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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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vorlagen, fortzusetzen, machten die oberelbischcn Staaten den Versuch, sie durch
die Erklärung zu schließen, daß die Commission bei der Weigerung, die Er¬
hebungen gemäß dem Bedürfnisse des Verkehrs und dem Art. 30 der Elvactc
modificiren zu wollen, ihre Verpflichtungen nicht erfüllen könne. Dieser Ver¬
such, rechtlich unbegründet, weil durch ihn ein Zwang auf die Verhandlungen
ausgeübt und eine Verpflichtung vorausgesetzt werden sollte, begegnete natür¬
lich der entschiedensten Protestation von Seiten der niederelbischen Staaten.
Gleiches war der Fall, als Anhalt, welches bisher eine Ermäßigung des Ta¬
rifs beharrlich abgelehnt hatte, auf die Seite der oberelbischcn Staaten trat
und diese nun den Versuch machten, durch Stimmenmehrheit ihre Gegner zur
Bewilligung ihrer Forderungen zu vermögen. Hierdurch konnte nichts Anderes
erreicht werden sollen, als die unter allen Umständen ungerechte Verletzung der
Rechte Einzelner durch die Mehrheit, abgesehen davon, daß die Revisions¬
commission zur Fassung giltiger Beschlüsse an und für sich gar nicht berech¬
tigt war, sondern nur zur Begutachtung ihr unterbreiteter Verhältnisse. Trotz
aller Protestationen beharrte man aber dennoch auf diesem neuen Modus
der Abstimmung, wodurch sich die Commissäre der Dissentirenden (niederelbi¬
schen) Staaten genöthigt sahen, die Commission ihrerseits für aufgelöst und
ihre Vollmachten für erloschen zu erklären. So endigten diese Verhandlun¬
gen mit einem Bruch, welcher seiner Zeit (im November vorigen Jahres)
so großes Aufsehen und so widersprechende Beurtheilung hervorrief.

Durch das Tagen der -- vierten -- Nevisionscommission ist die rechtliche
Seite der obschwebcnden Frage, resp, die rechtliche Verpflichtung der Regie¬
rungen zur Abminderung der Elbzollsätze oder deren gänzlicher Aufhebung, in
den Vordergrund getreten, denn jene Commissäre der oberelbischen Staaten
brachten zur Begründung ihrer Forderungen und Anträge den Artikel 30. der
Elbzollacte wiederholt herbei. Die rechtliche Bedeutung der Angelegenheit
ergibt sich aus deren geschichtlicher Entwicklung. Vorerst ist zu bemerken, daß,
wenn die Verkehrsverhältnisse durch Zölle und sonstige Abgaben auf eine Weise
beschränkt sind, durch welche die segensreiche Entfaltung von Handel und
Wandel unterdrückt, mehr oder minder unmöglich gemacht wird, daß alsdann
die moralische Verpflichtung der Regierungen, durch Befreiung von solchen
Hemmnissen dem Aufstreben ihres Landes zu Hilfe zu kommen, nicht bestritten
werden kann und soll. Es kann aber der Maßstab, nach welchem sie in die¬
sem Fall handeln müssen, immer nur ihrer eigenen Ueberzeugung anheim¬
gegeben sein und durch diese wird jene Verpflichtung nur bis zu der Grenze
geführt werden, wo sie mit andern höhern oder gleichberechtigten Verpflich¬
tungen zusammentrifft. Ein unbedingtes Aufheben lästiger Erhebungen ist
durch sie an und für sich dann noch nicht geboten, wenn durch eine solche
dem Lande unverhältnißmäßige Opfer bereitet werden. Es liegt für Mackler-


vorlagen, fortzusetzen, machten die oberelbischcn Staaten den Versuch, sie durch
die Erklärung zu schließen, daß die Commission bei der Weigerung, die Er¬
hebungen gemäß dem Bedürfnisse des Verkehrs und dem Art. 30 der Elvactc
modificiren zu wollen, ihre Verpflichtungen nicht erfüllen könne. Dieser Ver¬
such, rechtlich unbegründet, weil durch ihn ein Zwang auf die Verhandlungen
ausgeübt und eine Verpflichtung vorausgesetzt werden sollte, begegnete natür¬
lich der entschiedensten Protestation von Seiten der niederelbischen Staaten.
Gleiches war der Fall, als Anhalt, welches bisher eine Ermäßigung des Ta¬
rifs beharrlich abgelehnt hatte, auf die Seite der oberelbischcn Staaten trat
und diese nun den Versuch machten, durch Stimmenmehrheit ihre Gegner zur
Bewilligung ihrer Forderungen zu vermögen. Hierdurch konnte nichts Anderes
erreicht werden sollen, als die unter allen Umständen ungerechte Verletzung der
Rechte Einzelner durch die Mehrheit, abgesehen davon, daß die Revisions¬
commission zur Fassung giltiger Beschlüsse an und für sich gar nicht berech¬
tigt war, sondern nur zur Begutachtung ihr unterbreiteter Verhältnisse. Trotz
aller Protestationen beharrte man aber dennoch auf diesem neuen Modus
der Abstimmung, wodurch sich die Commissäre der Dissentirenden (niederelbi¬
schen) Staaten genöthigt sahen, die Commission ihrerseits für aufgelöst und
ihre Vollmachten für erloschen zu erklären. So endigten diese Verhandlun¬
gen mit einem Bruch, welcher seiner Zeit (im November vorigen Jahres)
so großes Aufsehen und so widersprechende Beurtheilung hervorrief.

Durch das Tagen der — vierten — Nevisionscommission ist die rechtliche
Seite der obschwebcnden Frage, resp, die rechtliche Verpflichtung der Regie¬
rungen zur Abminderung der Elbzollsätze oder deren gänzlicher Aufhebung, in
den Vordergrund getreten, denn jene Commissäre der oberelbischen Staaten
brachten zur Begründung ihrer Forderungen und Anträge den Artikel 30. der
Elbzollacte wiederholt herbei. Die rechtliche Bedeutung der Angelegenheit
ergibt sich aus deren geschichtlicher Entwicklung. Vorerst ist zu bemerken, daß,
wenn die Verkehrsverhältnisse durch Zölle und sonstige Abgaben auf eine Weise
beschränkt sind, durch welche die segensreiche Entfaltung von Handel und
Wandel unterdrückt, mehr oder minder unmöglich gemacht wird, daß alsdann
die moralische Verpflichtung der Regierungen, durch Befreiung von solchen
Hemmnissen dem Aufstreben ihres Landes zu Hilfe zu kommen, nicht bestritten
werden kann und soll. Es kann aber der Maßstab, nach welchem sie in die¬
sem Fall handeln müssen, immer nur ihrer eigenen Ueberzeugung anheim¬
gegeben sein und durch diese wird jene Verpflichtung nur bis zu der Grenze
geführt werden, wo sie mit andern höhern oder gleichberechtigten Verpflich¬
tungen zusammentrifft. Ein unbedingtes Aufheben lästiger Erhebungen ist
durch sie an und für sich dann noch nicht geboten, wenn durch eine solche
dem Lande unverhältnißmäßige Opfer bereitet werden. Es liegt für Mackler-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/120>, abgerufen am 22.12.2024.