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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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im ihre Beamten auf, sich der Juden anzunehmen, falls sie selbst ihrem Ver¬
sprechen nicht nachkamen und sich Ungerechtigkeiten gegen sie zu Schulden kom¬
men ließen.

Es waren nicht Motive der reinsten Art, welche die Kaiser sich zu Beschützern
der Juden aufwerfen ließen, es ist weniger das Bewußtsein, daß der Jude
ebenso gut wie jeder andere im Reiche unter dem Gesetz stehen müsse, als
die Möglichkeit, das Schutzverhültniß zum Gedeihen der kaiserlichen Kasse aus¬
zubeuten. Abgesehn von den sonstigen Steuern, welche die Juden an Kaiser
und Landesherrn abzuführen hatten, zahlten sie dem Kaiser für seinen Schutz
ein jährliches Kopfgeld, einen Leibzins, welcher zum Gedächtniß an ihr Ver¬
fahren gegen Christus am Weihnachtstag zu zahlen war und den Namen
"goldener Pfenning" oder "Opferpfenning" führte. Im Jahr 1342 kam z.B.
König Ludwig mit der Judenschaft im Reiche überein, daß jeder Jude und
jede Judenwitwe, sobald sie über zwölf Jahr alt sind und ein Vermögen von
wenigstens zwanzig Gulden besitzen, ihm jährlich einen Gulden Leibzins zahlen
solle. Wegen dieser Abgabe an den kaiserlichen Schatz, an die kaiserliche
Kammer heißen die Juden im Mittelalter kaiserliche Kammerkncchte (servi eawo
räh imperis-lis speciales) und die Kaiser nennen sie wol auch, wenn sie von
ihnen Geld erhalten haben oder noch verlangen, "ihre lieben Kammerknechte".

Aber es blieb nicht bei dieser festen Abgabe, sondern so wie jeder Grund¬
herr von seinen Bauern und Hörigen dann Geldzahlungen verlangte, wenn
er sie brauchte, so hielten sich auch die Kaiser, wenn sie in Geldnoth waren,
an ihre Juden, welche auf der einen Seite ihre Kammerknechte und auf der
andern die reichen Leute waren. Die kaiserlichen Einkünfte flössen das ganze
Mittelalter hindurch bis in die neuere Zeit aus sehr verschiedenen Quellen
und wurden, wie es an gleichmäßigen Grundsätzen für die Verwaltung des
deutschen Reichs überhaupt fehlte, für die einzelnen Landesherrschaften, Städte,
Gemeinden u. s. w. nach besondern Grundsätzen geregelt und durch eigne Ver¬
einbarungen oder Erlasse festgesetzt. So wie der König mit den einzelnen
Reichsstädten, welche noch beim Reich geblieben waren, über die jährlich von
der Bürgerschaft aufzubringende Reichssteuer verhandelte, so sehen wir ihn
auch'mit den Juden jeder Stadt, in welcher sie ansässig und ihm steuerpflichtig
waren, in Unterhandlung über die von ihnen zu tragenden Abgaben "treten,
welche dann nicht blos in den Jahren, in welchen sich ein Bedürfniß heraus¬
stellte , sondern jedes Jahr als feste Steuer zu entrichten waren. Vergleichen
wir die Steuer, welche eine Stadtgemeinde, mit der, welche die Judenschaft
derselben Stadt aufzubringen hatte, so erscheint die letztere unerhört hoch, und
wir lernen das Interesse der Kaiser würdigen, die Juden als ihre unmittel¬
baren Unterthanen sich zu erhalten und sie vor jeder anderweitigen Beschwerung
ihrer Person oder ihres Vermögens zu schützen. Sie nehmen sich der Juden,


im ihre Beamten auf, sich der Juden anzunehmen, falls sie selbst ihrem Ver¬
sprechen nicht nachkamen und sich Ungerechtigkeiten gegen sie zu Schulden kom¬
men ließen.

Es waren nicht Motive der reinsten Art, welche die Kaiser sich zu Beschützern
der Juden aufwerfen ließen, es ist weniger das Bewußtsein, daß der Jude
ebenso gut wie jeder andere im Reiche unter dem Gesetz stehen müsse, als
die Möglichkeit, das Schutzverhültniß zum Gedeihen der kaiserlichen Kasse aus¬
zubeuten. Abgesehn von den sonstigen Steuern, welche die Juden an Kaiser
und Landesherrn abzuführen hatten, zahlten sie dem Kaiser für seinen Schutz
ein jährliches Kopfgeld, einen Leibzins, welcher zum Gedächtniß an ihr Ver¬
fahren gegen Christus am Weihnachtstag zu zahlen war und den Namen
„goldener Pfenning" oder „Opferpfenning" führte. Im Jahr 1342 kam z.B.
König Ludwig mit der Judenschaft im Reiche überein, daß jeder Jude und
jede Judenwitwe, sobald sie über zwölf Jahr alt sind und ein Vermögen von
wenigstens zwanzig Gulden besitzen, ihm jährlich einen Gulden Leibzins zahlen
solle. Wegen dieser Abgabe an den kaiserlichen Schatz, an die kaiserliche
Kammer heißen die Juden im Mittelalter kaiserliche Kammerkncchte (servi eawo
räh imperis-lis speciales) und die Kaiser nennen sie wol auch, wenn sie von
ihnen Geld erhalten haben oder noch verlangen, „ihre lieben Kammerknechte".

