu dem schließlichen geringeren Geldwerth eine Periode der Unruhe und Bedrängniß sein, weil, wie die Erfahrung ge¬ zeigt hat. die Erhöhung des Arbeitslohns der Preissteigerung der Lebens¬ bedürfnisse meist nicht gleich auf dem Fuße nachfolgt, sondern erst ein wirklicher Nothstand der Arbeiter vornnzugehn pflegt. Auf der andern Seite fehlen freilich nicht gewisse Kategorien, welche durch die Werthverringerung des Geldes gewinnen werden. Dahin gehören vor allem die Grundeigenthümer, deren Güter mit Hypotheken belastet sind, und alle Schuldner, welche eine im voraus bestimmte Geldsumme zu zahlen haben. Sie werden nominell die angeliehenen Summen oder bedungenen Zinsen zahlen, aber in Wirklichkeit wird ihnen durch den auf die Hälfte ge¬ sunkenen Geldwerth auch die Hälfte ihrer Verbindlichkeit abgenommen. Auch diejenigen Staaten (mit Goldwährung), bei deren Ausgaben jetzt die Zinsen der öffentlichen Schuld eine hervorragende Rolle spielen, werden durch die Werthverringerung des Goldes in Wirklichkeit eine entsprechende Erleichterung für ihre Finanzen erfahren. Niemand kann behaupten, ob nicht auch für das Silber eines Tages eine große Werthverringerung eintreten wird infolge einer Production, die sich durch zweierlei Charakterzüge auszeichnen würde, einmal, daß sie zu beträchtlich wäre für die Verwendungsweisen, welche das Silber bis dahin gefunden hätte, und zweitens, einer wohlfeileren Gewinnung. Es liegt die Annahme nahe, daß wenn die Vereinigten Staaten den Besitz von Mexiko erlangen und im südlichen Amerika wenn vordringen, unter den Auspicien der so industriellen und energischen angelsächsischen Race sich dies Phänomen vollziehen würde. Aber selbst in solchem Fall muß man wegen der eigenthümlichen Verhältnisse des Silberbergbaues und der mannigfachen Verwendung des Silbers zu Ge¬ rathen bezweifeln, ob das Sinken des Silberwerthes so rasch und in solchem Grad vor sich gehen wird, wie man es aller Wahrscheinlichkeit nach beim Gold erfahren wird. Großbritannien und Frankreich sind diejenigen europäischen Länder, in denen die in alle Eigenthumsverhältnisse so tief eingreifenden Folgen einer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/180>, abgerufen am 22.12.2024.