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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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Dem anfänglichen so außerordentlich lebhaften und weit verbreiteten
Interesse des größeren Publicums an der Goldfrage ist in den'letztverflossenen
Jahren eine wesentlich verminderte Aufmerksamkeit, ja eine gewisse Gleich¬
mütigkeit für diese Angelegenheit auch in commerciellen Kreisen und in der
Tagespresse gefolgt. Es kann dies auch nicht verwundern, wenn man bedenkt,
wie sehr der Mensch von der Gewohnheit abhängt, und wie auch das Wich¬
tigste und Wunderbarste, wenn es regelmäßig wiederkehrt und keine sehr be¬
merkbaren plötzlichen Störungen bewirkt, allmälig als etwas Selbstverständliches
betrachtet zu werden pflegt. Man hat jetzt schon mehre Jahre lang immer"
wiederkehrend von einer jährlichen Goldausfuhr aus San Francisco und Mel¬
bourne zum Betrag von circa 50 bis 60 Mill. Dollars und von circa 10
bis 12 Mill. Pfd. Se. (oder zusammen von circa 130 Mill. Thlr. jährlich)
gehört, so daß diese Summen nicht mehr wie anfangs als etwas Erstaunliches
auffallen, zumal die monatlichen Uebersichten der Baarvorräthe in den verschie¬
denen großen Nationalbanken bisher keine progressive Ueberfülle an Edelmetall
nachgewiesen haben.

Bei näherer Erwägung muß aber diese jetzt vorherrschende Gleichgiltigkeit
in Bezug auf die Goldfrage, wenn man den praktischen Gesichtspunkt festhält,
ebenso wenig für gerechtfertigt erachtet werden, als vor zehn oder sieben Jahren
die übertriebenen Vorstellungen von den unmittelbaren Folgen der ersten neuen
Goldzuflüsse. Jeder nachdenkende hätte sich damals selbst sagen können, daß,
wie bedeutend auch immer die hinzugekommene Goldausbeute sei, dieselbe
doch in Betracht mit den schon vorhandenen Quantitäten dieses Metalls und
bei der nahe liegenden Verwendbarkeit derselben in den Münzstätten der bei¬
den großen Staaten mit factischer Doppelwährung -- der Vereinigten Staaten
und Frankreichs --wenigstens einige Jahre hindurch noch keinen wesentlichen
Einfluß auf die Werthrelation auszuüben vermöge, wenn anders nicht die
Münzgesctzgcbung der genannten Staaten unerwartet eine durchgreifende Um¬
gestaltung erfahre. Gegenwärtig aber, nachdem die neuen großen Goldzuflüsse
schon über zehn Jahre lang angehalten haben, wodurch in den Verhältnissen
des gesammten Münzvorraths der großen Handelsstaaten allmnlig eine merk¬
liche Veränderung hinsichtlich der Goldverwendung sich vollzogen hat, und wo
die fortgesetzte Goldgewinnung gewissermaßen einen anscheinend ganz genügend
versorgten Edelmetall marke vorfindet, scheint die Frage wegen einer bevor¬
stehenden progressiven Werthverringerung des Goldes mit allen sich hieran
knüpfenden, weit reichenden Consequenzen die ernsteste Aufmerksamkeit zu ver¬
dienen. Herr Chevalier hat daher eine höchst zeitgemäße Arbeit unternommen,
indem er, unbeirrt durch die Erfolglosigkeit seiner bisherigen Warnungen wegen
der bevorstehenden Werthrevolution in den Ländern mit Goldwährung, jetzt aufs
neue die Goldfrnge zum Gegenstand einer ausführlichen Publication gewählt hat.


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Dem anfänglichen so außerordentlich lebhaften und weit verbreiteten
Interesse des größeren Publicums an der Goldfrage ist in den'letztverflossenen
Jahren eine wesentlich verminderte Aufmerksamkeit, ja eine gewisse Gleich¬
mütigkeit für diese Angelegenheit auch in commerciellen Kreisen und in der
Tagespresse gefolgt. Es kann dies auch nicht verwundern, wenn man bedenkt,
wie sehr der Mensch von der Gewohnheit abhängt, und wie auch das Wich¬
tigste und Wunderbarste, wenn es regelmäßig wiederkehrt und keine sehr be¬
merkbaren plötzlichen Störungen bewirkt, allmälig als etwas Selbstverständliches
betrachtet zu werden pflegt. Man hat jetzt schon mehre Jahre lang immer«
wiederkehrend von einer jährlichen Goldausfuhr aus San Francisco und Mel¬
bourne zum Betrag von circa 50 bis 60 Mill. Dollars und von circa 10
bis 12 Mill. Pfd. Se. (oder zusammen von circa 130 Mill. Thlr. jährlich)
gehört, so daß diese Summen nicht mehr wie anfangs als etwas Erstaunliches
auffallen, zumal die monatlichen Uebersichten der Baarvorräthe in den verschie¬
denen großen Nationalbanken bisher keine progressive Ueberfülle an Edelmetall
nachgewiesen haben.