Aber es blieb nicht bei dieser festen Abgabe, sondern so wie jeder Grund¬
herr von seinen Bauern und Hörigen dann Geldzahlungen verlangte, wenn
er sie brauchte, so hielten sich auch die Kaiser, wenn sie in Geldnoth waren,
an ihre Juden, welche auf der einen Seite ihre Kammerknechte und auf der
andern die reichen Leute waren. Die kaiserlichen Einkünfte flössen das ganze
Mittelalter hindurch bis in die neuere Zeit aus sehr verschiedenen Quellen
und wurden, wie es an gleichmäßigen Grundsätzen für die Verwaltung des
deutschen Reichs überhaupt fehlte, für die einzelnen Landesherrschaften, Städte,
Gemeinden u. s. w. nach besondern Grundsätzen geregelt und durch eigne Ver¬
einbarungen oder Erlasse festgesetzt. So wie der König mit den einzelnen
Reichsstädten, welche noch beim Reich geblieben waren, über die jährlich von
der Bürgerschaft aufzubringende Reichssteuer verhandelte, so sehen wir ihn
auch'mit den Juden jeder Stadt, in welcher sie ansässig und ihm steuerpflichtig
waren, in Unterhandlung über die von ihnen zu tragenden Abgaben "treten,
welche dann nicht blos in den Jahren, in welchen sich ein Bedürfniß heraus¬
stellte , sondern jedes Jahr als feste Steuer zu entrichten waren. Vergleichen
wir die Steuer, welche eine Stadtgemeinde, mit der, welche die Judenschaft
derselben Stadt aufzubringen hatte, so erscheint die letztere unerhört hoch, und
wir lernen das Interesse der Kaiser würdigen, die Juden als ihre unmittel¬
baren Unterthanen sich zu erhalten und sie vor jeder anderweitigen Beschwerung
ihrer Person oder ihres Vermögens zu schützen. Sie nehmen sich der Juden,


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[0134] im ihre Beamten auf, sich der Juden anzunehmen, falls sie selbst ihrem Ver¬ sprechen nicht nachkamen und sich Ungerechtigkeiten gegen sie zu Schulden kom¬ men ließen. Es waren nicht Motive der reinsten Art, welche die Kaiser sich zu Beschützern der Juden aufwerfen ließen, es ist weniger das Bewußtsein, daß der Jude ebenso gut wie jeder andere im Reiche unter dem Gesetz stehen müsse, als die Möglichkeit, das Schutzverhültniß zum Gedeihen der kaiserlichen Kasse aus¬ zubeuten. Abgesehn von den sonstigen Steuern, welche die Juden an Kaiser und Landesherrn abzuführen hatten, zahlten sie dem Kaiser für seinen Schutz ein jährliches Kopfgeld, einen Leibzins, welcher zum Gedächtniß an ihr Ver¬ fahren gegen Christus am Weihnachtstag zu zahlen war und den Namen „goldener Pfenning" oder „Opferpfenning" führte. Im Jahr 1342 kam z.B. König Ludwig mit der Judenschaft im Reiche überein, daß jeder Jude und jede Judenwitwe, sobald sie über zwölf Jahr alt sind und ein Vermögen von wenigstens zwanzig Gulden besitzen, ihm jährlich einen Gulden Leibzins zahlen solle. Wegen dieser Abgabe an den kaiserlichen Schatz, an die kaiserliche Kammer heißen die Juden im Mittelalter kaiserliche Kammerkncchte (servi eawo räh imperis-lis speciales) und die Kaiser nennen sie wol auch, wenn sie von ihnen Geld erhalten haben oder noch verlangen, „ihre lieben Kammerknechte". Aber es blieb nicht bei dieser festen Abgabe, sondern so wie jeder Grund¬ herr von seinen Bauern und Hörigen dann Geldzahlungen verlangte, wenn er sie brauchte, so hielten sich auch die Kaiser, wenn sie in Geldnoth waren, an ihre Juden, welche auf der einen Seite ihre Kammerknechte und auf der andern die reichen Leute waren. Die kaiserlichen Einkünfte flössen das ganze Mittelalter hindurch bis in die neuere Zeit aus sehr verschiedenen Quellen und wurden, wie es an gleichmäßigen Grundsätzen für die Verwaltung des deutschen Reichs überhaupt fehlte, für die einzelnen Landesherrschaften, Städte, Gemeinden u. s. w. nach besondern Grundsätzen geregelt und durch eigne Ver¬ einbarungen oder Erlasse festgesetzt. So wie der König mit den einzelnen Reichsstädten, welche noch beim Reich geblieben waren, über die jährlich von der Bürgerschaft aufzubringende Reichssteuer verhandelte, so sehen wir ihn auch'mit den Juden jeder Stadt, in welcher sie ansässig und ihm steuerpflichtig waren, in Unterhandlung über die von ihnen zu tragenden Abgaben "treten, welche dann nicht blos in den Jahren, in welchen sich ein Bedürfniß heraus¬ stellte , sondern jedes Jahr als feste Steuer zu entrichten waren. Vergleichen wir die Steuer, welche eine Stadtgemeinde, mit der, welche die Judenschaft derselben Stadt aufzubringen hatte, so erscheint die letztere unerhört hoch, und wir lernen das Interesse der Kaiser würdigen, die Juden als ihre unmittel¬ baren Unterthanen sich zu erhalten und sie vor jeder anderweitigen Beschwerung ihrer Person oder ihres Vermögens zu schützen. Sie nehmen sich der Juden,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/134>, abgerufen am 22.12.2024.