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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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Während das Bestehn des ganzen Instituts im letztern. dem erfurter Falle,
sobald jene wohlmeinenden, an dessen Spitze stehenden Männer freiwillig oder
unfreiwillig abtreten--und dies muß doch früher oder später überall geschehn
-- gefährdet ist, weil es sehr fraglich bleibt, ob andere an deren Stelle zu
treten Lust haben werden, und guter Wille sich weder vererben, noch sonst
übertragen läßt,^) gewinnt man in den speciellen Associationen der Gewerks-
genossen, die eben nicht guter Wille sür andere, sondern das eigne Interesse
verbindet, eine durch die Selbstverwaltung sich stetig heranbildende und sich
immer neu rekrutirende, nie aussterbende Schar, so daß das Ausscheiden der
jeweiligen Leiter den Fortgang des gemeinsamen Geschäfts nicht einen Augen¬
blick alterirt. Besonders trägt man auch auf diese Weise dazu bei, daß sich
die junge, heranwachsende Generation mehr und mehr in die neuen Prodnc-
tions- und Verkehrsformen, wie sie der gewerbliche Fortschritt unsrer Zeit be¬
dingt, hineinlebt, und in solchen freien, durch das Eigeninteresse der Betheilig-
ten gebotenen Genossenschaften sich von dem beengenden Druck des Zunftzwangs
mehr und mehr losmacht, dafür aber sich solchen lebens- und zukunftsvollen
Gestaltungen, den wahren Innungen der Zukunft, zuwendet, welche in der
Production für gemeinsame Rechnung und Gefahr ihren Höhepunkt erreichen,
wie dies zum Theil schon in Paris, noch mehr aber in England mit glücklichem
Erfolg versucht ist.

Was von der Beschaffung der Rohstoffe für einzelne Productionszweige,
gilt zum Theil mindestens auch von der Vorschuß- oder Creditfrage.' Auch
diese greift in den Geschäftsbetrieb, den eigentlichen Erwerböstand der arbei¬
tenden Classen unmittelbar ein, auch hier waltet ein gleiches Bedürfniß zwi¬
schen den bemittelten und unbemittelten Classen, dem Groß- und Kleinbetrieb,
in der Regel nicht ob, indem die ersteren die zu ihren Geschäften erforder¬
lichen Baarmittel leicht und zur Genüge in den gewöhnlichen großen Bank¬
geschästen sich zu verschaffen pflegen, welche den letztern so gut wie verschlossen
sind. Aus diesem Grunde sind unsere Vorschußvereine hauptsächlich auf die
weniger bemittelten Handwerker und Arbeiter berechnet. Nun hindert zwar
nichts, daß auch die Wohlhabenden sich betheiligen, ja dies geschieht sast
überall, sobald jene die Sache nur erst in Gang gebracht haben und ihre
Rentabilität entschieden ist. Diesen letztern aber deshalb die Leitung und
Verwaltung des Vereins, etwa gegen alleinige Uebernahme des Risiko, wie
in Erfurt, ausschließlich in die Hände zu geben, und die große Mehrzahl,
welche wirkliches Bedürfniß dem Institute zuführt, davon principiell fern zu
halten, dafür ist durchaus kein Grund vorhanden. Im Gegentheil zeigen



') Was würde z, B. aus der erfurter Association,, wenn die Herrn Krackrügge und König
ausschieden? ^

Während das Bestehn des ganzen Instituts im letztern. dem erfurter Falle,
sobald jene wohlmeinenden, an dessen Spitze stehenden Männer freiwillig oder
unfreiwillig abtreten—und dies muß doch früher oder später überall geschehn
— gefährdet ist, weil es sehr fraglich bleibt, ob andere an deren Stelle zu
treten Lust haben werden, und guter Wille sich weder vererben, noch sonst
übertragen läßt,^) gewinnt man in den speciellen Associationen der Gewerks-
genossen, die eben nicht guter Wille sür andere, sondern das eigne Interesse
verbindet, eine durch die Selbstverwaltung sich stetig heranbildende und sich
immer neu rekrutirende, nie aussterbende Schar, so daß das Ausscheiden der
jeweiligen Leiter den Fortgang des gemeinsamen Geschäfts nicht einen Augen¬
blick alterirt. Besonders trägt man auch auf diese Weise dazu bei, daß sich
die junge, heranwachsende Generation mehr und mehr in die neuen Prodnc-
tions- und Verkehrsformen, wie sie der gewerbliche Fortschritt unsrer Zeit be¬
dingt, hineinlebt, und in solchen freien, durch das Eigeninteresse der Betheilig-
ten gebotenen Genossenschaften sich von dem beengenden Druck des Zunftzwangs
mehr und mehr losmacht, dafür aber sich solchen lebens- und zukunftsvollen
Gestaltungen, den wahren Innungen der Zukunft, zuwendet, welche in der
Production für gemeinsame Rechnung und Gefahr ihren Höhepunkt erreichen,
wie dies zum Theil schon in Paris, noch mehr aber in England mit glücklichem
Erfolg versucht ist.

Was von der Beschaffung der Rohstoffe für einzelne Productionszweige,
gilt zum Theil mindestens auch von der Vorschuß- oder Creditfrage.' Auch
diese greift in den Geschäftsbetrieb, den eigentlichen Erwerböstand der arbei¬
tenden Classen unmittelbar ein, auch hier waltet ein gleiches Bedürfniß zwi¬
schen den bemittelten und unbemittelten Classen, dem Groß- und Kleinbetrieb,
in der Regel nicht ob, indem die ersteren die zu ihren Geschäften erforder¬
lichen Baarmittel leicht und zur Genüge in den gewöhnlichen großen Bank¬
geschästen sich zu verschaffen pflegen, welche den letztern so gut wie verschlossen
sind. Aus diesem Grunde sind unsere Vorschußvereine hauptsächlich auf die
weniger bemittelten Handwerker und Arbeiter berechnet. Nun hindert zwar
nichts, daß auch die Wohlhabenden sich betheiligen, ja dies geschieht sast
überall, sobald jene die Sache nur erst in Gang gebracht haben und ihre
Rentabilität entschieden ist. Diesen letztern aber deshalb die Leitung und
Verwaltung des Vereins, etwa gegen alleinige Uebernahme des Risiko, wie
in Erfurt, ausschließlich in die Hände zu geben, und die große Mehrzahl,
welche wirkliches Bedürfniß dem Institute zuführt, davon principiell fern zu
halten, dafür ist durchaus kein Grund vorhanden. Im Gegentheil zeigen



') Was würde z, B. aus der erfurter Association,, wenn die Herrn Krackrügge und König
ausschieden? ^
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/17>, abgerufen am 22.12.2024.