Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.Betrachten wir ferner die Stellung der Juden in den Gemeinden, so Aber auch sonst beschränkte man die Gemeinschaft der Juden und Christen. 17*
Betrachten wir ferner die Stellung der Juden in den Gemeinden, so Aber auch sonst beschränkte man die Gemeinschaft der Juden und Christen. 17*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0141" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107188"/> <p xml:id="ID_401"> Betrachten wir ferner die Stellung der Juden in den Gemeinden, so<lb/> hatten sie kein Bürgerrecht, sondern wurden nur als Schutzverwandte betrach¬<lb/> tet. Sie nahmen an den Gemeindeversammlungen keinen Theil, leisteten<lb/> keinen Kriegsdienst, konnten nicht in den Rath der Stadt kommen, keine Ge¬<lb/> meindeämter bekleiden und hatten keinen Antheil an der Nutzung der Gemeinde¬<lb/> güter. Schon die ältesten kirchlichen Gesetze verbieten die Ehe zwischen Juden<lb/> und Christen und suchen sie von gegenseitiger Annäherung fern zu halten.<lb/> Die Juden lebten im Mittelalter abgesondert von den Christen in Wohnung,<lb/> Kleidung, Gericht u. s. w. und bildeten in den Städten gewissermaßen wieder<lb/> besondere Gemeinden. Sie wohnten infolge besonderer Bestimmungen in ein¬<lb/> zelnen, ihnen angewiesenen Straßen und Quartieren, welche auch heute noch<lb/> den Namen Judcnviertel, Judenstraßen führen. Schon im Jahr 1084 er¬<lb/> hielten sie zu Speier Wohnsitze extra, ooiiimunionem et nabitacivnem eetero-<lb/> rum civium und wurde ihr Quartier mit einer Mauer umgeben, um sie vor<lb/> den Angriffen des Pöbels zu schützen. Josef Ansicht, daß diese Absonderung<lb/> erst in späterer Zeit erfolgte und in Frankfurt die Juden erst im Jahr 1462<lb/> ihr besonderes Judenviertel erhielten, erscheint als unrichtig; denn schon<lb/> 1280 wird zu Frankfurt ein ^Meriens, <mi moratur inter ^uäeos genannt,<lb/> woraus sich ergibt, daß die Juden ihre besondern Wohnsitze hatten, daß aber<lb/> auch hier und da unter ihnen Christen wohnten. Man sonderte sie in ihrer<lb/> Wohnung ab, wol weniger um sie vor den Bedrückungen der Bürger zu schü¬<lb/> tzen, als um das häufigere Zusammenkommen der Christen mit den verach¬<lb/> teten Juden zu verhindern. Den Mittelpunkt ihres Quartiers bildete gewöhn¬<lb/> lich die Synagoge; außerhalb der Mauern hatten sie ihren besondern Kirchhof.</p><lb/> <p xml:id="ID_402" next="#ID_403"> Aber auch sonst beschränkte man die Gemeinschaft der Juden und Christen.<lb/> Bereits im achten Jahrhundert verboten Synoden den Christen bei Strase der<lb/> Excommunication, sich an den jüdischen Festen zu betheiligen, mit den Juden<lb/> zusammen zu wohnen, zu baden oder einen jüdischen Arzt zu brauchen. Die<lb/> Kirchenversammlung zu Wien verbot den Juden den Besuch christlicher Wirths¬<lb/> häuser und Badeanstalten, und bestrafte den Beischlaf einer Christin mit einem<lb/> Juden an dem letztem mit zehn Mark Silber und an der Christin mit Stäu¬<lb/> pung und Landesverweisung. Nach dem Schwabenspiegel soll kein Christ bei<lb/> einem Juden nach jüdischem Gebrauch bereitete Speisen essen, einen Juden<lb/> Zu einer Hochzeit oder einem Gastmahl laden, mit ihm an Feiertagen zusam¬<lb/> men baden; die fleischliche Vermischung zwischen Juden und Christen wird mit<lb/> dem Feuertode an beiden geahndet, da der Christ durch eine solche That<lb/> seinen Glauben verleugnet. Sehr alt ist die fortwährend wiederholte Be¬<lb/> stimmung, daß die Juden keine christlichen Dienstboten haben sollen, weil<lb/> man die Verführung oder Annäherung zum Judenthum befürchtete. Während<lb/> der christlichen Feiertage, besonders um die Osterzeit herum, sollen sie ihre</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 17*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0141]
Betrachten wir ferner die Stellung der Juden in den Gemeinden, so
hatten sie kein Bürgerrecht, sondern wurden nur als Schutzverwandte betrach¬
tet. Sie nahmen an den Gemeindeversammlungen keinen Theil, leisteten
keinen Kriegsdienst, konnten nicht in den Rath der Stadt kommen, keine Ge¬
meindeämter bekleiden und hatten keinen Antheil an der Nutzung der Gemeinde¬
güter. Schon die ältesten kirchlichen Gesetze verbieten die Ehe zwischen Juden
und Christen und suchen sie von gegenseitiger Annäherung fern zu halten.
