Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.Geldbedürsnisses-. König Heinins der Siebente erlaubt einem Adligen, Juden Die Judensteuern waren aber nicht das einzige Motiv für die Landes- Geldbedürsnisses-. König Heinins der Siebente erlaubt einem Adligen, Juden Die Judensteuern waren aber nicht das einzige Motiv für die Landes- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0140" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107187"/> <p xml:id="ID_399" prev="#ID_398"> Geldbedürsnisses-. König Heinins der Siebente erlaubt einem Adligen, Juden<lb/> in einer Burg zu halten, um seine Lehen zu verbessern; als zu Frankfurt<lb/> Schaden an der Mainbrücke geschehen war, gestattete Karl der Vierte, Juden<lb/> in die Stadt aufzunehmen und mit ihnen sich über die Steuer zu verabreden,<lb/> ein Theil derselben solle an den Kaiser und seine Gläubiger fallen, der andere<lb/> von der Stadt zur Wiederherstellung der Brücke verwendet werden. Außer<lb/> den Steuern an Kaiser und Landesherrn waren die Juden noch manchen son¬<lb/> stigen Abgaben an die städtischen Beamten und für die Bedürfnisse der Städte<lb/> unterworfen. In Olmütz zahlen sie Communalsteuern, wie alle übrigen Bür¬<lb/> ger; in Brünn bringen sie den vierten Theil auf pro rkMrlltions inurorum<lb/> et tossÄti eiviwtis; in Trier zahlten im zwölften Jahrhundert die Juden an<lb/> die Münze 150 Mark, an den Erzbischof 6 und an den Kämmerer 2 Pfund<lb/> Pfeffer. In Köln entrichteten sie für das Geleit in der Diöcese dem Burg¬<lb/> grafen jährlich 10 Mark und K Pfund Pfeffer. Außerdem waren sie noch<lb/> dem kirchlichen Zehnten und manchen sonstigen Abgaben unterworfen. Ich<lb/> hebe den Würfelzoll hervor, welcher an allen mainzischen Zollstätten zu Wasser<lb/> und zu Lande von ihnen erhoben wurde und weniger den Vortheil des Erz-<lb/> bischofs, als die Demüthigung der Juden bezweckte. Jeder Jude, welcher<lb/> das Zollamt passirte, mußte drei Würfel, wahrscheinlich zum Andenken daran<lb/> geben, daß die Kriegsknechte um den Rock Jesu kosten. Diese mehr symbo¬<lb/> lische Abgabe wurde erst im Jahr 1384 ausgehoben. Begab sich ein Jude<lb/> aus Reisen, so mußte er noch Geld für das Geleit bezahlen, um sicher über<lb/> die Landstraße zu ziehen und in andern Städten verweilen zu dürfen.</p><lb/> <p xml:id="ID_400"> Die Judensteuern waren aber nicht das einzige Motiv für die Landes-<lb/> herrn, Juden in ihrem Lande auszunehmen. Zu der Möglichkeit, durch recht¬<lb/> liches Verlangen oder widerrechtliche Gewalt den erschöpften Kassen zu Hilfe<lb/> zu kommen, kam noch die Fürsorge sür den Verkehr. Leute, welche Geld¬<lb/> geschäfte betrieben, Geld liehen. Zahlungen vermittelten u. f. w. waren bei<lb/> dem zunehmenden Verkehr allmälig unentbehrlich geworden. Und wer trieb<lb/> solche Geschäfte, als grade die Juden? Dies Motiv ergibt sich aus einer Reihe<lb/> von Privilegien. Der Erzbischof von Speier sagt in dem sehr^ alten (1084)<lb/> Privileg sür seine Stadt: xutsrvi rmUes ÄrnMüc:a.l-ö Iwmzrem loci, si se^juüeoL<lb/> eolligerelli, und König Johann von Böhmen gestattete im Jahr 1341 der<lb/> Stadt Budweis in Böhmen, zwei Juden bei sich aufzunehmen, weil die Schuld¬<lb/> verhältnisse der Bürger zu auswärtigen Gläubigern viele Ungelegenheiten her¬<lb/> beiführten. Es werden also in den Juden reiche Leute nach der Stadt ge¬<lb/> zogen, welche aus dem Geldleihen ein Gewerbe machen. So'erklärt es sich,<lb/> wenn bisweilen eine Judengemeinde gegen die Aufnahme von noch mehren<lb/> Juden protestirt; sie fürchtet durch die größere Concurrenz in ihren Geschäften<lb/> beeinträchtigt zu werden.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0140]
