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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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tend gemacht wurde, der Bestand des Congresses möchte gefährdet werden,
wenn schon bei der nächsten Versammlung zu Frankfurt, wo wahrscheinlicherweise
die Schutzzollpartci stärker vertreten sein werde, ein entschiedener Freihandels-
zolltarifentwurf zur Verhandlung käme. Diese Erwägung führte zur Annahme
des von Bennigsen gemachten Zusatzes, wonach es der ständigen Deputa¬
tion überlassen bleiben soll, ob sie den Gegenstand auf die Tagesordnung des
nächsten Congresses stellen solle oder nicht. "

Zum nächstjährigen Versammlungsort wurde Frankfurt a. M. gewählt.

Zum Schluß müssen wir noch eines überaus durchgreifenden Momentes
erwähnen. Herr Professor Hub er holte sich nämlich bereit erklärt, im Ge¬
werbeverein einen Vortrag über seine auf einer zweiten Reise in England
und Frankreich über die Associationen geschöpften Beobachtungen zu halten.
Um Zeit und die Wiederholung desselben Vortrags zu sparen, waren aus
Wunsch des Redners die Mitglieder des Congresses zu der Versammlung ein¬
geladen wordew. welche sehr zahlreich besucht war. Professor Hub er entrollte
ein überaus anziehendes und getreues Bild namentlich der englischen Genossen¬
schaften zu Rochdale und Leeds, welches nicht, wenig zur Vorbereitung für
die Entscheidung der wichtigen Associationssrage beitrug. Der Vortrag war
so umfassend, daß wir auch hier auf die stenographischen Berichte, so wie
auf die bereits im deutschen Gewerbeblatt (Innung der Zukunft) über
diesen Gegenstand erschienenen Artikel verweisen müssen.

Der Eindruck, welchen dieser Vortrag gemacht hatte, wurde noch über¬
boten durch die mächtige Wirkung, welche ein darauf folgender Vortrag von
Schulze-Delitzsch hervorbrachte, und welcher eine kräftige Appellation des
Redners an das Ehrgefühl des Gewerbestandes enthielt. Derselbe führte den
Gewerbetreibenden das Beispiel ihrer Vorfahren vor Augen; er bewies ihnen
ander Hand der Geschichte, daß die Zünfte im Mittelalter in ihrer Zeit ein
wirthschaftlicher und politischer Fortschritt waren. daß sie dem Sonderbetrieb
aus dem Lande damals entgegenstanden, wie die heutigen Genossenschaften
den Zünften, daß den großen Vorrechten der Zünfte ebenso so große Pflichten
gegenüberstanden, daß die heutigen Zünfte nicht die Pflichten, sondern nur
die Vorrechte wollten. Schulze forderte die Handwerker auf. sich zu ermannen,
wenn sie nicht vom Großbetrieb erdrückt werden wollten, sich statt auf die
HUfe des Staates auf sich selbst zu verlassen, statt nach Schutz zu rufen auf
^ eigne Kraft sich zu stützen, damit es nicht einst heiße, die deutschen Hand¬
werker bedürfen vor allem des Schutzes gegen sich selbst. -- Die allgemeine
Begeisterung auf der einen und die Resignation, welche diese Rede auf der
andern Seite hervorrief, war so-seltener Art. daß sie gewiß von nachhaltiger
Wirkung auch in weitern Kreisen sein wird.


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tend gemacht wurde, der Bestand des Congresses möchte gefährdet werden,
wenn schon bei der nächsten Versammlung zu Frankfurt, wo wahrscheinlicherweise
die Schutzzollpartci stärker vertreten sein werde, ein entschiedener Freihandels-
zolltarifentwurf zur Verhandlung käme. Diese Erwägung führte zur Annahme
des von Bennigsen gemachten Zusatzes, wonach es der ständigen Deputa¬
tion überlassen bleiben soll, ob sie den Gegenstand auf die Tagesordnung des
nächsten Congresses stellen solle oder nicht. «

Zum nächstjährigen Versammlungsort wurde Frankfurt a. M. gewählt.

Zum Schluß müssen wir noch eines überaus durchgreifenden Momentes
erwähnen. Herr Professor Hub er holte sich nämlich bereit erklärt, im Ge¬
werbeverein einen Vortrag über seine auf einer zweiten Reise in England
und Frankreich über die Associationen geschöpften Beobachtungen zu halten.
Um Zeit und die Wiederholung desselben Vortrags zu sparen, waren aus
Wunsch des Redners die Mitglieder des Congresses zu der Versammlung ein¬
geladen wordew. welche sehr zahlreich besucht war. Professor Hub er entrollte
ein überaus anziehendes und getreues Bild namentlich der englischen Genossen¬
schaften zu Rochdale und Leeds, welches nicht, wenig zur Vorbereitung für
die Entscheidung der wichtigen Associationssrage beitrug. Der Vortrag war
so umfassend, daß wir auch hier auf die stenographischen Berichte, so wie
auf die bereits im deutschen Gewerbeblatt (Innung der Zukunft) über
diesen Gegenstand erschienenen Artikel verweisen müssen.

Der Eindruck, welchen dieser Vortrag gemacht hatte, wurde noch über¬
boten durch die mächtige Wirkung, welche ein darauf folgender Vortrag von
Schulze-Delitzsch hervorbrachte, und welcher eine kräftige Appellation des
Redners an das Ehrgefühl des Gewerbestandes enthielt. Derselbe führte den
Gewerbetreibenden das Beispiel ihrer Vorfahren vor Augen; er bewies ihnen
ander Hand der Geschichte, daß die Zünfte im Mittelalter in ihrer Zeit ein
wirthschaftlicher und politischer Fortschritt waren. daß sie dem Sonderbetrieb
aus dem Lande damals entgegenstanden, wie die heutigen Genossenschaften
den Zünften, daß den großen Vorrechten der Zünfte ebenso so große Pflichten
gegenüberstanden, daß die heutigen Zünfte nicht die Pflichten, sondern nur
die Vorrechte wollten. Schulze forderte die Handwerker auf. sich zu ermannen,
wenn sie nicht vom Großbetrieb erdrückt werden wollten, sich statt auf die
HUfe des Staates auf sich selbst zu verlassen, statt nach Schutz zu rufen auf
^ eigne Kraft sich zu stützen, damit es nicht einst heiße, die deutschen Hand¬
werker bedürfen vor allem des Schutzes gegen sich selbst. — Die allgemeine
Begeisterung auf der einen und die Resignation, welche diese Rede auf der
andern Seite hervorrief, war so-seltener Art. daß sie gewiß von nachhaltiger
Wirkung auch in weitern Kreisen sein wird.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/97>, abgerufen am 05.07.2024.