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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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Herrn seit dem Anfang des vierzehnten Jahrhunderts gegen die Juden. Sie
heben zu Gunsten einzelner Landesherrn deren Schulden auf und befehlen den
Juden, alle auf dieselben bezüglichen Documente herauszugeben, sie erlassen
die Zinsen oder ordnen Theilzahlungen an; ja es tragen selbst geistliche Für¬
sten kein Bedenken, Schuldner, welche mit ihrem Eide die Rückzahlung von
Capital und Zinsen gelobt haben, des Eides zu entbinden. Es befreite z. B.
König Ludwig im Jahr 1343 den Burggrafen zu Nürnberg von allen For¬
derungen, welche mehr als achtzig Juden gegen ihn hatten, und bemerkte zur
Motivirung, daß die Juden mit allem ihrem Besitz ihm gehörten und er mit
ihnen anfangen dürfe, was ihm beliebe. Noch weiter ging König Wenzel,
als er im Jahr 1390 die Judcnschulden aller Christen des gesammten Franken¬
landes zu tilgen gedachte; seine Absicht war aber weniger, den unglück¬
lichen Schuldnern zu helfen, als des Königs leeren Beutel zu füllen. Er ließ
sich nämlich für dieses Privileg von den Reichsständen, den Landesherrn und
Städten bedeutende Summen bezahlen und diese erhoben sie wieder von den
Schuldnern, so daß die Schuld nur zum Theil getilgt wurde und für das
Uebrige jetzt nicht mehr der Jude, sondern der Kaiser Gläubiger war. Eine
ähnliche Finanzoperation hatte schon zwei Jahrhunderte vorher König Philipp
von Frankreich gegen die Juden unternommen, indem er ihre sämmtlichen
Forderungen mit Ausnahme des fünften Theils für erloschen erklärte, welchen
er sich vorbehielt.

Freilich verstand es sich von selbst, daß der Jude zu Darlehen nicht ge¬
zwungen werden durfte und zum Ueberfluß hob man es noch in besonderen
Bestimmungen hervor, aber auch in dieser Hinsicht ging man ohne Bedenken
über das Recht hinaus und forderte mit Gewalt, wo es freier Uebereinkunft
bedurft hätte.

Nicht dieselbe Stellung wie ein gewöhnlicher Landesherr hatte der Erz-
bischof von Mainz zu den Juden. Der Schwabenspiegel sagt, der Kaiser solle
ihm, seinem Kanzler, alle Juden in den deutschen Landen empfehlen und
auch, wenn es nicht geschehe, übe der Erzbischof über sie ein allgemeines
Schutzrecht aus. Demgemäß befahl z. B. König Ludwig im Jahr 1337 dem
Rath von Frankfurt, dem Erzbischof von Mainz in der Beschirmung der Ju¬
den des Reichs beizustehen. Der höchste geistliche Fürst in Deutschland ist es
also, welchem die Vertheidigung der der christlichen Kirche so verhaßten Juden
anvertraut ist. Meinem Ermessen nach ist diese Pflicht des Erzbischofs damit
in Zusammenhang zu bringen, daß er der oberste Beamte des Reiches und
wenn dasselbe erledigt oder der Kaiser sonst behindert ist, grade er es ist,
welcher die Reichsrechte als Stellvertreter zu verwalten hat. Und in der That
hat sich auch der Erzbischof von Mainz bei den schweren Judenverfolgungen
zur Zeit der Kreuzzüge der Bedrängten in würdiger Weise angenommen.


Herrn seit dem Anfang des vierzehnten Jahrhunderts gegen die Juden. Sie
heben zu Gunsten einzelner Landesherrn deren Schulden auf und befehlen den
Juden, alle auf dieselben bezüglichen Documente herauszugeben, sie erlassen
die Zinsen oder ordnen Theilzahlungen an; ja es tragen selbst geistliche Für¬
sten kein Bedenken, Schuldner, welche mit ihrem Eide die Rückzahlung von
Capital und Zinsen gelobt haben, des Eides zu entbinden. Es befreite z. B.
König Ludwig im Jahr 1343 den Burggrafen zu Nürnberg von allen For¬
derungen, welche mehr als achtzig Juden gegen ihn hatten, und bemerkte zur
Motivirung, daß die Juden mit allem ihrem Besitz ihm gehörten und er mit
ihnen anfangen dürfe, was ihm beliebe. Noch weiter ging König Wenzel,
als er im Jahr 1390 die Judcnschulden aller Christen des gesammten Franken¬
landes zu tilgen gedachte; seine Absicht war aber weniger, den unglück¬
lichen Schuldnern zu helfen, als des Königs leeren Beutel zu füllen. Er ließ
sich nämlich für dieses Privileg von den Reichsständen, den Landesherrn und
Städten bedeutende Summen bezahlen und diese erhoben sie wieder von den
Schuldnern, so daß die Schuld nur zum Theil getilgt wurde und für das
Uebrige jetzt nicht mehr der Jude, sondern der Kaiser Gläubiger war. Eine
ähnliche Finanzoperation hatte schon zwei Jahrhunderte vorher König Philipp
von Frankreich gegen die Juden unternommen, indem er ihre sämmtlichen
Forderungen mit Ausnahme des fünften Theils für erloschen erklärte, welchen
er sich vorbehielt.

Freilich verstand es sich von selbst, daß der Jude zu Darlehen nicht ge¬
zwungen werden durfte und zum Ueberfluß hob man es noch in besonderen
Bestimmungen hervor, aber auch in dieser Hinsicht ging man ohne Bedenken
über das Recht hinaus und forderte mit Gewalt, wo es freier Uebereinkunft
bedurft hätte.

Nicht dieselbe Stellung wie ein gewöhnlicher Landesherr hatte der Erz-
bischof von Mainz zu den Juden. Der Schwabenspiegel sagt, der Kaiser solle
ihm, seinem Kanzler, alle Juden in den deutschen Landen empfehlen und
auch, wenn es nicht geschehe, übe der Erzbischof über sie ein allgemeines
Schutzrecht aus. Demgemäß befahl z. B. König Ludwig im Jahr 1337 dem
Rath von Frankfurt, dem Erzbischof von Mainz in der Beschirmung der Ju¬
den des Reichs beizustehen. Der höchste geistliche Fürst in Deutschland ist es
also, welchem die Vertheidigung der der christlichen Kirche so verhaßten Juden
anvertraut ist. Meinem Ermessen nach ist diese Pflicht des Erzbischofs damit
in Zusammenhang zu bringen, daß er der oberste Beamte des Reiches und
wenn dasselbe erledigt oder der Kaiser sonst behindert ist, grade er es ist,
welcher die Reichsrechte als Stellvertreter zu verwalten hat. Und in der That
hat sich auch der Erzbischof von Mainz bei den schweren Judenverfolgungen
zur Zeit der Kreuzzüge der Bedrängten in würdiger Weise angenommen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/138>, abgerufen am 22.12.2024.