Die Juden lebten im Mittelalter abgesondert von den Christen in Wohnung,
Kleidung, Gericht u. s. w. und bildeten in den Städten gewissermaßen wieder
besondere Gemeinden. Sie wohnten infolge besonderer Bestimmungen in ein¬
zelnen, ihnen angewiesenen Straßen und Quartieren, welche auch heute noch
den Namen Judcnviertel, Judenstraßen führen. Schon im Jahr 1084 er¬
hielten sie zu Speier Wohnsitze extra, ooiiimunionem et nabitacivnem eetero-
rum civium und wurde ihr Quartier mit einer Mauer umgeben, um sie vor
den Angriffen des Pöbels zu schützen. Josef Ansicht, daß diese Absonderung
erst in späterer Zeit erfolgte und in Frankfurt die Juden erst im Jahr 1462
ihr besonderes Judenviertel erhielten, erscheint als unrichtig; denn schon
1280 wird zu Frankfurt ein ^Meriens, <mi moratur inter ^uäeos genannt,
woraus sich ergibt, daß die Juden ihre besondern Wohnsitze hatten, daß aber
auch hier und da unter ihnen Christen wohnten. Man sonderte sie in ihrer
Wohnung ab, wol weniger um sie vor den Bedrückungen der Bürger zu schü¬
tzen, als um das häufigere Zusammenkommen der Christen mit den verach¬
teten Juden zu verhindern. Den Mittelpunkt ihres Quartiers bildete gewöhn¬
lich die Synagoge; außerhalb der Mauern hatten sie ihren besondern Kirchhof.
Aber auch sonst beschränkte man die Gemeinschaft der Juden und Christen.
Bereits im achten Jahrhundert verboten Synoden den Christen bei Strase der
Excommunication, sich an den jüdischen Festen zu betheiligen, mit den Juden
zusammen zu wohnen, zu baden oder einen jüdischen Arzt zu brauchen. Die
Kirchenversammlung zu Wien verbot den Juden den Besuch christlicher Wirths¬
häuser und Badeanstalten, und bestrafte den Beischlaf einer Christin mit einem
Juden an dem letztem mit zehn Mark Silber und an der Christin mit Stäu¬
pung und Landesverweisung. Nach dem Schwabenspiegel soll kein Christ bei
einem Juden nach jüdischem Gebrauch bereitete Speisen essen, einen Juden
Zu einer Hochzeit oder einem Gastmahl laden, mit ihm an Feiertagen zusam¬
men baden; die fleischliche Vermischung zwischen Juden und Christen wird mit
dem Feuertode an beiden geahndet, da der Christ durch eine solche That
seinen Glauben verleugnet. Sehr alt ist die fortwährend wiederholte Be¬
stimmung, daß die Juden keine christlichen Dienstboten haben sollen, weil
man die Verführung oder Annäherung zum Judenthum befürchtete. Während
der christlichen Feiertage, besonders um die Osterzeit herum, sollen sie ihre
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