Bei näherer Erwägung muß aber diese jetzt vorherrschende Gleichgiltigkeit
in Bezug auf die Goldfrage, wenn man den praktischen Gesichtspunkt festhält,
ebenso wenig für gerechtfertigt erachtet werden, als vor zehn oder sieben Jahren
die übertriebenen Vorstellungen von den unmittelbaren Folgen der ersten neuen
Goldzuflüsse. Jeder nachdenkende hätte sich damals selbst sagen können, daß,
wie bedeutend auch immer die hinzugekommene Goldausbeute sei, dieselbe
doch in Betracht mit den schon vorhandenen Quantitäten dieses Metalls und
bei der nahe liegenden Verwendbarkeit derselben in den Münzstätten der bei¬
den großen Staaten mit factischer Doppelwährung — der Vereinigten Staaten
und Frankreichs —wenigstens einige Jahre hindurch noch keinen wesentlichen
Einfluß auf die Werthrelation auszuüben vermöge, wenn anders nicht die
Münzgesctzgcbung der genannten Staaten unerwartet eine durchgreifende Um¬
gestaltung erfahre. Gegenwärtig aber, nachdem die neuen großen Goldzuflüsse
schon über zehn Jahre lang angehalten haben, wodurch in den Verhältnissen
des gesammten Münzvorraths der großen Handelsstaaten allmnlig eine merk¬
liche Veränderung hinsichtlich der Goldverwendung sich vollzogen hat, und wo
die fortgesetzte Goldgewinnung gewissermaßen einen anscheinend ganz genügend
versorgten Edelmetall marke vorfindet, scheint die Frage wegen einer bevor¬
stehenden progressiven Werthverringerung des Goldes mit allen sich hieran
knüpfenden, weit reichenden Consequenzen die ernsteste Aufmerksamkeit zu ver¬
dienen. Herr Chevalier hat daher eine höchst zeitgemäße Arbeit unternommen,
indem er, unbeirrt durch die Erfolglosigkeit seiner bisherigen Warnungen wegen
der bevorstehenden Werthrevolution in den Ländern mit Goldwährung, jetzt aufs
neue die Goldfrnge zum Gegenstand einer ausführlichen Publication gewählt hat.


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[0173] Dem anfänglichen so außerordentlich lebhaften und weit verbreiteten Interesse des größeren Publicums an der Goldfrage ist in den'letztverflossenen Jahren eine wesentlich verminderte Aufmerksamkeit, ja eine gewisse Gleich¬ mütigkeit für diese Angelegenheit auch in commerciellen Kreisen und in der Tagespresse gefolgt. Es kann dies auch nicht verwundern, wenn man bedenkt, wie sehr der Mensch von der Gewohnheit abhängt, und wie auch das Wich¬ tigste und Wunderbarste, wenn es regelmäßig wiederkehrt und keine sehr be¬ merkbaren plötzlichen Störungen bewirkt, allmälig als etwas Selbstverständliches betrachtet zu werden pflegt. Man hat jetzt schon mehre Jahre lang immer« wiederkehrend von einer jährlichen Goldausfuhr aus San Francisco und Mel¬ bourne zum Betrag von circa 50 bis 60 Mill. Dollars und von circa 10 bis 12 Mill. Pfd. Se. (oder zusammen von circa 130 Mill. Thlr. jährlich) gehört, so daß diese Summen nicht mehr wie anfangs als etwas Erstaunliches auffallen, zumal die monatlichen Uebersichten der Baarvorräthe in den verschie¬ denen großen Nationalbanken bisher keine progressive Ueberfülle an Edelmetall nachgewiesen haben. Bei näherer Erwägung muß aber diese jetzt vorherrschende Gleichgiltigkeit in Bezug auf die Goldfrage, wenn man den praktischen Gesichtspunkt festhält, ebenso wenig für gerechtfertigt erachtet werden, als vor zehn oder sieben Jahren die übertriebenen Vorstellungen von den unmittelbaren Folgen der ersten neuen Goldzuflüsse. Jeder nachdenkende hätte sich damals selbst sagen können, daß, wie bedeutend auch immer die hinzugekommene Goldausbeute sei, dieselbe doch in Betracht mit den schon vorhandenen Quantitäten dieses Metalls und bei der nahe liegenden Verwendbarkeit derselben in den Münzstätten der bei¬ den großen Staaten mit factischer Doppelwährung — der Vereinigten Staaten und Frankreichs —wenigstens einige Jahre hindurch noch keinen wesentlichen Einfluß auf die Werthrelation auszuüben vermöge, wenn anders nicht die Münzgesctzgcbung der genannten Staaten unerwartet eine durchgreifende Um¬ gestaltung erfahre. Gegenwärtig aber, nachdem die neuen großen Goldzuflüsse schon über zehn Jahre lang angehalten haben, wodurch in den Verhältnissen des gesammten Münzvorraths der großen Handelsstaaten allmnlig eine merk¬ liche Veränderung hinsichtlich der Goldverwendung sich vollzogen hat, und wo die fortgesetzte Goldgewinnung gewissermaßen einen anscheinend ganz genügend versorgten Edelmetall marke vorfindet, scheint die Frage wegen einer bevor¬ stehenden progressiven Werthverringerung des Goldes mit allen sich hieran knüpfenden, weit reichenden Consequenzen die ernsteste Aufmerksamkeit zu ver¬ dienen. Herr Chevalier hat daher eine höchst zeitgemäße Arbeit unternommen, indem er, unbeirrt durch die Erfolglosigkeit seiner bisherigen Warnungen wegen der bevorstehenden Werthrevolution in den Ländern mit Goldwährung, jetzt aufs neue die Goldfrnge zum Gegenstand einer ausführlichen Publication gewählt hat. 21*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/173>, abgerufen am 22.12.2024.