Geldbedürsnisses-. König Heinins der Siebente erlaubt einem Adligen, Juden
in einer Burg zu halten, um seine Lehen zu verbessern; als zu Frankfurt
Schaden an der Mainbrücke geschehen war, gestattete Karl der Vierte, Juden
in die Stadt aufzunehmen und mit ihnen sich über die Steuer zu verabreden,
ein Theil derselben solle an den Kaiser und seine Gläubiger fallen, der andere
von der Stadt zur Wiederherstellung der Brücke verwendet werden. Außer
den Steuern an Kaiser und Landesherrn waren die Juden noch manchen son¬
stigen Abgaben an die städtischen Beamten und für die Bedürfnisse der Städte
unterworfen. In Olmütz zahlen sie Communalsteuern, wie alle übrigen Bür¬
ger; in Brünn bringen sie den vierten Theil auf pro rkMrlltions inurorum
et tossÄti eiviwtis; in Trier zahlten im zwölften Jahrhundert die Juden an
die Münze 150 Mark, an den Erzbischof 6 und an den Kämmerer 2 Pfund
Pfeffer. In Köln entrichteten sie für das Geleit in der Diöcese dem Burg¬
grafen jährlich 10 Mark und K Pfund Pfeffer. Außerdem waren sie noch
dem kirchlichen Zehnten und manchen sonstigen Abgaben unterworfen. Ich
hebe den Würfelzoll hervor, welcher an allen mainzischen Zollstätten zu Wasser
und zu Lande von ihnen erhoben wurde und weniger den Vortheil des Erz-
bischofs, als die Demüthigung der Juden bezweckte. Jeder Jude, welcher
das Zollamt passirte, mußte drei Würfel, wahrscheinlich zum Andenken daran
geben, daß die Kriegsknechte um den Rock Jesu kosten. Diese mehr symbo¬
lische Abgabe wurde erst im Jahr 1384 ausgehoben. Begab sich ein Jude
aus Reisen, so mußte er noch Geld für das Geleit bezahlen, um sicher über
die Landstraße zu ziehen und in andern Städten verweilen zu dürfen.
Die Judensteuern waren aber nicht das einzige Motiv für die Landes-
herrn, Juden in ihrem Lande auszunehmen. Zu der Möglichkeit, durch recht¬
liches Verlangen oder widerrechtliche Gewalt den erschöpften Kassen zu Hilfe
zu kommen, kam noch die Fürsorge sür den Verkehr. Leute, welche Geld¬
geschäfte betrieben, Geld liehen. Zahlungen vermittelten u. f. w. waren bei
dem zunehmenden Verkehr allmälig unentbehrlich geworden. Und wer trieb
solche Geschäfte, als grade die Juden? Dies Motiv ergibt sich aus einer Reihe
von Privilegien. Der Erzbischof von Speier sagt in dem sehr^ alten (1084)
Privileg sür seine Stadt: xutsrvi rmUes ÄrnMüc:a.l-ö Iwmzrem loci, si se^juüeoL
eolligerelli, und König Johann von Böhmen gestattete im Jahr 1341 der
Stadt Budweis in Böhmen, zwei Juden bei sich aufzunehmen, weil die Schuld¬
verhältnisse der Bürger zu auswärtigen Gläubigern viele Ungelegenheiten her¬
beiführten. Es werden also in den Juden reiche Leute nach der Stadt ge¬
zogen, welche aus dem Geldleihen ein Gewerbe machen. So'erklärt es sich,
wenn bisweilen eine Judengemeinde gegen die Aufnahme von noch mehren
Juden protestirt; sie fürchtet durch die größere Concurrenz in ihren Geschäften
beeinträchtigt zu werden.
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